Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
FSA zwischen Unterricht und Rechtsstreit
Die Leiter der von einer Teilschließung betroffenen Freien Schule Allgäu im SZ-Gespräch
WANGEN - An der Freien Schule Allgäu (FSA) läuft nach den Herbstferien der Unterricht weiter. Beinahe wie gewohnt. Wäre da nicht die Unsicherheit über die Zukunft der Sekundarstufe. Über die wird der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in einigen Wochen entscheiden. Ein Gespräch mit den beiden Schulleitern – Katrin Weber und Michael Braun – zur aktuellen Situation, über Fehler der Vergangenheit und Hoffnungen für die Zukunft.
Dienstagvormittag, kurz vor 11.30 Uhr. Auf dem Schulhof an der Spinnereistraße tollen Kinder verschiedenen Alters. Manche kicken eine Runde, andere nehmen einen hölzernen Pfad zwischen zwei Bäumen in Beschlag. Dritte messen sich beim Tischfußball. Kurz darauf kommt Katrin Weber nach draußen. Mit einer großen Handglocke läutet sie das Ende der Pause ein. Man hat den Eindruck: Hier herrscht ganz normales Schultreiben.
Das ist nur auf den ersten Blick der Fall. Denn dass an diesem Vormittag überhaupt eine Pause, geschweige denn Unterricht, stattfindet, danach sah es bis zum vergangenen Mittwoch nicht aus. Erst da nahm das Regierungspräsidium (RP) Tübingen den für das Ende der Herbstferien vorgesehenen Vollzug des Widerrufs der SekundarstufenGenehmigung zurück. Vorläufig und auf einen Wink des VGH hin. Denn beim höchsten Verwaltungsgericht im Land ist die drohende Teilschließung der Schule mittlerweile gelandet. Der Grund: Die Schulaufsicht hatte der FSA im Kern einen dauerhaften Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal attestiert. Seither ist die Zukunft der Privatschule auch Sache der Justiz.
Gerade wenig Freude
Spaß hat ihm die Arbeit bislang gemacht, erzählt Michael Braun an diesem Vormittag. Im Verbund mit Katrin Weber teilt er sich seit rund zwei Jahren die Aufgaben der Schulleitung. Braun ist für die von der Schließung bedrohten Sekundarstufe zuständig, Weber für die Grundschüler. Und beim Thema „Spaß“schränkt er ein: „Gerade sieht es etwas anders aus.“
Braun ist seit 2010 an der FSA tätig. Sicher, nach wie vor ist da einerseits die von ihm im Gespräch beschriebene Freude, Kinder möglichst individuell zu unterrichten und ihnen eine „Beziehung zur Sache“zu vermitteln. Dabei zwar den Bildungsplan des Landes für jedes Schuljahr im Blick zu haben, aber gleichzeitig sie vor allem auf das größere Ziel des Abschlusses hinzuleiten und mit den Schülern selbst entsprechende Ziele zu formulieren. Anderseits schwebt aber das Damoklesschwert der Schließung über dem Gebäude an der Ecke zum Südring. Das kostet Zeit und Kraft.
Und Braun wundert sich: Über all die Jahre habe nie jemand kritisiert, dass manche an der FSA Begleiter genannte Lehrer – entgegen ihrer formellen Ausbildung – fachfremd unterrichten. Er selbst ist einer von ihnen: Studierter Grund- und Hauptschullehrer mit beiden Staatsexamen mit den Schwerpunkten Wirtschaftswissenschaften/Politik, evangelische Religion und Deutsch, lehrt er an der FSA seit langem Mathematik, wie er sagt. Und: „Ich liebe das Fach sehr.“
Katrin Weber ergänzt: Die Kernfrage sei, warum der fachfremde Unterricht beanstandet wird. Also weshalb Erfahrung nicht genau so viel zählt wie das Fachstudium. Laut dem Rechtsbeistand der Schule dürfe nicht in Frage gestellt werden, wenn sich jemand „über Jahre hinweg Kompetenzen angeeignet hat“. Vom Regierungspräsidium habe sie auf eine entsprechende Nachfrage aber keine Antwort erhalten. Und Michael Braun ergänzt: „Ich muss ans Kind andocken.“Sprich Zugang zum Nachwuchs gewinnen und darüber schülerbezogen den Unterricht gestalten. Das ist aus seiner Sicht unabhängig von der Fachdidaktik: „Das hat etwas mit Erfahrung zu tun.“Und der Erfolg gebe ihm Recht: „Ich erreiche das Ziel auch so.“
„Dazu stehen wir“
Katrin Weber geht noch einen Schritt weiter: Ihnen werde von den Behörden die Fachkompetenz abgesprochen. So etwa jener Kollegin, die für den Französisch- und Italienischunterricht ausgebildet ist, allerdings Englisch unterrichtet. Vom RP und dem Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen in einem ersten Eilverfahren ausdrücklich bemängelt, hatte die Frau gleichwohl Erfahrungen im Englischunterricht aus einer vorherigen beruflichen Station in der Schweiz an die FSA mitgebracht, wie Vertreter der Schule zuletzt bemerkt hatten.
Sicher, das gibt Katrin Weber zu: „Im letzten Jahr waren die Forderungen des Regierungspräsidiums berechtigt. Dazu stehen wir.“Durch mehrere, teils krankheitsbedingte Abgänge im Laufe des Schuljahres war es um die Personalsituation nicht gut bestellt, Unterrichtsziele konnten nicht eingehalten werden und auch Schüler hatten aus diesem Zeitraum von Leerlauf berichtet. „Es hat personell gebrannt“, sagt auch ihr Schulleiterkollege Michael Braun.
Kein Verständnis zeigen beide allerdings dafür, dass das RP die aktuelle Lage außer acht lasse: „Für dieses Jahr haben wir einen hohen Teil der Forderungen erfüllt“, sagt sie. Ihr zufolge sind an der FSA derzeit fünf Lehrer mit beiden Staatsexamen beschäftigt, die einen Unterrichtsanteil von 75 bis 80 Prozent für die insgesamt 35 Schüler abdeckten. Dazu kämen sechs weitere Lehrer beziehungsweise Erzieher sowie drei Integrationshelfer/Schulbegleiter für zwei Inklusionsschüler. Braun glaubt deshalb gar, mit Fachpersonal sei die Schule derzeit so gut ausgestattet wie noch nie in ihrer etwas mehr als zehnjährigen Geschichte.
Mängel „selbst aufgefallen“
Zudem lasse die Behörde der FSA keine Zeit: „Uns ist selbst aufgefallen, dass Mängel vorhanden sind.“Deshalb sei bereits im kritischen vergangenen Schuljahr ein Schulentwicklungsprozess eingeleitet, an der Qualifikation und Ausbildung von Kollegen gearbeitet und auch der Mangel an Fachräumen, etwa durch eine Kooperation mit der Waldorfschule, teilweise behoben worden. Abgesehen davon, dass die Stadt in Sachen Räumlichkeiten ebenfalls Unterstützung zugesagt hatte.
„Wir brauchen Zeit“
Auch habe man bereits im Herbst 2017 versucht, die personellen Ausfälle auszugleichen: Stellenausschreibungen auf „verschiedenen Plattformen“seien rausgegangen. Allerdings sei es generell schwierig, mitten im laufenden Schuljahr Lehrkräfte zu finden. Hinzu komme, dass es Privatschulen wie die FSA generell schwerer hätten, auf dem Arbeitsmarkt für Lehrer fündig zu werden: Die Bezahlung ist schlechter als an staatlichen Schulen, ein möglicher Beamtenstatus winkt auch nicht. Und bei Lehrerzuweisungen durch das Staatliche Schulamt gehe sie wegen ihres Status’ leer aus.
Das und anderes bringen Katrin Weber und Michael Braun in dem Gespräch mit der SZ vor. Und ebenfalls, von „Anfang an“, so Braun, das Schulamt auf Engpässe hingewiesen zu haben. Auch möglicherweise mangelnde Kommunikation war ein Punkt, den RP wie Verwaltungsgericht kritisiert hatten – wenngleich nicht entscheidend.
Jetzt hoffen die beiden Schulleiter, in nächster Zeit bei Behörden und Gerichten Gehör zu finden. Denn die FSA hat Pläne: Am 25. Januar und im März 2019 soll es Tage der offenen Schule geben. Weber und Braun berichten von einer ganzen Reihe von Eltern, die aktuell Interesse haben, ihre Kinder nach dem Sommer auf die FSA zu schicken. Langfristig wollen sie rund 60 Kinder und Jugendliche an der Spinnereistraße unterrichten. Und interne Entwicklungen sollen vorangetrieben werden. So hatte der im Juli neu gewählte Vorsitzende Stefan Schmaus jüngst neue Strukturen für den Trägerverein angekündigt.
„Wir brauchen Zeit“, sagt Katrin Weber. Zeit, die der FSA nur das Regierungspräsidium oder die Gerichte geben können. Damit die Handglocke auch künftig weiter zum Unterricht erklingen kann.