Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kann die Kanzlerin noch ein letztes Mal die Weichen stellen?
Kramp-Karrenbauer, Merz, Spahn und Laschet – Vier sehr unterschiedliche Charaktere gelten als Kandidaten für Angela Merkels Nachfolge an der Spitze der CDU
BERLIN - Offener Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende, drei prominente Kandidaten stehen schon bereit: der frühere Fraktionschef Friedrich Merz, Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Oder wird es ein lachender Vierter: Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hält sich alle Optionen offen.
Die Favoritin: Annegret KrampKarrenbauer räumen viele in der Partei die besten Aussichten ein, weil sie den Rückhalt von Angela Merkel genießt und weil sie mit einer breiten Aufstellung die CDU als Volkspartei repräsentiert. Sieben Jahre lang regierte die Mutter dreier erwachsener Kinder das Saarland. Nachdem sie 2017 mit einem überraschenden Wahlsieg für Aufsehen gesorgt hatte, gab sie im Februar 2018 das Amt als Ministerpräsidentin auf, wechselte als Generalsekretärin nach Berlin. Mit fast 99 Prozent wählte sie der Parteitag in Berlin ins neue Amt und bejubelte ihre Rede, in der sie um Unterstützung aller Flügel warb. Sofort hieß es, die 56-Jährige bringe sich mit dem Umzug in die Hauptstadt für die Merkel-Nachfolge in Stellung. Von ihrer Mentorin setzte sie sich gelegentlich ab und doch verkörpert sie wie keine Zweite den Willen, die Ära Merkel fortzusetzen. Daher muss sie aber auch mit Widerstand jener rechnen, denen Merkels Linie seit Langem nicht mehr passt.
Das mögliche Comeback: Noch immer weckt der 62-jährige Wirtschaftsanwalt Friedrich Merz in konservativen und wirtschaftsliberalen Unionskreisen Sehnsüchte nach einer Rückbesinnung auf traditionelle Werte. Unvergessen sein Konzept für die „Steuer auf einem Bierdeckel“. Von 2000 bis 2002 leitete der Sauerländer die Bundestagsfraktion der Union, bis Merkel ihn aus diesem Amt verdrängte. Enttäuscht und verärgert gab Merz zwei Jahre später auch den Posten als Fraktionsvize auf. In der Wirtschaft legte der Jurist eine steile Karriere hin und mischt heute als Mitglied mehrerer Aufsichtsräte ganz oben in der Unternehmenswelt mit. Nicht nur persönlich, auch inhaltlich steht Merkels Rivale für die radikale Abkehr von ihrem Kurs Richtung Mitte. „Er ist der Richtige, um der CDU, ihren Mitgliedern und Anhängern den Stolz zurückzugeben, der in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist“, sagt Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand in der Bundestagsfraktion, im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Mit ihm an der Spitze müsste die CDU bereit sein, wieder stärker nach rechts zu rücken.
Der Hoffnungsträger:
Der ehrgeizige Westfale Jens Spahn, der die Provokation mit markigen Sprüchen liebt, gilt als der Vertreter der jungen Konservativen in der CDU. Obwohl erst 38 Jahre alt, gehört er dem Bundestag schon seit 2002 an. Selbst seine Kritiker bescheinigen dem offen homosexuell lebenden Spahn, dass er als Gesundheitsminister gute Sacharbeit abliefert und sich nicht in unnötigen Streitereien verliert. Unter Wolfgang Schäuble (CDU) als Bundesfinanzminister sammelte er auch als Parlamentarischer Staatssekretär Erfahrungen in der Wirtschaftspolitik. Immer wieder provozierte der studierte Politikwissenschaftler mit polarisierenden Äußerungen, die ihm viel Zuspruch bei den Unzufriedenen in der Partei einbrachten. Dennoch dürfte es auch ihm ähnlich wie Merz schwerfallen, alle Lager hinter sich zu vereinen.
In Wartestellung: Als Vorsitzender des mitgliederstärksten CDULandesverbandes kann der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet ein gewichtiges Wort bei der Entscheidung über die Merkel-Nachfolge mitreden. Ob er selber antreten will, ließ der 57-jährige Aachener gestern offen. Er wolle erst einmal Gespräche mit den Vorsitzenden der großen CDU-Landesverbände und anderer wichtiger Organisationen der Partei führen. Wenn sich die anderen mit Streit geschädigt haben, könnte die Stunde Laschets schlagen. Immer dabei, wenn es um die höchsten Aufgaben geht, ist auch CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble (76). Der frühere Innenund Finanzminister und heutige Bundestagspräsident wäre aber eher eine Übergangslösung. Ohnehin dürfte Schäuble, wenn überhaupt, nur noch die Kanzlerschaft reizen.