Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Initiative wirbt in Berlin
Unternehmer kämpfen für Bleiberecht von Flüchtlingen
BERLIN (sal) - Die Unternehmerinitiative „Bleiberecht durch Arbeit“hat in Berlin ihre Vorstellungen zur Ausgestaltung des Aufenthaltsrechts für Flüchtlinge präsentiert. Die Initiative, zu der 120 Unternehmen zählen, schlägt vor, dass Flüchtlinge, sofern sie eine feste Stelle haben und sichtbaren Integrationswillen zeigen, eine zweijährige Aufenthaltsund Arbeitserlaubnis in Deutschland erhalten. Nach zwei Jahren soll eine Verlängerung um weitere drei Jahre möglich sein, wenn sie sich gut integriert haben und ihre Identität durch die Vorlage eines Passes geklärt ist.
„Wir brauchen Planungssicherheit“, sagte Gottfried Härle, Brauereibesitzer aus Leutkirch und Mitbegründer der Initiative, am Freitag. Die Wirtschaft brauche die Flüchtlinge, gerade in Oberschwaben suche man dringend Arbeitskräfte. Die Initiative bot ihre Mithilfe bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen an.
BERLIN - Sie sind schneller als der Gesetzgeber: Die Unternehmerinitiative Bleiberecht, die sich dafür einsetzt, dass Flüchtlinge, die eine Arbeit haben, in Deutschland bleiben dürfen. Kaum hat die Bundesregierung die Eckpunkte des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen, stellen sie in Berlin ihre genauen Vorstellungen zur Ausgestaltung vor.
Das hat zwei Gründe: „Wir wollen einen Beitrag leisten für verantwortungsvolle Integration – und wir brauchen dringend Arbeitskräfte“, sagt Gottfried Härle, der in seiner Brauerei in Leutkirch (Landkreis Ravensburg) selbst sieben Flüchtlinge beschäftigt. Und außerdem brauche man Planungssicherheit. 120 Unternehmer haben sich in der Initiative zusammengeschlossen, vom Bäcker und Fleischer über Hotels bis zu so bekannten Firmen wie Adolf Würth oder EnBW.
„Wir wissen, was wir tun“, sagt Antje von Dewitz, Vaude-Geschäftssführerin, die wie Härle zu den Gründern der Initiative zählt. Denn in den 120 Mitgliedsfirmen sind über 2000 Geflüchtete mit unsicherem Status beschäftigt. Sie seien „in konstanter Unsicherheit“, genau wie ihr Arbeitgeber. „Auch von der menschlichen Seite her ist das schwer zu ertragen“, so von Dewitz. Darauf hat auch Thomas Osswald vom Autohaus Osswald aus Bad Saulgau (Landkreis Sigmaringen) schon hingewiesen, als die Initiative im Kanzleramt bei der Integrationsbeauftragten Annette WidmannMauz (CDU) vorstellig wurde .
Die Unternehmer haben, um ihren Beschäftigten und sich selbst zu helfen, einen aus ihrer Sicht praktikablen Vorschlag entlang des Eckpunktepapiers vorgelegt. Der soll auch den Bedenken der Gegner eines Bleiberechts Rechnung tragen.
Sie fordern, dass Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge zunächst auf zwei Jahre befristet werden. In dieser Zeit sollen die Flüchtlinge ihrer Arbeit nachgehen und die Sprache erlernen können. Im Erfolgsfall soll nach zwei Jahren die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis um weitere drei Jahre verlängert werden, wenn ein Jobangebote vorliegt, eine zertifizierte Weiterbildung besucht wurde, Sprachkenntnisse nachgewiesen werden und die Passpapiere vorgelegt werden.
Die Identitätsklärung ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Gottfried Härle, der fünf Gambier beschäftigt, weiß, wie schwierig das mitunter ist. Gambia hat keine Botschaft in Deutschland und so muss der Geflüchtete in sein Heimatland reisen, um den Pass zu erhalten. Das geht jedoch nur, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland besitzt. „Unser Vorschlag würde viel erleichtern“, so Härle. In Baden-Württemberg sind rund 12 000 Gambier.
Über 60 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen der IHK Bodensee-Oberschwaben suchen laut Umfragen händeringend Arbeitskräfte. „Die Gastronomie könnte ohne Angestellte mit Migrationshintergrund gar nicht mehr öffnen“, meint Härle.
„Das Problem brennt der Wirtschaft auf den Nägeln, “sagt auch Markus Winter, Geschäftsführer der IDS (Industrie Dienstleistung Süd) aus Unteressendorf (Landkreis Biberach). Jedes zehnte Unternehmen denke schon daran, ins Ausland zu gehen, weil die Arbeitskräfte fehlen. Auch Winter weist darauf hin, dass es nicht nur um hochspezialisierte Arbeiten geht, sondern auch um Staplerfahrer, Pflegehilfskräfte, Lastwagenfahrer, Reinigungskräfte. „Wir erleben permanent, dass wir von potenziellen Abschiebungen betroffen sind.“
Den Oberschwaben in der badenwürttembergischen Landesvertretung in Berlin springt an diesem Tag ein sächsischer Unternehmer zur Seite. „Ich verdiene eine hohe sechsstellige Summe weniger, weil die Arbeitskräfte weg sind“, sagt Roland Frisch. „Bei uns im Osten ist das genau so schlimm wie bei Ihnen“, betont der Sachse, der ein Gebäudereinigungsunternehmen in Zwickau führt. Er klagt, dass die Politik doch immer zu langsam sei.
Hier wollen die Unternehmer behilflich sein. Markus Winter bietet an: „Wir helfen mit bei der Ausarbeitung des Gesetzes, wir sind kompetente Ansprechpartner.“Und Gottfried Härle sagt: „Wir würden uns doch freuen, wenn wir unsere Initiative schnell wieder auflösen könnten.“