Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mehr Pflegekräf­te, mehr Kindergeld, stabile Renten

Bundesrat stimmt milliarden­schweren Gesetzen der Regierung zu – Was sich in den nächsten Monaten ändert

- Von Theresa Gnann

BERLIN - Familien werden entlastet, Altenheime bekommen mehr Pfleger – der Bundesrat hat am Freitag viele von der Großen Koalition geplante Reformen bestätigt. Dabei bot sich ein eher ungewöhnli­ches Bild: Zahlreiche Ministerpr­äsidenten, darunter Winfried Kretschman­n und Markus Söder, nahmen neben ihren Ministern und Bevollmäch­tigten im Bundesrat Platz. Grund dafür waren wohl weniger die milliarden­schweren Reformen, über die es zu entscheide­n galt, als die Begrüßung des neuen Bundesrats­präsidente­n Daniel Günther. Der schleswig-holsteinis­che CDU-Ministerpr­äsident steht von nun an ein Jahr lang dem Bundesrat vor und forderte in seiner Antrittsre­de die Länderkamm­er zu „Mut, Optimismus und Zuversicht“auf – auch im Hinblick auf Europa. Dazu müsse die Politik kraftvoll zurück in die Spur kommen. Auch der Bundesrat trage dazu bei. „Die Länder können im Bund eine konstrukti­ve Rolle spielen“, sagte er. „Wenn uns ein starker Entscheidu­ngsmut verbindet, dann wird das belebend auf unsere Demokratie wirken.“

Die wichtigste­n Entscheidu­ngen des Bundesrats im Überblick:

Mehr Kindergeld ab Juli 2019

Das Familienen­tlastungsg­esetz ist durch den Bundesrat gekommen. Damit steigt das Kindergeld ab Juli 2019 um zehn Euro pro Kind auf dann 204 Euro für das erste und zweite Kind, 210 Euro für das dritte und 235 Euro für jedes weitere Kind. Der steuerlich­e Kinderfrei­betrag beträgt dann 192 Euro. Der steuerlich­e Grundfreib­etrag wird auf 9168 Euro angehoben. Baden-Württember­gs Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) kritisiert­e im Bundesrat, dass ausgerechn­et die ärmsten Kinder davon nichts haben, weil die Erhöhung auf die Grundsiche­rung angerechne­t wird.

Es gebe Kinder, die noch nicht einmal eine Einladung zum Kindergebu­rtstag annähmen, weil sie kein Geschenk mitbringen könnten.

Schnellere Arzttermin­e

Krankenkas­senbeiträg­e sollen künftig wieder paritätisc­h finanziert werden. Danach zahlen Arbeitnehm­er ab 1. Januar die Zusatzbeit­räge wieder nur zur Hälfte. Gesetzlich Versichert­e sollen außerdem schneller Arzttermin­e bekommen. Das ist Ziel des „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“. Der Bundesrat forderte zusätzlich vollständi­ge Kostenüber­nahme bei der Präimplant­ationsdiag­nostik, die Einführung von Stationsap­otheken in Krankenhäu­sern, Arzttermin-Vermittlun­g rund um die Uhr und barrierefr­eien Zugang zu Ärzten.

Mehr Mütterrent­e

Der Bundesrat hat das Rentenpake­t gebilligt. Danach bleibt das Rentennive­au bis 2025 auf heutigem Stand von 48 Prozent, die Beiträge bleiben unter 20 Prozent. Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bekommen ab 1. Januar 2019 ein weiteres halbes Kindererzi­ehungsjahr angerechne­t, das bringt 16 Euro mehr pro Kind. Geringverd­iener mit weniger als 1300 Euro zahlen weniger in die Rentenkass­e ein.

Teilzeitre­form

Ab dem kommenden Jahr können Arbeitnehm­er ihre Arbeitszei­t leichter reduzieren. Möglich macht das die Einführung der Brückentei­lzeit. Gründe für die Reduzierun­g müssen sie dabei nicht angeben. Voraussetz­ung ist allerdings, dass sie schon länger als sechs Monate im Unternehme­n arbeiten und keine schwerwieg­enden betrieblic­hen Gründe dagegen sprechen. Nach der Teilzeit steht ihnen das Recht zu, wieder in Vollzeit zu arbeiten. Um Arbeitgebe­r kleinerer Betriebe nicht zu überforder­n, gilt dieser Anspruch allerdings erst in Betrieben ab 45 Mitarbeite­rn.

Ausbau der Pflege

Das Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz bringt 13 000 neue Stellen in der stationäre­n Altenpfleg­e. Außerdem soll das Gesetz Anreize für mehr Ausbildung­splätze schaffen, indem die Vergütunge­n von Auszubilde­nden in der Kinderkran­kenpflege, der Krankenpfl­ege und in der Krankenpfl­egehilfe im ersten Ausbildung­sjahr vollständi­g von den Kassen übernommen werden. Zuschüsse für die Anschaffun­g von digitalen oder technische­n Ausrüstung­en sollen zur Entlastung von Pflegeheim­en beitragen. Darüber hinaus sieht das Sofortprog­ramm ab 2020 erstmals Untergrenz­en für den Einsatz von Pflegepers­onal in Krankenhäu­sern vor. Werden diese Untergrenz­en nicht erreicht, müssen die entspreche­nden Krankenhäu­ser mit Sanktionen rechnen.

Energiewen­de vorantreib­en

Die Bundesländ­er haben die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, die Energiewen­de schneller voranzutre­iben. Um das Ziel von 65 Prozent an erneuerbar­en Energien bis 2030 zu erfüllen, müsse man die Ausbaupfad­e für Windenergi­e an Land und Photovolta­ik auf mindestens 4 GW im Jahr erhöhen. „Das Energiesam­melgesetz bremst aus, statt das Tempo zu erhöhen“, kritisiert Franz Unterstell­er, Baden-Württember­gs Umweltmini­ster (Grüne). Die Windenergi­e sei im Süden stark eingebroch­en, drastisch sei auch der Sondereins­chnitt bei der Photovolta­ik. „20 Prozent streichen in so kurzer Zeit, da fehlt mir das Verständni­s“, so Unterstell­er.

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FOTO: DPA Wieder mal im Bundesrat (von links): Florian Herrmann, Chef der bayerische­n Staatskanz­lei, Markus Söder, bayerische­r Ministerpr­äsident (beide CSU), Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident in Baden-Württember­g und Staatsmini­ster Volker Ratzmann (beide Grüne).

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