Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Bettelnde Frauen fordern Hunderte Euro
Sechs Anzeigen wegen Sammlungsbetrugs sind 2018 bei der Ravensburger Polizei eingegangen
RAVENSBURG - Sie forderten Hunderte Euro von einem wildfremden Mann: Offenbar waren aggressive Bettlerinnen in Ravensburg unterwegs. Und das ist nicht die einzige Masche, mit der mutmaßliche Betrüger ans Geld von Passanten kommen wollen.
Ein 39-jähriger Ravensburger hat in letzter Zeit zwei besonders aufdringliche Bettlerinnen erlebt. Am vergangenen Samstag wurde der Mann von einer etwa 50-Jährigen angebettelt. „Mitten am Tag, ich bin gerade die Marktstraße hochgegangen“, sagt er. Doch ihr reichte der Euro nicht, den er aus der Tasche zog. Sie habe Hunderte Euro gefordert, habe angefangen seine Hände und Arme zu küssen. „Das war mir richtig unangenehm.“Sie habe ihm Medikamente in einer Tasche gezeigt und in gutem Deutsch mit leichtem Akzent gesagt, dass sie psychisch krank sei und eine hohe Miete zu bezahlen habe. Eine Passantin habe schließlich mitbekommen, wie er bedrängt wurde, und der Bettlerin zugerufen: „Das ist illegal, was Sie da tun!“Daraufhin sei die Frau verschwunden.
Zwielichtiges Angebot
Die Masche hatte er schon mal erlebt. Bereits beim Ravensburger Sommerflohmarkt habe ihn eine junge Frau nach Geld gefragt. „Grundsätzlich bin ich jemand, der gerne was gibt“, sagt er. Schon in diesem Fall habe er der Frau, die er auf Mitte 20 schätzt, ein paar Euro gegeben. „Sie fragte, ob nicht mehr ginge, und wollte plötzlich 500 Euro von mir“, erzählt er. Sie brauche das Geld für Familie, Kinder und ihre hohe Miete. Außerdem habe sie angeboten, er könne ja mit zu ihr kommen. Für den 39-Jährigen ein zwielichtiges Angebot, das er ablehnte. „Sie ließ sich aber nicht mehr abschütteln.“Die Frau habe ihn festgehalten und habe erst nach einiger Zeit aufgegeben.
Zuvor habe er so was nie erlebt, jetzt aber zwei Mal in kürzerer Zeit in der Ravensburger Innenstadt. „Dass die Frauen so hohe Beträge forderten, hat mich stutzig gemacht“, sagt er. Möglicherweise stecke ein System hinter der Masche, mutmaßt er.
So aggressives Betteln ist selbst der Polizei kaum bekannt. Häufig würden Bettler verbal zudringlich. Dass jemand körperlich angegangen wird, komme selten vor, sagte ein Polizeisprecher. „Aggressives Betteln ist strikt verboten“, teilte auch die Ravensburger Stadtverwaltung mit. Betroffene sollen sich demnach an Polizei oder Ordnungsamt wenden.
Nach Informationen der Stadtverwaltung stellen Städte in ganz Deutschland in den vergangenen Jahren verstärkt fest, dass Bettler oft bandenmäßig organisiert sind, häufig von südosteuropäischen Gruppen, heißt es. „Die einzelnen Menschen haben dabei so gut wie nichts davon, das Geld wird ihnen sofort von den Anführern abgenommen“, teilt die Stadtverwaltung mit. „Die Bürger werden deshalb dringend gebeten, hier nichts zu spenden, denn das verschärft das Problem nur.“
Eine andere Methode, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen und Geld zu fordern, ist die „KlemmbrettMasche“: Dabei werden Unterschriften gesammelt. Auch die „Unterschriftensammler“stammen laut Polizei in der Regel aus dem Ausland und treten oft nicht in Gruppen, sondern alleine auf. Eigentlich hätten sie zum Ziel, Geld zu sammeln. Wenn sie den Passanten dabei etwas vorgaukeln, zum Beispiel, dass sie für einen mildtätigen Zweck sammeln, dabei aber das Geld für sich behalten, handele es sich um Sammlungsbetrug, so die Polizei. Geld- und Freiheitsstrafen sind laut Gesetz bei Betrug möglich, wer Teil einer Bande ist, dem droht eine entsprechende höhere Strafe.
Im Stadtgebiet Ravensburg kam es in diesem Jahr laut Polizei bislang zu sechs Strafanzeigen wegen Sammlungsbetrug. Im ganzen Kreis Ravensburg gab es weitere drei Anzeigen. Was sich in den konkreten angezeigten Fällen ereignet hat, konnte die Polizei am Donnerstag nicht mitteilen. In ganz Baden-Württemberg gab es 2017 laut Landeskriminalamt 480 Fälle von Sammlungsbetrug. Die Zahlen der Vorjahre waren mal niedriger, mal höher.
Der von aggressiver Bettelei betroffene Ravensburger hat darauf verzichtet, die Frauen anzuzeigen. Ihm sei es wichtig, dass das Ordnungsamt mit Augenmaß mit Bettlern in der Stadt umgeht. „Es ist in Ordnung, wenn jemand da sitzt und sich was geben lässt“, sagt er. Der Unterschied sei da zu machen, wo eine mafiöse Struktur hinter Bettlern und Spendensammlern zu vermuten sei.
Die Stadtverwaltung äußert sich ähnlich: „Es gibt einzelne Menschen, insbesondere Obdachlose, die in Ravensburg schon lange leben und sehr zurückhaltend auf milde Gaben hoffen. Dagegen ist nichts einzuwenden.“