Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Friedhöfe wirken immer leerer
Anteil der Urnenbestattungen hat sich in Ravensburg mehr als verdoppelt
RAVENSBURG - In Baden-Württemberg gibt es immer mehr ungepflegte Gräber. Auch auf dem Ravensburger Hauptfriedhof findet man zugewucherte Grabsteine. Der Charakter der Friedhöfe verändert sich zurzeit ohnehin.
Dass Gräber immer häufiger zuwuchern, hat eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei mehreren großen baden-württembergischen Stadtverwaltungen ergeben. Auch in Ravensburg kommt das vor. Auf dem Hauptfriedhof braucht man nicht lange zu suchen, um Gräber zu finden, wo vor lauter Gestrüpp kein Grabstein mehr zu sehen ist.
Wenn ein Grab ungepflegt ist, bekommt ein Angehöriger, der sich beim Todesfall als Verantwortlicher für die Grabpflege hat eintragen lassen, Post von der Stadt. Er oder sie wird aufgefordert, das Grab in Ordnung zu bringen. Bleibt die Wildnis bestehen, kann das Grab abgeräumt, eingeebnet und mit Rasen eingesät werden, heißt es vonseiten der Stadt. Als gepflegt gilt für die Friedhofsverwaltung eine Grabstelle, die frei von Laub und Unkraut ist und deren Bepflanzung zurückgeschnitten wird. Was auf dem Grab wachse, sei unerheblich, heißt es.
Der Extremfall, in dem ein Grab eingeebnet wird, kommt in Ravensburg laut Friedhofsverwaltung allerdings selten vor. Vielleicht sei das in ländlichen Regionen doch noch anders als in der Großstadt, sagt ein Mitarbeiter der Ravensburger Friedhofsverwaltung. Wenn Angehörige nicht mehr vor Ort leben, könne auch eine Gärtnerei mit der Pflege beauftragt werden.
Als letzte Ruhestätte wählen ohnehin immer mehr Menschen die pflegeleichte Variante: ein kleines Urnengrab oder die Bestattung am Fuße alter Bäume auf dem Hauptfriedhof, wo gar keine Bepflanzung nötig, ja nicht einmal erlaubt ist.
Auf den Ravensburger Friedhöfen hat sich das Verhältnis von Sarg- und Urnenbestattungen umgedreht. Vor gut zwei Jahrzehnten wurden noch 70 Prozent der Verstorbenen im Sarg bestattet und 30 Prozent eingeäschert. Heute ist es genau umgekehrt. „Das führt dazu, dass die Friedhöfe immer leerer werden und sich ihr Charakter ganz wesentlich verändert“, sagt ein Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung. Auf dem 1875 angelegten Ravensburger Hauptfriedhof sind indes noch ganz andere Zeiten der Bestattungskultur verewigt. Aktuell gibt es dort 4300 Gräber, von denen 800 Stück in den 1990er-Jahren aus kunsthistorischer und heimatgeschichtlicher Sicht als bedeutsam eingestuft wurden. Sie werden auf Dauer erhalten. Zum Teil haben sie prunkvolle Grabmale. Der Grabstein sei einst Statussymbol für die reichen Kaufmannsfamilien gewesen.
Zusammen mit dem parkartigen Baumbestand prägen sie den denkmalgeschützten Friedhof, wie die Stadt mitteilte. Für die Pflege der alten Gräber hat die Stadt ein besonderes Konzept (siehe Kasten).