Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Innenminister Strobl muss sich erklären
Gegen einen Hauptverdächtigen der Freiburger Gruppenvergewaltigung lag schon vor der Tat ein Haftbefehl vor
FREIBURG/STUTTGART (lsw/AFP) FDP-Landtagsfraktionschef HansUlrich Rülke hat nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Freiburg Aufklärung gefordert, warum ein Haftbefehl vom 10. Oktober gegen einen der Verdächtigen zunächst nicht vollzogen wurde. Der schwere sexuelle Übergriff geschah in der Nacht zum 14. Oktober. Auch der Vizechef der SPDLandtagsfraktion, Sascha Binder, sagte: „Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, aus welchen Gründen der Haftbefehl tatsächlich nicht vollstreckt wurde.“Innenminister Thomas Strobl (Foto: dpa) müsse sich in der nächsten Sitzung des Innenausschusses äußern.
Heute Vormittag wollen sich die Staatsanwaltschaft in Freiburg und die Polizei in einer Pressekonferenz äußern. Geplant sind Erläuterungen zum Ermittlungsverfahren, wie es in einer Pressemitteilung hieß.
Das Innenministerium hatte ermittlungstaktische Gründe dafür angeführt, dass der Haftbefehl nicht sofort umgesetzt wurde und fühlt sich zu Unrecht angegriffen. „Der tatsächliche Aufenthaltsort des Tatverdächtigen war nicht gesichert – deshalb wurde das Fahndungsdezernat polizeiintern und aus ermittlungstaktischen Gründen mit dem weiteren Vollzug mehrerer zu koordinierender strafprozessualer Maßnahmen beauftragt.“Nichts anderes habe das Ministerium kommuniziert, hieß es in einer Mitteilung vom Mittwoch.
Die 18 Jahre alte Studentin soll nach einem Discobesuch von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Acht Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft – sieben Syrer im Alter von 19 Jahren bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher. Die am Opfer gefunden Körperspuren, Vernehmungen und verdeckte Maßnahmen führten die Ermittler zur Festnahme der acht Männer.
Der Mann, gegen den bereits der Haftbefehl wegen eines anderen Deliktes vorlag, soll mit der 18-Jährigen die Disco verlassen haben. Der Haftbefehl wurde erst am 21. Oktober vollstreckt – obwohl nach Angaben der „Bild“-Zeitung auf dem Haftbefehl vermerkt war, dass der Mann als Intensivtäter einzuschätzen sei.
Zu einem Treffen von Strobls Staatssekretär Julian Würtenberger, Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger und dem Oberbürgermeister der Stadt, Martin Horn (parteilos), am Mittwoch im Freiburger Polizeipräsidium hatte es zunächst keine Auskünfte gegeben. Thema war die Sicherheitslage in Freiburg. Horn hatte mehr Polizisten für seine Stadt gefordert. Freiburgs OB hat nach Anfeindungen im Internet seine Accounts auf Twitter und Instagram deaktiviert. Eine Sprecherin sagte, den OB hätten in den sozialen Medien Beleidigungen und Morddrohungen erreicht.
Als Konsequenz aus der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung fordert die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), eine umfassende Sexualaufklärung von Asylbewerbern. „Alle Asylsuchenden müssen unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland, noch in der Erstaufnahmeeinrichtung, Wegweiserkurse über das Zusammenleben in Deutschland erhalten – und dazu gehört auch, dass es für sexuellen Missbrauch und andere Gewalttaten null Toleranz gibt“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgaben).
„Schon länger hier lebende Männer müssen mit neu zugewanderten Männern unmissverständlich darüber reden, wie Sexualität und Gleichberechtigung in Deutschland gelebt werden – wenn nötig auch in ihrer Muttersprache“, sagte WidmannMauz. Deshalb unterstütze sie Projekte für Gewaltprävention, die gezielt männliche Mentoren ausbilden.
Zudem sprach sich WidmannMauz für ein konsequentes Vorgehen aus. „Die Täter müssen vor Gericht gestellt und hart bestraft werden“, sagte sie. „Wir haben es mit einem abscheulichen Verbrechen zu tun. Wer in unser Land kommt und solche Straftaten begeht, muss ausgewiesen werden“, forderte die Integrationsbeauftragte.