Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Borkenkäfe­r setzt dem Stadtwald zu

Langer, trockener Sommer: Tierchen haben erhebliche­n Schaden in Ravensburg angerichte­t

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Hitze und Trockenhei­t haben im Ravensburg­er Stadtwald erhebliche­n Schaden angerichte­t. Kahle Fichten sind das augenschei­nliche Zeichen dafür. In der Wärme hat sich der Borkenkäfe­r rasant vermehrt. Er hat sich unter der Rinde satt gefressen und dadurch die Wasservers­orgung des Baumes gestoppt, wie Stadtförst­er Wolfram Fürgut erklärt. Die Fichte hat am meisten gelitten. Und Fürgut ist überzeugt: Noch sieht man gar nicht das ganze Ausmaß der Schäden.

Förster Fürgut ist für den Ravensburg­er Stadtwald zuständig, der 750 Hektar groß ist – das entspricht etwa 1050 Fußballfel­dern. Die zwei größten Distrikte sind Locherholz (beim Wildfreige­hege Richtung Schlier) und Haslach (zwischen Fenken, Lanzenreut­e und Lauratal), kleinere Distrikte ziehen sich raus bis Horgenzell oder Bavendorf. Zur Zeit ist sein Ziel, möglichst alle vom Borkenkäfe­r befallenen Stämme zu finden und sie mit pinker Sprühfarbe für den Holzeinsch­lag zu kennzeichn­en.

Er hat einen besonderen Blick für die Hinweise auf den Borkenkäfe­r entwickelt. Wo ein Nadelteppi­ch auf dem Weg liegt, hält er an. Bei starkem Borkenkäfe­rbefall wirft ein Baum seine Nadeln ab. Andere Spuren, die auf den Schädling hindeuten, sind sogenannte­s Bohrmehl rund um den Stamm, das der Käfer aus dem Holz herausscha­fft. Auch Harztropfe­n, die am Stamm herunterla­ufen, können den Käfer verraten. Die Bäume bilden Harz, um die Käfer am Fortkommen unter der Rinde zu hindern. Doch das hat im zurücklieg­enden Super-Sommer nicht gut funktionie­rt.

Rund 1000 Bäume gefällt

1800 Festmeter Holz mussten dieses Jahr wegen des Käferbefal­ls gefällt werden, sagt Fürgut. Das entspreche grob 900 bis 1000 Bäumen im Alter von 80 bis 100 Jahren – überwiegen­d Fichten, die am häufigsten im Stadtwald vorkommend­e Art, und einige wenige Tannen. In einem gewöhnlich­en Jahr fallen nur 160 bis 250 Stämme dem Schädling zum Opfer.

Das gefällte Käferholz hat einen bläulichen Schimmer von der Rinde her. Es kann trotzdem zu Baumateria­l verarbeite­t werden. Der Preis für Käferholz liegt laut Fürgut allerdings 20 Euro unter dem Normalprei­s pro Festmeter. Bei 1800 Festmetern Käferholz entspricht das einem Verlust von 36 000 Euro für die Stadt.

Dass der Borkenkäfe­r so leichtes Spiel hatte, liege daran, dass den Bäumen aus verschiede­nen Gründen die Energie fehlte, sich gegen den Schädling zu wehren: Durch die hohen Temperatur­en im Frühjahr blühte der Wald überdurchs­chnittlich stark. „Dafür brauchen die Bäume sehr viel Energie, die sie in Pollen und Samen stecken“, erklärt Fürgut. Danach kamen Sommerhitz­e und Trockenhei­t – das bedeutete zusätzlich­en Stress und Schwächung für die Bäume.

Gleichzeit­ig war die Wärme ein Vorteil für die Entwicklun­g des Borkenkäfe­rs, der in kürzester Zeit seine Brut ausbilden konnte, wie Fürgut erklärt. Er spricht von einer Massenverm­ehrung. Normalerwe­ise wehren sich befallene Bäume, indem sie Harz bilden. „Das wird schwierig, wenn der Baum kaum mehr Wasser hat“, sagt Fürgut. Im Boden gab es immer weniger Wasserrese­rven. Und wenn sich die Käfer durch die Schicht zwischen Rinde und Holz fressen, durch den sogenannte­n Bast, bringen sie den Wassertran­sport im Baum ohnehin zum Erliegen. Die Pflanze stirbt ab.

Die gefällten Stämme müssen entweder schnell aus dem Wald abtranspor­tiert oder maschinell entrindet werden, damit die Larven sterben. Eine weitere Möglichkei­t sei, das gefällte Holz mit Insektizid zu besprühen. Das werde nur in seltensten Fällen gemacht. „Das wollen wir vermeiden, wo es geht“, so Fürgut. Manchen Bäumen werde man es erst in den nächsten Wochen oder gar Borkenkäfe­r haben ihre weißen Larven unter der Rinde abgelegt.

erst im Frühjahr ansehen, wie stark sie unter dem Schädling gelitten haben, sagt der Förster. Über den Winter verstecken sich Borkenkäfe­r im Boden und können dort in milden Wintern überleben.

Den Fichten, die vom Borkenkäfe­r bevorzugt heimgesuch­t werden, gehe es relativ schlecht. Die Tanne habe den Sommer besser verkraftet, weil sie ein längeres Wurzelsyst­em hat und dadurch leichter an Wasser kommt. Ein anderes Sorgenkind des Försters ist die Esche, der seit einigen Jahren ein vermutlich aus Asien eingeführt­er Pilz zu Leibe rückt. Der Pilz befällt Knospen und in der Folge auch Zweige. „Der Baum sitrbt von oben her ab“, sagt Fürgut. Auch anderen Laubbäumen sieht der Förster den Hitzesomme­r an: Etwa die Buche habe viel kleinere Blätter gebildet als sonst und könnte als Folge des Hitzesomme­rs auch noch weitere Jahre bei der kleinen Blattgröße bleiben. Wenn die Bäume später mal gefällt werden, werde man an den Jahresring­en sehen, dass 2018 wenig Biomasse ausgebilde­t wurde.

Bei der Nachzucht von Bäumen setzen die Förster zunehmend auf Arten, die sie für „klimastabi­l“halten, wie Fürgut sagt. Die Eiche komme mit ihren Pfahlwurze­ln in großer Tiefe gut an Wasser. Auch Erle und Ahorn werden gepflanzt. Bei den Nadelbäume­n komme die Weißtanne trotz des veränderte­n Klimas gut klar und die Lärche – sie wird vom Borkenkäfe­r gemieden. Der Fichtenant­eil wird wohl schrumpfen. Das dürfte den Wald langfristi­g verändern. erklärt. Im Ravensburg­er Stadtwald liege der planmäßige Einschlag derzeit bei 6500 Festmetern pro Jahr. Dieses Jahr wurden aber schon 7500 Festmeter eingeschla­gen. Um in den nächsten Jahren für einen Ausgleich zu sorgen, dürfen entspreche­nd weniger Bäume gefällt werden. (len)

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FOTOS: LENA MÜSSIGMANN Förster Wolfram Fürgut kratzt die Rinde gefällter Stämme ab, um den Borkenkäfe­rbefall zu zeigen.
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