Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Chance für Integration
Deutschland bekommt demnächst aller Voraussicht nach endlich ein Zuwanderungsgesetz, das diesen Namen verdient. Das ist eine gute Nachricht. Für die vielen Unternehmen im Land, für die ausländische Fachkräfte längst überlebensnotwendig sind. Und für die ganze Gesellschaft.
Ein solches Gesetz beendet einen jahrzehntelangen Selbstbetrug. Bis in die 2000er-Jahre hatten vor allem CDU und CSU eine Realität bestritten: Deutschland ist ein Einwanderungsland, und zwar seit Jahrhunderten. Von den aus Frankreich geflohenen Hugenotten im 17. Jahrhundert bis zu den Millionen Menschen aus Südeuropa und der Türkei seit den 1950er-Jahren – ohne Einwanderer hätte Deutschland nie den Wohlstand erreicht, um den es heute in weiten Teilen der Welt bewundert und beneidet wird.
Ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz hätte früher viele Fehler vermeiden können. Etwa die jahrzehntelange Politik, sogenannte „Gastarbeiter“vor allem auf die Rückkehr in ihr Heimatland vorzubereiten – anstatt ihre Integration zu fördern und sie von ihnen zu fordern. Ein Zuwanderungsgesetz, das Migration steuert, kann solche Fehler in Zukunft vermeiden: indem es klare Voraussetzungen für Einwanderer schafft – und klarere Kriterien dafür, wer dauerhaft bleiben kann, wer zeitweilig und wer gar nicht. Und es kann endlich ausreichend Menschen aus Nicht-EU-Ländern Wege eröffnen, legal und auf kontrolliertem Weg nach Deutschland einzuwandern – ohne dafür das Asylrecht zu nutzen. Denn das ist für verfolgte, von Gewalt bedrohte Menschen gedacht.
Die Debatte um das Zuwanderungsgesetz bietet in den kommenden Monaten außerdem eine große Chance: Bis der Bundestag das Gesetz verabschiedet hat, kann die emotional überhitzte Debatte über Einwanderung sich jetzt endlich um konkrete Ideen drehen. Um konkrete Vorschläge dazu, wie Deutschland Migration künftig gestalten soll. Die Bundesregierung sollte diese Chance nutzen – und die Debatte über diese Punkte baldmöglichst offensiv in die Öffentlichkeit tragen. Das wäre die nächste gute Nachricht für die deutsche Gesellschaft.
s.heinrich@schwaebische.de