Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wirbel um geplantes Tourismuszentrum
Hochschule Kempten protestiert, weil Institut nicht voll gefördert wird und keine Bestandsgarantie erhält
KEMPTEN - Steht das geplante Zentrum für Tourismus in Kempten bereits auf der Kippe, bevor es überhaupt gegründet wurde? Zumindest gibt es Monate vor dem Startschuss erhebliche Dissonanzen um die bayernweit bedeutsame Einrichtung. Denn die Hochschule Kempten, an die sich das eigenständige Institut ab 2019 anlehnen soll, wehrt sich gegen mehrere Vorgaben des bayerischen Wirtschaftsministeriums.
So sind zehn Prozent der Kosten von jährlich einer Million Euro nicht durch den Freistaat abgedeckt, sondern müssen aus anderen Töpfen finanziert werden – etwa durch regionale Firmen. Außerdem wird das Zentrum nach jetzigem Stand keine Bestandsgarantie für mehrere Jahre erhalten. „Wenn diese beiden Knackpunkte nicht beseitigt werden, sehen wir uns außerstande, das neue Institut umzusetzen“, sagt der designierte Leiter Prof. Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismus an der Hochschule Kempten. Auch der um Ausgleich bemühte Hochschul-Präsident Prof. Robert Schmidt hält das Projekt unter diesen Bedingungen für „gefährdet“.
Hintergrund: Das bayerische Kabinett hatte im Juni auf Initiative von Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer die Einrichtung des neuen Zentrums in Kempten beschlossen. Im Rahmen einer millionenschweren Tourismusoffensive soll das Institut Wissenschaft und Forschung bündeln und für ganz Bayern nutzbar machen – laut Bauer als „Schnittstelle für Tourismuspolitik, Wissenschaft und operative Praxis“. Als Träger des Instituts ist ein Verein vorgesehen, an dem sich neben der Hochschule auch bayerische und regionale Tourismusorganisationen beteiligen.
Anders die Zielsetzung für das ebenfalls ab 2019 geplante Wissenstransferzentrum in Füssen, das vor Ort konkrete Tourismusstrategien entwickeln soll, etwa für überbordende Urlauberströme, Fragen der Mobilität oder die Auswirkungen des Klimawandels. Hier sind 2,7 Millionen Euro Anschubfinanzierung für fünf Jahre angesetzt. Zudem sollen Eigenmittel in erheblichem Umfang fließen.
Als Start für das Kemptener Zentrum ist bislang die zweite Jahreshälfte 2019 vorgesehen – vorausgesetzt, die nötige Förderung wird im Doppelhaushalt 2019/2020 eingestellt. Wie groß diese Summe ist, darüber scheiden sich nun die Geister. „Wir sind immer von einer Vollförderung ausgegangen“, sagt Hochschulpräsident Schmidt. „Von einem Eigenanteil von zehn Prozent war keine Rede.“Dieser sei erst vor wenigen Wochen bei einem Gespräch mit Vertretern des Wirtschaftsministeriums aufs Tapet gekommen. Für Bauer und Schmidt angesichts der „sehr guten Vorgespräche“mit dem Ministerium eine faustdicke Überraschung.
Und die stelle die Hochschule nun vor ein Riesenproblem. Denn laut Schmidt gibt es weder das Budget, um den geforderten Eigenanteil von 100 000 Euro selbst zu stemmen, noch darf die Hochschule laut Haushaltsrecht Geld in externe Institute stecken. „Hier geht es um Grundlagenforschung, da haben wir auch kein Mäzenatentum“, schließt Bauer zudem ein Sponsoring aus der Allgäuer Wirtschaft aus.
Doch genau dieses „Einwerben von Drittmitteln“erwartet das bayerische Wirtschaftsministerium: Dies sei „Standardgeschäft einer Institutsleitung“. „Eine 100-prozentige Förderung wäre absolut unüblich“, präzisiert ein Sprecher. Der Staat sei bei der Förderung an die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden. Der Eigenanteil soll zudem sicherstellen, dass im neuen Tourismuszentrum möglichst wirtschaftlich gehandelt wird. Er sei zwingend und betrage bei anderen Projekten sogar 20 Prozent. Wobei auch der Einsatz von Hochschulpersonal oder die Jahresbeiträge der Mitglieder des Trägervereins als Eigenmittel gälten.
Das Institut sei als dauerhafte Einrichtung geplant, heißt es beim Wirtschaftsministerium. Da die Fördergelder aber in jedem Doppelhaushalt neu zu verankern seien, könne man nur von Etat zu Etat planen. Doch genau das lehnt der designierte Leiter Alfred Bauer ab: „Wie sollen wir unter dieser Voraussetzung gute Mitarbeiter finden? Kein Mensch in ungekündigter Stellung wechselt für zwei bis drei Jahre zu uns.“Bauers Fazit: „Wir brauchen eine echte Chance, um das Zentrum dauerhaft auf die Füße zu stellen.“Alles andere führe zum Ausstieg aus dem Projekt.