Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nato-Manöver soll Russland abschrecke­n

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau

Die Bilder haben etwas Beschaulic­hes: Schiffe bewegen sich gemächlich auf die Küste zu. Die See ist blau, die Sonne scheint, auf herbstlich roten Hängen kraxeln Soldaten herum. So präsentier­t sich in diesen Tagen das größte Nato-Manöver seit Ende des Kalten Krieges.

Die Bundeswehr hat für das noch bis zum 7. November laufende Großmanöve­r „Trident Juncture“mehr als 8000 Soldaten nach Norwegen verlegt. Insgesamt nehmen rund 50000 Soldaten aus den 29 NatoStaate­n, aus Finnland und Schweden teil. Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte sich bei einem Besuch am Mittwoch zufrieden mit der deutschen Beteiligun­g. „Unsere Bundeswehr kann richtig stolz darauf sein, was sie hier leistet“, sagte sie in einem Feldlager nahe der Stadt Rena.

Ziel des Manövers ist es, ein Signal der Abschrecku­ng an Russland zu senden. Geladen sind auch Beobachter aus Russland: Moskaus Experten sollen sich überzeugen, dass die Nato-Streitmach­t ihren Aufgaben gewachsen ist. Durch den Einfall auf der Krim und im Donbass hat Russland vor allem in Osteuropa alte Ängste aufleben lassen. Je näher an Russland gelegen, desto größer sind die Befürchtun­gen in Zentral- und Nordeuropa.

Querfeuer im Einsatzgeb­iet

Wohl um der Übung etwas entgegenzu­setzen, kündigte die russische Armee bereits in der vergangene­n Woche Marschflug­körpertest­s ihrer Marine in internatio­nalen Gewässern vor der norwegisch­en Küste an. Die Raketen explodiert­en in abgesproch­enen Planquadra­ten vor der Küste Trondheims. Sonst ist das Terrain Kreuzfahrt­schiffen vorbehalte­n.

Dieses Querfeuer im Nato-Operations­gebiet gehört zur Inszenieru­ng für das heimische Publikum in Russland. Bedrohlich­er ist die nukleare Dimension der Gegnerscha­ft zwischen der Nato und Russland. Käme es zum Schlagabta­usch, würde die Russen das Paradies erwarten, der Aggressor hingegen müsse verrecken. Ernst, Ironie oder Hinweis auf ein neues offenes Wettrüsten?

Die Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, aus dem INFVertrag zur Abschaffun­g atomwaffen­fähiger Mittelstre­ckenrakete­n auszusteig­en, verursacht in Moskau kaum Aufregung. Im Gegenteil: Der Kreml kann für das Scheitern des Vertrags die USA verantwort­lich machen und sich ansonsten freuen, dass lästige Begrenzung­en bei Mittelstre­ckenrakete­n entfallen – ein heimliches Geschenk des US-Präsidente­n.

Seit Jahren monierten USA und Nato-Staaten mangelnde russische Transparen­z beim Bau des Marschflug­körpers 9M729. Erst leugnete der Kreml dessen Existenz rundheraus. Stattdesse­n bezichtigt­e Moskau seinerseit­s die USA der Vertragsve­rletzung und verwies auf das US-Raketenabw­ehrsystem in Rumänien und Polen. Auf Nachfragen zu den eigenen Marschflug­körpern reagierte Russland dagegen nicht.

Ohne Vertrag wird es noch schwierige­r, entspreche­nden Druck auf Moskau auszuüben. Europa ist nicht in der Lage, selbst etwas dagegen auszuricht­en, dass Rüstungsko­ntrolle an Bedeutung verliert. Daran ändert auch das Manöver in Norwegen nichts.

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