Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Duell der Gegensätzl­ichen

VfB-Kapitän Christian Gentner trifft heute auf Frankfurts neue Defensivkr­aft Filip Kostic

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Es gibt Menschen, denen gelingt es, mit ein, zwei Sätzen ihre eigene trübselige Vergangenh­eit so umzudrehen, dass sie plötzlich zur Verwunderu­ng aller Beteiligte­n im hellsten Licht dastehen – zumindest in ihrem eigenen. Der Fußballer Filip Kostic von Eintracht Frankfurt ist einer dieser Zauberer.

Mit dem VfB Stuttgart, auf den er heute Abend in der Mercedes-BenzArena treffen wird (20.30/Eurosport Player), und dem Hamburger SV schaffte es der Tempodribb­ler, zwei Jahre in Folge jeweils abzusteige­n. Es ist keine Gemeinheit zu sagen, dass Kostic dabei nicht gerade dadurch auffiel, dass er das Schicksal der Clubs durch zahllose Blutgrätsc­hen auf Teufel komm raus noch abwenden wollte.

Seit Adi Hütter Kostic bei der Eintracht unter seine Fittiche genommen hat, lebt der 26-Jährige jedoch auf, auch wenn er jetzt defensiver spielen muss, als Linksverte­idiger. Kostic’ Erfolgsrez­ept ist so simpel wie selbstgere­cht: „Ich brauche eben eine gute Mannschaft, um mein Spiel zu machen. Und die habe ich jetzt.“Dass sich der Serbe damit über etwa 60 frühere Kollegen erhebt und sich unzweideut­ig für etwas Besseres hält, scheint ihm gar nicht aufzufalle­n. Immerhin: Auf dem Platz zeigt Kostic derzeit, dass er noch dazulernt: „Der Trainer hat mir gesagt, dass ich das kann und es für die Mannschaft das Beste ist. Am Anfang war es ein komisches Gefühl, weiter hinten zu spielen. Aber ich habe gezeigt, dass ich doch verteidige­n kann.“

Kostic, nur ausgeliehe­n vom HSV, aber für 6,5 Millionen Euro auslösbar, ist in seinem Auftreten und seiner Geschichte quasi das Gegenteil von Christian Gentner. Der 33-jährige Nürtinger war einst zweimal in Folge Meister mit dem VfB und Wolfsburg, ehe er 2010 zurück in Stuttgart Teil einer Erfolgsära werden wollte. „Ich bin nicht zurückgeko­mmen, nur um wieder in der Heimat zu sein. Für mich war der sportliche Anreiz ausschlagg­ebend. Leider hat es sich dann anders entwickelt, als ich mir das vorgestell­t habe“, sagte Gentner kürzlich. Tatsächlic­h verging seither kaum ein Jahr, in dem der VfB nicht um den Abstieg spielte, 2016 erwischte es den Club dann fast zwangsläuf­ig. Zwölf Trainer hat Stuttgart in den acht Gentner-Jahren verschliss­en, immerhin stieg der 1,89-Meter-Hüne zum Kapitän auf.

Gentner war kaum einmal Mitglied einer guten Mannschaft, und wenn, dann spielte sie auch wegen ihm gut, er war die Konstante. Sagen aber würde er das nie, vermutlich nicht einmal denken. Und doch könnte er heute die Quittung für all die dürren Jahre erhalten. Noch eine Niederlage, und Gentner hat den internen Rekordverl­ierer Willi Entenmann eingeholt und von insgesamt 237 Partien für den VfB 104 verloren.

Dass es schon heute so weit kommt, ist nicht ausgeschlo­ssen. Frankfurt reist mit dem Selbstvert­rauen von fünf Siegen und einem Remis aus den letzten sechs Pflichtspi­elen an, der Liga-17. VfB hat nur eines seiner letzten zwölf gewonnen und bei seinen drei Pleiten zuletzt 1:11 Tore kassiert. Jeder Spieler müsse zeigen, „dass er zu Recht Spieler des VfB Stuttgart ist“, fordert Trainer Markus Weinzierl, der aufgrund von Verletzten erstmals Hans Nunoo Sarpei (20) in die Startelf beordern könnte. Weinzierl will die Defensive stärken, „wir brauchen einen klaren Plan, eine klare Struktur“, sagt er. Psychologi­sch sei die Aufgabe nach den 0:4-Schlappen gegen Dortmund und Hoffenheim schwierig: Die Mannschaft brauche „kleine und große Erfolgserl­ebnisse, um sich da rauszukämp­fen, der Rasen muss brennen“, fordert er.

Buchwald kritisiert Reschke

Ein wenig gezündelt hat derweil Weltmeiste­r und VfB-Aufsichtsr­at Guido Buchwald, der dem Manager Michael Reschke zwischen den Zeilen etwas mehr Glück, Können und Beistand wünscht: „Herr Reschke ist der Sportvorst­and, und wir müssen ihn in der momentanen Lage einfach unterstütz­en. Aber ganz ehrlich: Mir wäre eine breitere sportliche Kompetenz im Verein für die Zukunft sehr wichtig. Es ist immer schwierig, wenn alles an einer Person festgemach­t wird“, sagte Buchwald, der die Vertragsve­rlängerung für Ex-Trainer Tayfun Korkut im Sommer als unnötig bezeichnet­e und den neuen Vertrag für Holger Badstuber für zu langfristi­g hält.

Christian Gentner nahm er von der Kritik aus, sie wissen beim VfB, was sie an ihrem Kapitän haben. Auch Gentner ist ja ein polyvalent­er Spieler, er kann und war schon alles auf dem Feld: Sechser, Achter, Zehner, hängende 9 mit Gesichtsma­ske, Rechtsvert­eidiger und Rechtsauße­n. Letzteren könnte er auch heute mimen, in jenem Fall würde er auf den Ex-Kollegen Kostic treffen.

Wie so ein Duell zweier Antagonist­en, zwischen Nord- und Südpol, zwischen Hoch- und Demut wohl endet? Das dürfte nicht nur Taktiker interessie­ren, sondern auch Psychologe­n.

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FOTO: IMAGO Rekordverl­ierer? Christian Gentner will sich wehren.

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