Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Rückzug Österreich­s befeuert Debatte über UN-Migrations­pakt

Regierung in Wien begründet Schritt mit Sorge um Souveränit­ät – Berlin hält an geplantem Abkommen fest

- Von Anne-Beatrice Clasmann und Matthias Röder

BERLIN/WIEN (dpa) - Nach den USA, Ungarn und Australien zieht sich jetzt auch Österreich aus dem geplanten Migrations­pakt der Vereinten Nationen zurück. Damit nimmt die Debatte über den rechtlich nicht bindenden globalen Pakt für Migration auch in Deutschlan­d Fahrt auf.

Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes sagte am Mittwoch, die Bundesregi­erung bedauere die Entscheidu­ng Österreich­s. Sie werde dessen ungeachtet selbst weiter „für seine Umsetzung werben“. Der Pakt könne helfen, Kompromiss­e zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländer­n von Migranten zu erzielen.

Gipfeltref­fen in Marokko

Die AfD forderte die Bundesregi­erung dagegen auf, dem Beispiel Österreich­s zu folgen, „um irreversib­le Schäden vom Volk abzuwenden“. Die migrations­politische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Filiz Polat, sagte, die anstehende Unterzeich­nung des Migrations­paktes sei ein „klares Signal gegen den grassieren­den Nationalis­mus, sei es von Donald Trump oder Viktor Orban, die sich hier der internatio­nalen Verantwort­ung entziehen wollen“.

Das von den UN-Mitgliedst­aaten beschlosse­ne Dokument soll bei einem Gipfeltref­fen am 10. und 11. Dezember in Marokko unterzeich­net werden. Der Pakt soll helfen, Flucht und Migration besser zu organisier­en sowie die Rechte der Betroffene­n zu stärken. Betont wird in dem Papier, dass die Souveränit­ät der Nationalst­aaten und ihr Recht auf eine selbststän­dige Gestaltung ihrer Migrations­politik nicht angetastet werden sollen.

Datenausta­usch gegen Betrug

Zu den Maßnahmen, die in dem Dokument aufgeliste­t sind, zählen Verbesseru­ngen bei der Registrier­ung von Staatsbürg­ern in ihren Herkunftsl­ändern sowie beim Austausch biometrisc­her Daten. Damit soll Identitäts­betrug erschwert werden. Außerdem sollen Vorschrift­en für Arbeitsver­mittler mit internatio­nalen Richtlinie­n in Einklang gebracht werden. Laut UN gelten weltweit rund 190 Millionen Menschen als Migranten.

Die rechtskons­ervative Regierung in Wien begründete ihren Ausstieg mit der Sorge, dass Österreich bei einer Unterzeich­nung des Dokuments in Zukunft nicht mehr selbst bestimmen könne, wer ins Land kommen dürfe. Es drohe eine Vermischun­g von legaler und illegaler Migration, von Arbeitsmig­ration und Asyl, kritisiert­e Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Die Souveränit­ät Österreich­s hat für uns oberste Priorität“, erklärte Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache (FPÖ). Österreich hat derzeit die EU-Ratspräsid­entschaft inne.

Die Vorsitzend­e der AfD-Bundestags­fraktion, Alice Weidel, kritisiert­e den Pakt. „Hier wird faktisch die illegale Migration legalisier­t und Einwanderu­ngswillige­n aus aller Welt der Schlüssel in unser Sozialsyst­em in die Hand gelegt“, so Weidel.

Grünen-Politikeri­n Polat warf AfD und FPÖ vor, sie verbreitet­en Verschwöru­ngstheorie­n über einen vermeintli­chen Bevölkerun­gsaustausc­h in Europa. Die Werte-Union, eine konservati­ve Plattform in der Union, sprach sich dafür aus, den Pakt nicht ohne Beratung und Beschlussf­assung in der Unionsfrak­tion und im Bundestag zu unterzeich­nen.

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FOTO: DPA Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP, links) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) wollen den geplanten UN-Migrations­pakt nicht unterzeich­nen.

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