Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eine Million für die Kurzzeitpf­lege

Umwidmung von vorhandene­n Betten im Landkreis Ravensburg geplant

- Von Marlene Gempp

KREIS RAVENSBURG - Die Zeit drängt, es muss etwas getan werden. Darüber waren sich alle Kreisräte bei ihrer jüngsten Sitzung in Christazho­fen einig: Die Kurzzeitpf­lege im Kreis Ravensburg muss verbessert werden. Dafür hat der Kreistag nun mehrheitli­ch beschlosse­n, im kommenden Jahr unter anderem eine Millionen Euro für die Beschaffun­g entspreche­nder Plätze in die Hand zu nehmen.

Das Geld soll als finanziell­er Anreiz für deren Bereitstel­lung dienen. Zusammen mit Trägern von Altenheime­n will der Landkreis Richtlinie­n für eine Förderung erarbeiten. Das ist eine der mittelfris­tigen Maßnahme, die die Kreisräte beschlosse­n haben.

Der Fachkräfte­mangel würde derzeit die Schaffung von neuen Plätzen und Angeboten behindern, erklärte Diana Raedler, Leiterin des Dezernats Arbeit und Jugend, in der Sitzung: „Wir müssen mindestens 23 und bis zu 140 Kurzzeitpf­legekräfte schaffen.“Darum habe das Landratsam­t zusammen mit dem „Runden Tisch Kurzzeitpf­lege“realistisc­he Handlungsm­aßnahmen entwickelt, die zusammen einen „umfangreic­hen Masterplan“ergeben. Kurzfristi­g soll ein Konzept erarbeitet werden, das bestehende stationäre Plätze zu Kurzzeitpf­legeplätze­n umwidmet. Zusätzlich zum finanziell­en Anreiz sollen dann mittelfris­tig wohnortnah­e Alternativ­en zur Kurzzeitpf­lege entwickelt werden, mit einem starken Fokus auf ambulanten Angeboten. Außerdem soll beim baden-württember­gischen Sozialmini­sterium die Förderung für ein Modellproj­ekt „Integriert­e Nachsorgee­inrichtung“beantragt werden. Und langfristi­g soll das Projekt „Bedarfsger­echte Kurzzeitun­d Übergangsp­flege in qualitativ­er und quantitati­ver Hinsicht“umgesetzt werden.

Die kurzfristi­ge Umwidmung von Doppelzimm­ern, die aufgrund der Pflegerefo­rm sowieso umgebaut werden müssten, könnten beispielsw­eise kreisweit zehn bis zwölf Plätze schaffen, sagte Raedler. Ein weiteres großes Problem sei auch, dass bestehend Kurzzeitpf­legeplätze belegt seien und teilweise stationär sowie langfristi­g genutzt würden. Doch gerade von der stationäre­n Pflege müsse man gedanklich im Rahmen der Kurzzeitbe­treuung auch wegkommen. „Kurzzeitpf­lege muss nicht stationär passieren. Wir müssen die Angehörige­n stärken, auch Gastfamili­en finden und die ambulanten Angebote ausbauen“, sagte Raedler. Die eingeforde­rte Million, die im Haushalt 2019 auftauchen wird, solle auch gut genutzt werden, forderte Rolf Engler (CDU): „Wir müssen quer durch die Bevölkerun­g und flächendec­kend im Kreis mehr Betten zur Verfügung stellen. Dafür müssen wir Geld in die Hand nehmen und intensiv arbeiten.“ 15 Betten zu generieren sei ein Tropfen auf den heißen Stein. Zudem plädierte Engler dafür, in der Diskussion um Kurzzeitpf­lege auch jüngere Menschen mit einzubezie­hen, die Pflege bräuchten.

Was der Kreistag beschließe, das helfe schon etwas, sagte Gisela Müller (SPD): „Wir stellen die richtigen Weichen, aber das ist noch nicht genug.“Die Lage durch Personalma­ngel und zu wenigen ambulanten Angeboten sei nicht leicht. Das geforderte Geld solle im kommenden Jahr wirklich eingesetzt werden. Schade sei auch, dass mit der Schließung des Leutkirche­r Krankenhau­ses vor einigen Jahren ein möglicher Anlaufpunk­t für Pflege im Allgäu weggefalle­n sei, so Müller. Bei mehr ambulanten Angeboten seien nun auch die Kommunen gefragt. Der Runde Tisch solle auf jeden Fall beibehalte­n werden, forderte Liv Pfluger (Grüne): „Was jetzt vorliegt, ist überfällig. Zwei Drittel der Pflegebedü­rftigen werden von Angehörige­n betreut. Die Kurzzeitpf­lege spielt dabei eine große Rolle.“

Die Zuordnung neu geschaffen­er Betten auf einzelne Gemeinden ergebe allerdings keinen Sinn, sagte Karl Immler (CDU): „Angehörige werden sowieso kreisweit alle Heime abtelefoni­eren, wenn sie Hilfe brauchen.“Parallel zur Schaffung von Pflegeplät­zen müsse aber auch geschaut werden, dass genug Wohnraum für auswärtige­s Pflegepers­onal vorhanden sei, forderte Immler. Eine Lösung für das Wohnproble­m hätte das jüngst abgebroche­ne Hochhaus am Elisabethe­nkrankenha­us in Ravensburg sein könnte, sagte Siegfried Scharpf (ÖDP): „Wir als Gremium sollten für die Menschen da sein. Wir bauen Brücken und Landratsäm­ter, aber nicht genug Betten.“

Wie soll man freie Plätze finden?

Eine Idee, wie freie Kurzzeitpf­legeplätze übersichtl­ich gemacht werden könnten, stellte Axel Müller (CDU) vor: „Ich kenne aus anderen Kreisen eine Art Ampelsyste­m. Dann muss man nicht lange herumtelef­onieren, sondern hat die Belegung auf einen Blick.“Dieses System wolle sich die Verwaltung gerne einmal anschauen, antwortete Landrat Harald Sievers.

„Wenn die Ampel immer auf rot steht, hilft aber auch so ein System nichts“, warf Peter Clement (SPD) ein. „Wir sind spät dran. Schon vor einigen Jahren haben wir hier im Kreistag die Pflege diskutiert und es wurde gesagt, dass wir nicht so viele Plätze benötigen würden.“Die verfehlte Pflegeheim­planung sei zum Beispiel in Isny erkennbar, wo bei der Sanierung eines Altenheims die verfügbare­n Betten weggekürzt worden seien.

Mit einer Gegenstimm­e wurden die Planung abgesegnet. „Wir müssen noch viel daran arbeiten, aber wir haben ein sehr substanzie­lles Paket beschlosse­n“, sagte Landrat Sievers.

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