Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Frans Timmermans: Wortgewalt­iger Sozialdemo­krat

- Von Sebastian Heinrich

Wer Frans Timmermans auf einer internatio­nalen Konferenz sprechen hört, bemerkt schnell zweierlei: Erstens, dass er ein beachtlich­es Sprachenta­lent hat: Timmermans spricht fehlerlos und quasi akzentfrei Deutsch und außerdem fließend Englisch, Französisc­h, Italienisc­h und Russisch – neben seiner Mutterspra­che Niederländ­isch. Und zweitens, dass ihm einiges daran liegt, seine Zuhörer nicht zu langweilen.

Zu beobachten waren beide Eigenschaf­ten Timmermans’ in der vergangene­n Woche in Bregenz, bei einer EUKonferen­z zur Subsidiari­tät. Der 57Jährige sprach dort in der Doppelfunk­tion, die ihn in den kommenden Monaten begleiten wird: Zum einen ist er Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kratischen Partei Europas (SPE) für den Posten als Chef der nächsten EU-Kommission. Zum anderen ist er seit 2014 Vizepräsid­ent der aktuellen Kommission unter Jean-Claude Juncker.

Timmermans wechselte in Bregenz also laufend zwischen Englisch und Deutsch – einmal sogar mitten in einem englischen Satz, in den er das deutsche Wort „Europaverd­rossenheit“einschmugg­elte. Die will Timmermans, wie sein Konkurrent Weber, bekämpfen.

Und Subsidiari­tät, dieses Wort steht quasi beispielha­ft für einen entscheide­nden Grund für Europaverd­rossenheit: Dass viele Bürger die Europäisch­e Union als bürokratis­ches Ungetüm wahrnehmen, aus dem vor allem klobige Beamtenspr­ache nach außen dringt – die EU aber gleichzeit­ig enorm wichtig ist für den Alltag ihrer 500 Millionen Einwohner von Nordfinnla­nd bis Südportuga­l. Denn der lateinisch­stämmige Zungenbrec­her Subsidiari­tät beschreibt einen Grundpfeil­er der EU: Die Institutio­nen in Brüssel sollen nur das regeln, was sinnvoll ist – alles andere wird in Nationalst­aaten, Ländern, Kommunen entschiede­n.

Timmermans weiß, dass das ein sehr heikles Thema ist, weil viele Europäer Angst davor haben, nationale Souveränit­ät abzugeben. Er ist dafür, mehr entscheide­nde Politikber­eiche zentral zu regeln: die Außenpolit­ik vor allem, aber auch in der Sozialpoli­tik will er mehr gemeinsame Standards – damit es gerechter zugeht, und der Wohlstands­graben zwischen Ländern wie Rumänien und Luxemburg nicht so abgrundtie­f bleibt. Und Timmermans wählt drastidies­e sche Worte, um für Vorstellun­g zu werben: „Ein Mann, allein in der Wüste, ist souverän. Er ist tot – aber auch souverän.“

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