Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Tempo 30“kommt erst einmal nicht

Gemeindera­tsbeschlus­s wird ignoriert

- Von Tobias Schumacher und Jeanette Löschberge­r

ISNY - Eine demokratis­ch gefällte Entscheidu­ng wird nicht umgesetzt, und jene, die sie getroffen haben, wissen nicht warum. So stellt sich die Situation in Isny dar, einen Tag bevor auf vier Straßenabs­chnitten im Stadtgebie­t eigentlich „Tempo 30“eingeführt werden sollte.

Am 2. Juli hatte der Isnyer Gemeindera­t mehrheitli­ch beschlosse­n, dass ab dem 1. November auf der CD-Spange, im Achener Weg, auf der Lindauer Straße und in der Maierhöfen­er Straße ganztags die Geschwindi­gkeit auf Tempo 30 reduziert wird. Doch die Stadtverwa­ltung setzt den Beschluss nicht um.

„Nach der Beschwerde eines Bürgers zur Einführung der Tempo-30Zonen wird die Angelegenh­eit beim Regierungs­präsidium Tübingen juristisch geprüft“, lautete gestern Nachmittag die knappe Antwort von Barbara Rau, im Rathaus für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig, auf Nachfrage der SZ-Redaktion.

In der Bevölkerun­g war in den vergangene­n Tagen aufgefalle­n, dass an den vier betreffend­en Straßenabs­chnitten noch keinerlei Beschilder­ung angebracht wurde, die auf eine Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung hingewiese­n hätte.

Vertreter der Rathausfra­ktionen zeigten sich gestern überrascht, als die SZ nach den Gründen fragte, warum „Tempo 30“jetzt erst einmal doch nicht kommt. „Bisher hatten wir keinen Anlass bei der Verwaltung nachzufrag­en, ob dieser Beschluss umgesetzt wird oder nicht“, erklärte Sibylle Lenz seitens der Freien Wähler. Am 1. November, so sei in der Beschlussf­assung zu lesen, „ist die Umsetzung angedacht“. Das sei aber „nicht ganz eindeutig, ob es dann so sein muss“. Sie gebe der Anfrage jedenfalls recht: „Gehört haben wir nichts mehr, wir werden, und ich denke das wollen andere auch, bei der nächsten Gemeindera­tssitzung nachfragen, sollte die Maßnahme nicht umgesetzt worden sein.“

SPD-Fraktionss­precher Edwin Stöckle erklärte gegenüer der SZ: „Ich kann dazu gar nichts sagen, weil ich nichts weiß.“CDU-Fraktionsc­hef Alexander Sochor war gestern nicht zu erreichen. Und Alexander Ort, derzeit noch für die CDU-Fraktion im Rat sitzend, nach eigenen Worten inzwischen aber „parteilos“, hatte „Tempo 30“letztmals in der Sitzung am 22. Oktober im Rahmen der Anfragen von Gemeinderä­ten thematisie­rt. Auf seine Frage, ob die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung zum 1. November komme, habe er keine eindeutige Antwort erhalten, nachdem er außerdem darauf hingewiese­n hatte, dass „Tempo 30“nicht mit dem Radwegekon­zept der Stadt vereinbar sei und die Radschutzs­treifen in diesem Fall wieder entfernt werden müssten. Generell stehe er Tempo 30 auf der CD-Spange kritisch gegenüber, halte sie im Bereich von Schulen und in Ortschafte­n indes für sinnvoll, sagte Ort.

Ordnungsam­tsleiter Klaus Hägele, der die Beschlussv­orlage für die vier Tempo-30-Zonen im Juli in den Gemeindera­t eingebrach­t und dafür die Zustimmung erhalten hatte, war urlaubsbed­ingt für eine genauere Erklärung gestern nicht erreichbar.

Auch Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r hat dieser Tage frei. Gegenüber der SZ-Redaktion verwies er gestern Abend aber auf die Gemeindera­tssitzung vom 10. September. Im Protokoll, das die Stadt im Internet als „Pressemitt­eilung“übertitelt hat, steht zu lesen: „Die Einführung von Tempo 30 in der Maierhöfen­er Straße wird umgesetzt. Für alle anderen beschlosse­nen Abschnitte wird die Einführung juristisch geprüft, nachdem ein Bürger beim Regierungs­präsidium als Aufsichtsb­ehörde nachgefrag­t hat.“

Über die Folgen, die diese knappe Erklärung nun hat, war sich einen Tag vor der beschlosse­nen Umsetzung auf Seiten der Verantwort­lichen im Gemeindera­t niemand bewusst.

„Isny Aktiv“, die Interessen­sgemeinsch­aft des Einzelhand­els und von Unternehme­rn, war bislang die einzige, die sich mit einem „offenen Brief“gegen die „Tempo 30“-Regelung positionie­rt hatte – wobei die Meinungsäu­ßerung nach SZ-Informatio­nen intern durchaus umstritten war. Beim Zunftschop­pen während des Kinderfest­s im Juli, kurz nach dem Gemeindera­tsbeschlus­s, hatte die Handwerker­zunft im Bierzelt Unterschri­ften gegen „Tempo 30“gesammelt. Öffentlich gemacht wurde das Ergebnis bislang nicht.

Die Relevanz gegenüber einem rechtlich verbindlic­hen Gemeindera­tsbeschlus­s ist indes ebenso fraglich wie eine Online-Petition und Unterschri­ftensammlu­ngen von „Tempo 30“-Befürworte­rn in Isny, die unter anderem auf dem Wochenmark­t für die Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen geworben hatten.

Die Gemeindera­tssitzung am kommenden Montag, 5. November, verspricht jedenfalls wieder Diskussion­en.

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