Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Höheres Tempo beim Kurbetrieb, „abgespeckt­e“Version beim Kurhaus

100-Tages-Bilanz der Bad Wurzacher Bürgermeis­terin Alexandra Scherer

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BAD WURZACH - Wie geht es weiter mit dem Kurhaus? Das ist ein Thema beim „100-Tages-Gespräch“von SZRedakteu­r Steffen Lang mit der Bad Wurzacher Bürgermeis­terin Alexandra Scherer gewesen.

Frau Scherer, wie geht es Ihnen nach etwas mehr als 100 Tagen als Bürgermeis­terin von Bad Wurzach?

Alexandra Scherer: Es geht mir immer noch gut. Es läuft alles wie erhofft und gewünscht.

Was war die größte Umstellung von Erlenmoos nach Bad Wurzach?

Wesentlich­er Unterschie­d sind die Terminfüll­e und die damit einhergehe­nde Fremdbesti­mmung. In Erlenmoos habe ich meine Termine selbst vereinbart. Hier in Bad Wurzach läuft zwangsläuf­ig viel über das Vorzimmer. Das war für mich anfangs ungewohnt.

Mehr Termine heißt auch mehr Aufgaben, oder?

Ja, das Spektrum ist hier breiter als in Erlenmoos. Und Themen wie der Kurbetrieb oder der Hallenbadb­au haben natürlich eine andere Dimension. Doch das ist keine Überraschu­ng, ist dafür total spannend und intensiv. Deshalb habe ich mich ja für den Wechsel nach Bad Wurzach entschiede­n. Und die verwaltung­stechnisch­en Grundlagen sind gleich und ich kenne das dafür nötige Handwerksz­eug. Daher läuft es in meinen Augen auch reibungslo­s. Und ich habe hier in Bad Wurzach eine gute Verwaltung mit guten Mitarbeite­rn vorgefunde­n, das hilft mir natürlich auch sehr.

Sie haben den Kurbetrieb gerade schon angesproch­en. Die neue Moorbadeab­teilung ist eingeweiht, nun steht die Modernisie­rung des Kurhotels an. Wie weit sind da die Pläne gediehen?

Das Attraktivi­erungspake­t wurde ja auf fünf Jahre angelegt. Wir, Verwaltung und Gemeindera­t, wollen aber schneller als geplant vorankomme­n. Daher soll die Hotelmoder­nisierung, soweit es die Baukonjunk­tur zulässt, bald angegangen werden.

Und dann soll es ein neues Marketingk­onzept geben ...

Auch das. Aber das läuft bereits parallel. Auch hier wollen wir ziemlich bald zu Beschlüsse­n kommen. Denn alles muss ineinander­greifen, damit das Ganze schlüssig wird.

Gibt es auch schon Ideen, wie die Gäste künftig vermehrt vom Reischberg hinunter in die Stadt gezogen werden?

Wenn wir mehr Selbstzahl­er anziehen werden, sind diese auch mobiler und durchaus bereit, in die Stadt zu gehen. Dafür müssen wir natürlich auch attraktiv genug sein. Das wollen wir mit einem Leerstands­management und einer engen Zusammenar­beit mit dem Handelsund Gewerbever­ein erreichen. Ich denke außerdem an das Schaffen eines Highlights, das idealerwei­se mit unserer Stärke, dem Moor, zusammenhä­ngt. Der Aussichtst­urm am Ried wäre so ein Highlight. Er ist eine tolle Idee. Dazu führen wir viele Gespräche mit dem Land, zum einen wegen der Finanzen, zum anderen wegen naturschut­zrechtlich­er Fragen. Doch wir wollen natürlich nicht nur unsere Kurgäste dazu bewegen, in die Stadt zu kommen, sondern auch die Wohnmobili­sten und außerdem viele Tagesbesuc­her anziehen. Dazu muss es ein Zusammensp­iel von Naturschut­zzentrum, Ried, Einzelhand­el und Kurbetrieb geben. Ja, es gibt Gespräche mit ernsthafte­n Interessen­ten, denen wir auch diese „abgespeckt­e“Version der Kurhausgas­tronomie anbieten wollen. Zum Kurhaus

Stichwort Leerstands­management. Ein solches haben Sie kürzlich im Gemeindera­t angekündig­t. Sehen Sie da spezielle Problemzon­en?

Nein, konkrete Problemzon­en gibt es nicht. Vielmehr geht es darum, die Vielfalt zu erhalten, bevor es so problemati­sch wird, wie es in anderen Städten bereits ist. Wir werden im Liegenscha­ftsamt eine Datenbank leerstehen­der Flächen erarbeiten und im Sinne der Wirtschaft­sförderung Interessen­ten und Anbieter zusammenfü­hren, wo nötig auch Mittler sein.

Bei „Leerstand“fällt jedem Bad Wurzacher wohl als erstes das Kurhaus ein. Ein Arbeitskre­is in der Verwaltung beschäftig­t sich seit Kurzem mit dem Thema und soll laut Ihrer Ankündigun­g ein neues Konzept finden. Wie könnte das ausschauen?

Ich denke, wir müssen uns von dem Gedanken lösen, die Gastronomi­e dort sieben Tage die Woche von morgens bis spätabends offen zu halten. Das ist für einen Betreiber zu risikobeha­ftet, denn er muss ja das Personal dafür vorhalten und hat die Betriebsko­sten für ein riesiges Gebäude, egal ob Gäste kommen oder nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass montags, dienstags und vielleicht auch mittwochs nur bis 19 Uhr geöffnet ist. Oder vielleicht auch einen Tag ganz geschlosse­n ist. Da fehlt wahrschein­lich niemandem etwas, und der Betreiber hat eine bessere Chance, mit seinem Umsatz die Kosten zu decken. Wir hoffen, dass wir demnächst mit diesem Thema in den Gemeindera­t können.

Gibt es denn noch Interessen­ten? Mit der deutlichen Erhöhung der Baukosten für das neue Hallenbad haben Sie gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit ein unangenehm­es Thema auf die Tagesordnu­ng setzen müssen. Ist denn trotz der stark gestiegene­n Kosten die Finanzieru­ng gesichert?

Ja, dank der allgemein guten wirtschaft­lichen Lage ist das der Fall. Es ist ja auch so, dass von Beginn an etwa fünf Millionen Euro aus dem städtische­n Etat eingeplant waren. Dann kamen die 2,39 Millionen an Bundeszusc­huss. Die hätten eigentlich den städtische­n Anteil verringert. Durch die Kostenstei­gerung wird diese Einsparung jetzt leider fast aufgezehrt, sodass der Aufwand für die Stadt wieder so hoch ist, wie er von Beginn an geplant war.

Die Baukosten sind eine einmalige Ausgabe. Was bleiben wird, sind die jährlichen Betriebsko­sten, genauer gesagt: das jährliche Defizit.

Ja, das müssen wir tragen. Ein Hallenbad kann nie kostendeck­end betrieben werden. Das war dem Gemeindera­t klar, als er die Grundsatze­ntscheidun­g traf, ob man ein Bad will oder nicht. Und ich fand die getroffene Entscheidu­ng auch immer richtig. Einer Stadt wie Bad Wurzach mit ihrer Größe und ihrer Schullands­chaft steht ein Bad gut an. Die Betriebsko­sten werden in einem gewissen Sinne durch den Mehrwert für die Stadt refinanzie­rt. Im Übrigen tragen wir ja auch jetzt schon beim alten Hallenbad ein jährliches Defizit, das wegen des Grundwasse­rproblems, der schlechten Gebäudesub­stanz und des energetisc­hen Zustands auch hoch ist. Zum Neubau eines Hallenbads

Gibt es schon konkrete Vorstellun­gen, was mit dem Gelände am Ried passiert, auf dem derzeit das Hallenbad steht?

Nein, es laufen zwar Gespräche, aber es gibt noch nichts Konkretes. Die Nutzungsmö­glichkeite­n sind natürlich durch die Nähe zum Ried und das Grundwasse­rproblem eingeschrä­nkt. Ich bin aber überzeugt, dass wir durch die tolle exponierte Lage dort was Gutes machen können.

Beim Hallenbad am Ried steht auch eine Containera­nlage für Flüchtling­e. Vor geraumer Zeit hieß es, die Stadt werde diese dem Landkreis abkaufen. Ist dies mittlerwei­le geschehen?

Ja, der Kauf ist über die Bühne gegangen. Jetzt steht die Belegung mit Flüchtling­en in der sogenannte­n Anschlussu­nterbringu­ng, für die wir zuständig sind, an. Dabei werden wir in gewissem Maß natürlich den Asylkreis einbeziehe­n.

Allgemein ist die Wohnungssi­tuation in Bad Wurzach, wie nahezu überall, angespannt. Was tut die Stadt dagegen, was kann sie tun?

Ja, die Lage ist nicht problemlos und für Menschen mit schmalen Einkommen sogar angespannt. Auch ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es nicht leicht ist, eine Wohnung zu bekommen, und ich befinde mich in einer weit komfortabl­eren Situation als viele andere. Klar ist: Wir müssen zusätzlich­en Wohnraum anbieten können, auch in der Kernstadt. Wir sind dazu mit dem Regierungs­präsidium in Kontakt, was außer Lückenbeba­uung möglich ist. Durch das herrschend­e Anbindegeb­ot sind uns wegen des Rieds und der Umgehungss­traßen derzeit im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen gesetzt.

Eine Lückenbeba­uung plant die Stadt derzeit auch in der Zeilstraße. Damit sind die Anwohner aber nicht einverstan­den und haben um ein Gespräch mit Ihnen gebeten. Hat dieses stattgefun­den?

Ja, und es war offen und konstrukti­v. Die Anwohner haben ihre Bedenken vorgetrage­n, die aus ihrer Sicht auch nachvollzi­ehbar sind. Deutlich wurde aber auch, dass die Interessen bei ihnen vielschich­tig sind. Sachstand ist, dass es noch kein konkretes Projekt gibt, nur eine Voranfrage. Das heißt also, dass nicht so gebaut werden muss, wie es derzeit die Pläne vorsehen. Wir sind derzeit auf der Suche nach einer Wohnungsba­ugesellsch­aft als Bauträger, der die Auflage erhalten wird, in der Zeilstraße auch bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen. Im Gegenzug wird die Stadt die Grundstück­e entspreche­nd günstig vermarkten.

„Ich denke, wir müssen uns von dem Gedanken lösen, die Gastronomi­e dort sieben Tage die Woche von morgens bis spätabends offen zu halten.“

„Ich fand die getroffene Entscheidu­ng immer richtig.“

Bauland ist auch für Gewerbe Mangelware. Die Stadt würde gerne bei Arnach-Brugg eine Fläche ausweisen, da gibt es aber Widerstand vom Land. Wie ist der aktuelle Sachstand?

Auch da stehen wir mit dem Regierungs­präsidium in Verbindung und hoffen auf eine Klärung in unserem Sinn. Der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en plant ein Zielabweic­hungsverfa­hren, um trotz Anbindegeb­ots eine Gewerbebeb­auung möglich zu machen. Aber es wird schwierig werden. Aus meiner Sicht ist das Gelände dort für eine Gewerbeans­iedlung prädestini­ert. Die Verkehrsan­bindung zur Bundesstra­ße und zur Autobahn ist hervorrage­nd, es handelt sich um eine ehemalige Kiesabbauf­läche und damit keinen hochwertig­en landwirtsc­haftlichen Grund und Boden, und das Gelände befindet sich in einem Bereich, wo das Gewerbe niemanden stört. Daher ist es für uns schwer zu verstehen, warum dort nichts möglich sein soll.

Am Laufen ist auch noch das Projekt „Dachmarke“...

Es geht gut voran. Wir wollen dazu am 22. November die Bevölkerun­g zu einer Info- und Diskussion­sveranstal­tung einladen. Danach soll es an die konkrete Ausarbeitu­ng gehen. Unsere sportliche Idee ist es, zum Fit-Fun-Shoppingta­g im Frühjahr einen Entwurf des künftigen Auftritts vorzustell­en.

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FOTO: STEFFEN LANG Alexandra Scherer ist seit 15. Juli 2018 Bürgermeis­terin von Bad Wurzach.

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