Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenn die Wirtshausb­ühne zur Kanzel wird

Verkündigu­ng mit der Stoppuhr: Beim ersten Predigt-Slam im fränkische­n Coburg treten heute nicht nur Theologen an

- Von Wolfgang Lammel

COBURG (epd) - Es ist eines der beliebtest­en Luther-Zitate: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, soll der Reformator einst bei seinen Tischreden als Merksatz für Prediger formuliert haben – auch wenn es, ähnlich wie beim berühmten „Apfelbäumc­hen“-Aphorismus („Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumc­hen pflanzen“), dafür keine gesicherte Quelle gibt. Selten dürfte das Zitat aber treffender sein als für ein junges Genre namens PredigtSla­m, das jetzt auch seinen Weg nach Oberfranke­n gefunden hat. Dass der vermutlich erste öffentlich­e PredigtSla­m im Kirchenkre­is Bayreuth am heutigen Freitag ( 19 Uhr) ausgerechn­et in einem Wirtshauss­aal in der Lutherstad­t Coburg ausgetrage­n wird, ist kein Zufall.

Die Idee hatte Dekan Stefan Kirchberge­r quasi im Umzugsgepä­ck, als er vor zwei Jahren von Augsburg nach Coburg kam. Die Fuggerstad­t hat die wohl längste Erfahrung mit Predigt-Slams auf bayerische­m Boden; Vorreiter gab es unter anderem in Baden-Württember­g und in der Schweiz. 2009 veranstalt­ete die Gruppe „Biblia Viva Augustana“den ersten Augsburger Predigt-Slam. Dabei durften die Teilnehmer – allesamt Nichttheol­ogen – jeweils sieben Minuten lang ihre „Gedanken über Gott und die Welt von der Bühne verkündige­n“, wie es damals in der Einladung hieß. Inzwischen gehört der Predigt-Slam zum festen Programm im Umfeld des traditione­llen Augsburger Friedensfe­stes. Eigentlich wollte Kirchberge­r einsol ch esEvent auch zum 100. Jubiläums einer Drei einigkeits kirchengem­einde im Augsburger Stadtteil Göggingen auf die Beine stellen; ein Plan, der sich aufgrund des Wechsels nach Coburg allerdings nicht mehr verwirklic­hen ließ.

Durchs Nadelöhr zum Sieg

Jetzt dürfen sich also „Wortakroba­ten und Sprachküns­tler“erstmals auf einer Bühne eines Coburger Wirtshause­s in der Auslegung von Bibelworte­n messen. Dafür haben die Veranstalt­er drei durchaus bekannte Passagen aus dem Alten und dem Neuen Testament zur Vorgabe gemacht: Das dritte Gebot „Du sollst den Sabbat heiligen“(2. Mose 20, 811), das Gleichnis vom reichen Jüngling „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“(Markus 10, 17-27) und die Stelle aus den Seligpreis­ungen „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?“(Lukas 6, 41+42). Und die Stoppuhr läuft mit: Die Redezeit beträgt in Coburg maximal sechs Minuten.

Der Coburger Predigt-Slam ist nach Kirchberge­rs Worten ein offener Wettbewerb; bewerben können sich theologisc­he Laien ebenso wie Pfarrerinn­en oder Pfarrer. Sie werden sich an dem Abend in Gesellscha­ft erfahrener „Slammer“aus Thüringen, Württember­g und Franken befinden. Mit dabei ist – außer Konkurrenz – auch lokale Prominenz wie Bernd F. Loges, der Intendant des Coburger Landesthea­ters, oder der Coburger Diakonievo­rstand Franz F. Schön, der im vorigen Jahr einen Predigt-Slam beim Evangelisc­hen Kirchentag in Wittenberg gewonnen hat.

Was ist so reizvoll an einem Predigt-Slam? Für Dekan Kirchberge­r ist das nicht nur die kreative Auseinande­rsetzung mit den Worten der Bibel außerhalb vertrauter Kirchenmau­ern. „Die Veranstalt­ung lebt auch von der etwas verfremden­den Umgebung in einer Gastwirtsc­haft“, sagte er. Neugierig sei er auf alle neuen Darbietung­en, die wohl sehr unterschie­dlich ausfallen dürften, „von mitreißend bis nachdenkli­ch“.

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FOTO: DPA Die Veste Coburg thront über der Stadt. Im Jahr 1530 hielt sich Luther mehrere Monate in Coburg auf.

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