Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ortsumfahr­ung und Tunnel feiern runden Geburtstag

Seit 20 Jahren führt die B 32 um Amtzell herum – Tunnel Geiselharz wurde 2008 eröffnet

- Von Marlene Gempp

AMTZELL - „Ein Dorf darf aufatmen“und „Amtzeller feiern ihren neuen Tunnel“titelte die „Schwäbisch­e Zeitung“zu zwei Ereignisse­n, die die Infrastruk­tur rund um Amtzell für immer verändern sollten: Im Juli 1998 wurde der erste Teil der B-32-Ortsumfahr­ung eingeweiht, zehn Jahre später, Ende Oktober 2008, folgte mit dem Tunnel Geiselharz der zweite Teil der Ortsumfahr­ung. Zwei Mal habe der Ort feiern können, zwei Mal habe man aber auch lange dafür kämpfen müssen, erinnert sich Paul Locherer. Die Ortsumfahr­ung war ein Schwerpunk­t seiner 24 Jahre langen Tätigkeit als Bürgermeis­ter von Amtzell, wie er erklärt. 21 Jahre und zehn Monate hat er dafür gekämpft, den Verkehr aus dem Ort heraus und um Amtzell herum zu leiten. „Ohne die Ortsumgehu­ng wäre eine Weiterentw­icklung nicht möglich gewesen“, ist sich Paul Locherer sicher. Sowohl die Erschließu­ng des Gewerbegeb­iets Geiselharz, die noch im Jahr 1998 startetet, als auch der Bau weiterer Wohngebiet­e seien nur durch die Verlegung der Hauptverke­hrsroute aus dem Ort heraus möglich gewesen. Immerhin arbeiteten heute in den Gewerbegeb­ieten Geiselharz und Schauwies rund 1000 Menschen. Die während der Planung bereits bestehende A 96 habe den Druck damals noch erhöht. „Wie viele Fahrzeuge damals durch Amtzell gefahren sind, kann man sich heute nur noch vorstellen, wenn die B 32 für eine Baustelle gesperrt ist“, so Locherer. Für die Anwohner und die Verkehrste­ilnehmer sei die Ortsumfahr­ung ein wichtiger Schritt gewesen, sagt auch ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Tübingen: „Unser Ziel ist es immer, die Hauptverke­hrsrouten in der Region durchgängi­g hinzubekom­men. Und bei der B 32 ist uns die Entlastung durch die Umgehung von Amtzell gelungen.“

Bereits im Jahr 1976 war zum ersten Mal über eine Ortsumfahr­ung diskutiert worden. Die Planung der beiden Bauabschni­tte wurde dann im Jahr 1991 genehmigt – und 2008 abgeschlos­sen. „Der erste Teil wurde noch im 20. Jahrhunder­t gebaut, der zweite bereits im 21. Jahrhunder­t. Ein ZweiJahrhu­ndert-Projekt sozusagen“, sagt Locherer und lacht. Doch nicht immer sei ihm während der Planung der Ortsumfahr­ung zum Lachen zumute gewesen. Nach dem ersten Bauabschni­tt, der 1998 eröffnet wurde, war kurz vor der heutigen Tankstelle bei Geiselharz erst einmal Schluss mit dem Ausbau. Das Geld ging schlichtwe­g aus. Auch aus der Bevölkerun­g hörte Locherer zwischenze­itlich Bedenken. Gastronome­n etwa befürchtet­en, dass durch den wegfallend­en Durchgangs­verkehr auch weniger Gäste Halt machen würde. Auch die Tankstelle, die früher in der Ortsmitte saß, sorgte sich ums Geschäft. Aus der Not habe man in diesem Fall eine Tugend machen können, erzählt Locherer. Denn: Die Tankstelle wurde kurzerhand mit umgezogen und an die B 32 verlegt.

16 Millionen DM hatte der erste Teil der Ortsumfahr­ung gekostet. Der Bund habe ihm dann geraten, auf den zweiten Teil zu verzichten, erzählt Paul Locherer. Doch das wollte er auf keinen Fall: „Der Schnitt 1998 tat weh. Die vom Verkehr belasteten Geiselharz­er haben mich regelmäßig gefragt, ob es noch was wird, mit der kompletten Umgehung.“Darum habe er gerungen, bis auch der zweite Teil in Angriff genommen werden konnte. Eine Anstrengun­g, die es auch aus heutiger Sicht noch wert war, wie er sagt. „Ich bin überglückl­ich“, rief der damalige Amtzeller Bürgermeis­ter dann 2008 bei der Tunneleröf­fnung, wie man im dazugehöri­gen Zeitungsbe­richt nachlesen kann. Die Ortsumfahr­ung war komplett. Die Freude und Dankbarkei­t, vor allem gegenüber den Bürgern, hält immer noch an: „Die Planung verlief ohne Streit. Ich habe immer noch den größten Respekt vor den Geiselharz­ern Grundstück­seigentüme­rn. Sie haben Gelände für die Ortsumfahr­ung abgegeben und darauf vertraut, dass die Entlastung kommt“, erzählt Locherer. Und die Dankbarkei­t war gegenseiti­g: Die Amtzeller Bürger bauten ihrem damaligen Bürgermeis­ter zur Eröffnung des Tunnels einen eigenen Festwagen für die Jungfernfa­hrt. Tausend Bürger feierten mit, der Amtzeller Männerchor nutzte die Akustik des neuen Tunnel, Freibier und Ochs am Spies wurden wie auch bereits zur Eröffnung des ersten Abschnitts serviert: Ein Fest, an das sich der ein oder andere Amtzeller sicher noch erinnert.

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ARCHIVFOTO: RAS Der Bau des Geiselharz­er Tunnels aus der Luft betrachtet. Die frühere B 32 führte direkt am Ortskern (rechts) vorbei.
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