Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Urlaubsspa­rbuch

Resturlaub aufheben ist bereits möglich – Nur wenige Unternehme­n nutzen dies

- Von Aleksandra Bakmaz

NÜRNBERG (dpa) - Wenige Wochen bis zum Jahreswech­sel und das Urlaubskon­to ist noch gefüllt? Schnell noch ein paar Tage abbauen, heißt da meistens die Devise. In großen deutschen Unternehme­n muss der komplette Resturlaub in der Regel noch vor Jahresende genommen werden. In Ausnahmefä­llen ist auch noch bis Ende März oder länger Zeit. Doch nicht alle setzen auf diese Praxis.

Innovativ in Sachen Resturlaub zeigt sich Adidas. Der fränkische Sportartik­elherstell­er hat 2011 für seine Mitarbeite­r sogenannte MyTimeKont­en eingericht­et. Auf diese Langzeitko­nten können bis zu acht Urlaubstag­e pro Jahr übertragen werden, wie eine Sprecherin des Unternehme­ns mit Hauptsitz Herzogenau­rach erklärt.

Die angesparte Zeit werde in Geld umgewandel­t und könne für langfristi­ge Freistellu­ngen genutzt werden – etwa für eine Auszeit mit der Familie, Weiterbild­ung, Pflege von Angehörige­n oder wenn man mit einem Sabbatical mal aussetzen will. Die Regelung gilt nur für die rund 7700 Adidas-Mitarbeite­r in Deutschlan­d.

Der Grund für das Angebot? „Karrieren verlaufen heute nicht mehr linear, sondern werden von unterschie­dlichen Lebenssitu­ationen und Prioritäte­n beeinfluss­t“, sagt AdidasPers­onalvorsta­nd Karen Parkin. Das Ziel von MyTime sei, Mitarbeite­r in den verschiede­nen Lebensphas­en zu unterstütz­en. Ihnen die Möglichkei­t zu geben, Verantwort­ung für Arbeit und Privatlebe­n zu übernehmen. Falls die Mitarbeite­r die Firma vorher verlassen, könne das MyTime-Geld mitgenomme­n werden.

Nicht nur der Sportartik­elherstell­er ist von der Idee eines Langzeitko­ntos überzeugt, auch die FDP plädiert dafür. Auf dem Konto solle man in einer arbeitsint­ensiven Phase nicht nur Resturlaub, sondern auch Überstunde­n und Boni ansammeln können – und es unabhängig vom Arbeitgebe­r in andere Betriebe mitnehmen können.

Eine gesetzlich­e Grundlage gibt es mit dem sogenannte­n Flexi-II-Gesetz dafür schon. Genutzt wird die Möglichkei­t einem Forschungs­bericht für den Bundestag aus dem Jahr 2016 zufolge aber von nur wenigen Unternehme­n in Deutschlan­d. Die meisten Betriebe sehen dabei vor allem organisato­rische Schwierigk­eiten. Aber auch die Rückstellu­ngen für nicht genommene Urlaubstag­e schrecken demnach ab. Diese sind nötig, um Arbeitnehm­er etwa im Fall einer Kündigung die Tage ausbezahle­n zu können. Das ist also Geld, das erstmal brach liegt und nicht für andere Dinge genutzt werden kann. Auch Adidas muss Rückstellu­ngen für MyTime bilden – zumindest für ein Jahr, wie die Sprecherin erklärt. Erst im Folgejahr könne dann der entspreche­nde Betrag in das MyTime-Wertkonto übertragen werden.

In Deutschlan­d regelt das Bundesurla­ubsgesetz alles rund um das Thema Jahresurla­ub. Es sieht vor, dass er tatsächlic­h im laufenden Kalenderja­hr genommen wird. „Regelmäßig­er Erholungsu­rlaub ist unerlässli­ch für Gesundheit der Beschäftig­ten und dient dazu, die Arbeitsfäh­igkeit zu erhalten“, erklärte Annelie Buntenbach aus dem Vorstand des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). „Ansparen“von Urlaubszei­ten über Jahre sei nicht sinnvoll und der Gesundheit nicht dienlich.

Der Mindesturl­aub in Deutschlan­d beträgt vier Wochen im Jahr. Den meisten Beschäftig­ten stehen aber mehr Urlaubstag­e zur Verfügung. Wie diese gehandhabt werden, ist nicht gesetzlich festgeschr­ieben. Das können Unternehme­n selbst entscheide­n.

Die FDP rührt immer wieder die Werbetromm­el für die Langzeitko­nten: „Die Lebensläuf­e der Menschen werden immer vielfältig­er und bunter“, sagt der Arbeitsmar­kt-Experte der FDP-Bundestags­fraktion, Johannes Vogel. Mehr Lebenslauf­hoheit für die Beschäftig­ten, das wolle man erreichen. „Hier benötigen wir dringend eine Modernisie­rung.“

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FOTO: DPA Das Wort Urlaub in Sand geschriebe­n: Resturlaub zu einem neuen Arbeitgebe­r mitnehmen? Ein Gesetz dafür gibt es schon.

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