Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Eine Million für die Kurzzeitpflege
Umwidmung von vorhandenen Betten im Landkreis Ravensburg geplant
KREIS RAVENSBURG - Die Zeit drängt, es muss etwas getan werden. Darüber waren sich alle Kreisräte bei ihrer jüngsten Sitzung in Christazhofen einig: Die Kurzzeitpflege im Kreis Ravensburg muss verbessert werden. Dafür hat der Kreistag nun mehrheitlich beschlossen, im kommenden Jahr unter anderem eine Millionen Euro für die Beschaffung entsprechender Plätze in die Hand zu nehmen.
Das Geld soll als finanzieller Anreiz für deren Bereitstellung dienen. Zusammen mit Trägern von Altenheimen will der Landkreis Richtlinien für eine Förderung erarbeiten. Das ist eine der mittelfristigen Maßnahme, die die Kreisräte beschlossen haben.
Der Fachkräftemangel würde derzeit die Schaffung von neuen Plätzen und Angeboten behindern, erklärte Diana Raedler, Leiterin des Dezernats Arbeit und Jugend, in der Sitzung: „Wir müssen mindestens 23 und bis zu 140 Kurzzeitpflegekräfte schaffen.“Darum habe das Landratsamt zusammen mit dem „Runden Tisch Kurzzeitpflege“realistische Handlungsmaßnahmen entwickelt, die zusammen einen „umfangreichen Masterplan“ergeben. Kurzfristig soll ein Konzept erarbeitet werden, das bestehende stationäre Plätze zu Kurzzeitpflegeplätzen umwidmet. Zusätzlich zum finanziellen Anreiz sollen dann mittelfristig wohnortnahe Alternativen zur Kurzzeitpflege entwickelt werden, mit einem starken Fokus auf ambulanten Angeboten. Außerdem soll beim baden-württembergischen Sozialministerium die Förderung für ein Modellprojekt „Integrierte Nachsorgeeinrichtung“beantragt werden. Und langfristig soll das Projekt „Bedarfsgerechte Kurzzeitund Übergangspflege in qualitativer und quantitativer Hinsicht“umgesetzt werden.
Die kurzfristige Umwidmung von Doppelzimmern, die aufgrund der Pflegereform sowieso umgebaut werden müssten, könnten beispielsweise kreisweit zehn bis zwölf Plätze schaffen, sagte Raedler. Ein weiteres großes Problem sei auch, dass bestehend Kurzzeitpflegeplätze belegt seien und teilweise stationär sowie langfristig genutzt würden. Doch gerade von der stationären Pflege müsse man gedanklich im Rahmen der Kurzzeitbetreuung auch wegkommen. „Kurzzeitpflege muss nicht stationär passieren. Wir müssen die Angehörigen stärken, auch Gastfamilien finden und die ambulanten Angebote ausbauen“, sagte Raedler. Die eingeforderte Million, die im Haushalt 2019 auftauchen wird, solle auch gut genutzt werden, forderte Rolf Engler (CDU): „Wir müssen quer durch die Bevölkerung und flächendeckend im Kreis mehr Betten zur Verfügung stellen. Dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen und intensiv arbeiten.“ 15 Betten zu generieren sei ein Tropfen auf den heißen Stein. Zudem plädierte Engler dafür, in der Diskussion um Kurzzeitpflege auch jüngere Menschen mit einzubeziehen, die Pflege bräuchten.
Was der Kreistag beschließe, das helfe schon etwas, sagte Gisela Müller (SPD): „Wir stellen die richtigen Weichen, aber das ist noch nicht genug.“Die Lage durch Personalmangel und zu wenigen ambulanten Angeboten sei nicht leicht. Das geforderte Geld solle im kommenden Jahr wirklich eingesetzt werden. Schade sei auch, dass mit der Schließung des Leutkircher Krankenhauses vor einigen Jahren ein möglicher Anlaufpunkt für Pflege im Allgäu weggefallen sei, so Müller. Bei mehr ambulanten Angeboten seien nun auch die Kommunen gefragt. Der Runde Tisch solle auf jeden Fall beibehalten werden, forderte Liv Pfluger (Grüne): „Was jetzt vorliegt, ist überfällig. Zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen betreut. Die Kurzzeitpflege spielt dabei eine große Rolle.“
Die Zuordnung neu geschaffener Betten auf einzelne Gemeinden ergebe allerdings keinen Sinn, sagte Karl Immler (CDU): „Angehörige werden sowieso kreisweit alle Heime abtelefonieren, wenn sie Hilfe brauchen.“Parallel zur Schaffung von Pflegeplätzen müsse aber auch geschaut werden, dass genug Wohnraum für auswärtiges Pflegepersonal vorhanden sei, forderte Immler. Eine Lösung für das Wohnproblem hätte das jüngst abgebrochene Hochhaus am Elisabethenkrankenhaus in Ravensburg sein könnte, sagte Siegfried Scharpf (ÖDP): „Wir als Gremium sollten für die Menschen da sein. Wir bauen Brücken und Landratsämter, aber nicht genug Betten.“
Wie soll man freie Plätze finden?
Eine Idee, wie freie Kurzzeitpflegeplätze übersichtlich gemacht werden könnten, stellte Axel Müller (CDU) vor: „Ich kenne aus anderen Kreisen eine Art Ampelsystem. Dann muss man nicht lange herumtelefonieren, sondern hat die Belegung auf einen Blick.“Dieses System wolle sich die Verwaltung gerne einmal anschauen, antwortete Landrat Harald Sievers.
„Wenn die Ampel immer auf rot steht, hilft aber auch so ein System nichts“, warf Peter Clement (SPD) ein. „Wir sind spät dran. Schon vor einigen Jahren haben wir hier im Kreistag die Pflege diskutiert und es wurde gesagt, dass wir nicht so viele Plätze benötigen würden.“Die verfehlte Pflegeheimplanung sei zum Beispiel in Isny erkennbar, wo bei der Sanierung eines Altenheims die verfügbaren Betten weggekürzt worden seien.
Mit einer Gegenstimme wurden die Planung abgesegnet. „Wir müssen noch viel daran arbeiten, aber wir haben ein sehr substanzielles Paket beschlossen“, sagte Landrat Sievers.