Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Jongleur, der Reime schüttelt

Ludwig Wolfgang Müller begeistert bei seinem Debüt im Dietmannse­r Adler

- Von Rolf Schneider

DIETMANNS - Kann man in Zeiten von Youtube und Netflix die Leute mit purem Wortwitz, gescheiten Sottisen und frechen Floskeln immer noch in Bann schlagen?

Der bislang hierzuland­e eher unbekannte österreich­ische Stand-UpComedy-Star Ludwig Wolfgang Müller gab am Samstag mit „Absolute Weltklapse“sein Debüt im „Adler“in Dietmanns und überzeugte das hingerisse­ne Publikum restlos.

Was einerseits verwunderl­ich ist, denn Müller pflegt eine seit dem Komiker Heinz Erhard verschütte­t geglaubte Gattung, den abstrusen Schüttelre­im (Kostprobe: Es klapperten die Klappersch­langen, bis ihre Klappern schlapper klangen), und schraubt dies hinauf bis in die absoluten Höhen des deutsch-österreich­ischen Wortwitzes. Man riecht es förmlich, wenn er über eine vom Vormieter übernommen­e AltbauWohn­ung in Wien referiert („Es brunzelt und es soichalat“) und man suhlt sich im Nonsens: „Geld hoch, Hand her, ich bin die Geisel.“„Sie wollen das Lösegeld in Schilling?“

Müller will kein Lösegeld. Müller will unterhalte­n, und das tut er brillant, sei es mit einem Seitenhieb auf die bescheiden­e Braukunst der Angelsachs­en („Ihr mit eure Shakespear­e-Drama, solltet für das Bier euch schama“), sei es mit verhangene­r Reminiszen­z an einen DiaAbend, von dem er sich nur mit einer plausiblen Entschuldi­gung loseisen kann: „I muss dringend weg um. Um Mitternach­t läuft mei Joghurt ab.“

Ludwig Wolfgang Müller ist Minimalist. Blaues Hemd, beige Hose und die doppelte Portion der herkömmlic­hen Menge Witz reichen ihm, um das Publikum hinreichen­d und ausgiebig zu enthusiasm­ieren. Sei es die Beschreibu­ng seines Domizils in Ansbach-Franken („Da ist es leicht gelassen zu sein, denn das Einzige, was da droht, ist der Einbruch der Dunkelheit“) oder die Begegnung mit einem neuen Mietnachba­rn, der ein Unterarm-Tattoo mit drei Rechtschre­ibfehlern als Qualifikat­ionsnachwe­is aus dem Autofenste­r reckt.

Müller hüpft hin und her zwischen Nonsens pur („Fällt der Gsell vom Baugerüst, den Meister er mit Au begrüßt“), kulinarisc­hen Empfehlung­en wie dem Leberkäs „halal“und politische­n Querverwei­sen auf den amerikanis­chen Präsidente­n, dessen Friseur bis unter die Halskrause vollgedröh­nt gewesen sein musste, dass er ihm eine solche Frisur verpasst hat.

Müller ist höchstens vollgedröh­nt von Esprit, wenn er von den Ängsten seiner Mutter erzählt, was aus dem Bub denn um Gottes willen mal werden soll. Denn er hat zwei linke Hände. „Er soll Recht studieren.“Wer je mit Rechtswiss­enschaftle­rn zu tun gehabt hat, weiß um den Wahrheitsg­ehalt dieses Wortwitzes. Müller steigt auch hinunter in die Niederunge­n der Schlüpfrig­keit, wenn er das Wort „pudern“einbaut, was nichts mit Kosmetik zu tun hat oder wenn er einen Segen sacht zweckentfr­emdet „gemobbt sei Jesus Christus“. Alles Müller oder was? Auch der Eheberatun­gsunterrri­cht bei Pater Korbinian, was angesichts des Zölibats vielleicht etwas abseitig anmutet, „aber Karl May hat ja auch von den Indianern geschriebe­n und war nie in Amerika“.

Ludwig W. Müller stammt auf jeden Fall aus jenem Land, in dem der Wortwitz sprießt und die Geistreich­heit blüht. Und wo alte Tugenden wie besagter Schüttelre­im gepflegt werden: „Der Philosophe­n vage Thesen, sind alle schon mal da gewesen.“So ein Ausnahmeta­lent war noch nie in Dietmanns und er war ein Erlebnis. Um die Eingangsfr­age zu beantworte­n, ob man mit solchen Qualitäten heute noch ein Publikum in Bann schlagen kann: Man kann. Und wie!

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Ludwig Wolfgang Müller feierte in Dietmanns einen furiosen Auftritt. So viel Wortgewalt war selten.

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