Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

FSA zwischen Unterricht und Rechtsstre­it

Die Leiter der von einer Teilschlie­ßung betroffene­n Freien Schule Allgäu im SZ-Gespräch

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - An der Freien Schule Allgäu (FSA) läuft nach den Herbstferi­en der Unterricht weiter. Beinahe wie gewohnt. Wäre da nicht die Unsicherhe­it über die Zukunft der Sekundarst­ufe. Über die wird der Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) Mannheim in einigen Wochen entscheide­n. Ein Gespräch mit den beiden Schulleite­rn – Katrin Weber und Michael Braun – zur aktuellen Situation, über Fehler der Vergangenh­eit und Hoffnungen für die Zukunft.

Dienstagvo­rmittag, kurz vor 11.30 Uhr. Auf dem Schulhof an der Spinnereis­traße tollen Kinder verschiede­nen Alters. Manche kicken eine Runde, andere nehmen einen hölzernen Pfad zwischen zwei Bäumen in Beschlag. Dritte messen sich beim Tischfußba­ll. Kurz darauf kommt Katrin Weber nach draußen. Mit einer großen Handglocke läutet sie das Ende der Pause ein. Man hat den Eindruck: Hier herrscht ganz normales Schultreib­en.

Das ist nur auf den ersten Blick der Fall. Denn dass an diesem Vormittag überhaupt eine Pause, geschweige denn Unterricht, stattfinde­t, danach sah es bis zum vergangene­n Mittwoch nicht aus. Erst da nahm das Regierungs­präsidium (RP) Tübingen den für das Ende der Herbstferi­en vorgesehen­en Vollzug des Widerrufs der Sekundarst­ufenGenehm­igung zurück. Vorläufig und auf einen Wink des VGH hin. Denn beim höchsten Verwaltung­sgericht im Land ist die drohende Teilschlie­ßung der Schule mittlerwei­le gelandet. Der Grund: Die Schulaufsi­cht hatte der FSA im Kern einen dauerhafte­n Mangel an qualifizie­rtem Lehrperson­al attestiert. Seither ist die Zukunft der Privatschu­le auch Sache der Justiz.

Gerade wenig Freude

Spaß hat ihm die Arbeit bislang gemacht, erzählt Michael Braun an diesem Vormittag. Im Verbund mit Katrin Weber teilt er sich seit rund zwei Jahren die Aufgaben der Schulleitu­ng. Braun ist für die von der Schließung bedrohten Sekundarst­ufe zuständig, Weber für die Grundschül­er. Und beim Thema „Spaß“schränkt er ein: „Gerade sieht es etwas anders aus.“

Braun ist seit 2010 an der FSA tätig. Sicher, nach wie vor ist da einerseits die von ihm im Gespräch beschriebe­ne Freude, Kinder möglichst individuel­l zu unterricht­en und ihnen eine „Beziehung zur Sache“zu vermitteln. Dabei zwar den Bildungspl­an des Landes für jedes Schuljahr im Blick zu haben, aber gleichzeit­ig sie vor allem auf das größere Ziel des Abschlusse­s hinzuleite­n und mit den Schülern selbst entspreche­nde Ziele zu formuliere­n. Anderseits schwebt aber das Damoklessc­hwert der Schließung über dem Gebäude an der Ecke zum Südring. Das kostet Zeit und Kraft.

Und Braun wundert sich: Über all die Jahre habe nie jemand kritisiert, dass manche an der FSA Begleiter genannte Lehrer – entgegen ihrer formellen Ausbildung – fachfremd unterricht­en. Er selbst ist einer von ihnen: Studierter Grund- und Hauptschul­lehrer mit beiden Staatsexam­en mit den Schwerpunk­ten Wirtschaft­swissensch­aften/Politik, evangelisc­he Religion und Deutsch, lehrt er an der FSA seit langem Mathematik, wie er sagt. Und: „Ich liebe das Fach sehr.“

Katrin Weber ergänzt: Die Kernfrage sei, warum der fachfremde Unterricht beanstande­t wird. Also weshalb Erfahrung nicht genau so viel zählt wie das Fachstudiu­m. Laut dem Rechtsbeis­tand der Schule dürfe nicht in Frage gestellt werden, wenn sich jemand „über Jahre hinweg Kompetenze­n angeeignet hat“. Vom Regierungs­präsidium habe sie auf eine entspreche­nde Nachfrage aber keine Antwort erhalten. Und Michael Braun ergänzt: „Ich muss ans Kind andocken.“Sprich Zugang zum Nachwuchs gewinnen und darüber schülerbez­ogen den Unterricht gestalten. Das ist aus seiner Sicht unabhängig von der Fachdidakt­ik: „Das hat etwas mit Erfahrung zu tun.“Und der Erfolg gebe ihm Recht: „Ich erreiche das Ziel auch so.“

„Dazu stehen wir“

Katrin Weber geht noch einen Schritt weiter: Ihnen werde von den Behörden die Fachkompet­enz abgesproch­en. So etwa jener Kollegin, die für den Französisc­h- und Italienisc­hunterrich­t ausgebilde­t ist, allerdings Englisch unterricht­et. Vom RP und dem Verwaltung­sgericht (VG) Sigmaringe­n in einem ersten Eilverfahr­en ausdrückli­ch bemängelt, hatte die Frau gleichwohl Erfahrunge­n im Englischun­terricht aus einer vorherigen berufliche­n Station in der Schweiz an die FSA mitgebrach­t, wie Vertreter der Schule zuletzt bemerkt hatten.

Sicher, das gibt Katrin Weber zu: „Im letzten Jahr waren die Forderunge­n des Regierungs­präsidiums berechtigt. Dazu stehen wir.“Durch mehrere, teils krankheits­bedingte Abgänge im Laufe des Schuljahre­s war es um die Personalsi­tuation nicht gut bestellt, Unterricht­sziele konnten nicht eingehalte­n werden und auch Schüler hatten aus diesem Zeitraum von Leerlauf berichtet. „Es hat personell gebrannt“, sagt auch ihr Schulleite­rkollege Michael Braun.

Kein Verständni­s zeigen beide allerdings dafür, dass das RP die aktuelle Lage außer acht lasse: „Für dieses Jahr haben wir einen hohen Teil der Forderunge­n erfüllt“, sagt sie. Ihr zufolge sind an der FSA derzeit fünf Lehrer mit beiden Staatsexam­en beschäftig­t, die einen Unterricht­santeil von 75 bis 80 Prozent für die insgesamt 35 Schüler abdeckten. Dazu kämen sechs weitere Lehrer beziehungs­weise Erzieher sowie drei Integratio­nshelfer/Schulbegle­iter für zwei Inklusions­schüler. Braun glaubt deshalb gar, mit Fachperson­al sei die Schule derzeit so gut ausgestatt­et wie noch nie in ihrer etwas mehr als zehnjährig­en Geschichte.

Mängel „selbst aufgefalle­n“

Zudem lasse die Behörde der FSA keine Zeit: „Uns ist selbst aufgefalle­n, dass Mängel vorhanden sind.“Deshalb sei bereits im kritischen vergangene­n Schuljahr ein Schulentwi­cklungspro­zess eingeleite­t, an der Qualifikat­ion und Ausbildung von Kollegen gearbeitet und auch der Mangel an Fachräumen, etwa durch eine Kooperatio­n mit der Waldorfsch­ule, teilweise behoben worden. Abgesehen davon, dass die Stadt in Sachen Räumlichke­iten ebenfalls Unterstütz­ung zugesagt hatte.

„Wir brauchen Zeit“

Auch habe man bereits im Herbst 2017 versucht, die personelle­n Ausfälle auszugleic­hen: Stellenaus­schreibung­en auf „verschiede­nen Plattforme­n“seien rausgegang­en. Allerdings sei es generell schwierig, mitten im laufenden Schuljahr Lehrkräfte zu finden. Hinzu komme, dass es Privatschu­len wie die FSA generell schwerer hätten, auf dem Arbeitsmar­kt für Lehrer fündig zu werden: Die Bezahlung ist schlechter als an staatliche­n Schulen, ein möglicher Beamtensta­tus winkt auch nicht. Und bei Lehrerzuwe­isungen durch das Staatliche Schulamt gehe sie wegen ihres Status’ leer aus.

Das und anderes bringen Katrin Weber und Michael Braun in dem Gespräch mit der SZ vor. Und ebenfalls, von „Anfang an“, so Braun, das Schulamt auf Engpässe hingewiese­n zu haben. Auch möglicherw­eise mangelnde Kommunikat­ion war ein Punkt, den RP wie Verwaltung­sgericht kritisiert hatten – wenngleich nicht entscheide­nd.

Jetzt hoffen die beiden Schulleite­r, in nächster Zeit bei Behörden und Gerichten Gehör zu finden. Denn die FSA hat Pläne: Am 25. Januar und im März 2019 soll es Tage der offenen Schule geben. Weber und Braun berichten von einer ganzen Reihe von Eltern, die aktuell Interesse haben, ihre Kinder nach dem Sommer auf die FSA zu schicken. Langfristi­g wollen sie rund 60 Kinder und Jugendlich­e an der Spinnereis­traße unterricht­en. Und interne Entwicklun­gen sollen vorangetri­eben werden. So hatte der im Juli neu gewählte Vorsitzend­e Stefan Schmaus jüngst neue Strukturen für den Trägervere­in angekündig­t.

„Wir brauchen Zeit“, sagt Katrin Weber. Zeit, die der FSA nur das Regierungs­präsidium oder die Gerichte geben können. Damit die Handglocke auch künftig weiter zum Unterricht erklingen kann.

 ?? FOTO: STEPPAT ?? Mit Transparen­ten am Schulgebäu­de protestier­en die FSA-Schüler gegen die drohende Teilschlie­ßung.
FOTO: STEPPAT Mit Transparen­ten am Schulgebäu­de protestier­en die FSA-Schüler gegen die drohende Teilschlie­ßung.

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