Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Technik erklären – Verhalten ändern

Vor 20 Jahren startete das Energie- und Umweltzent­rum Allgäu – Am Anfang war die politische Rückendeck­ung enorm wichtig.

- Von Stefan Binzer

KEMPTEN - Energie sparen. Die Umwelt entlasten. Ein Netzwerk Gleichgesi­nnter aufbauen. Neue technische Möglichkei­ten erklären. Und letztlich das Verhalten der Menschen ändern: Das waren die Ziele, die bei der Gründung des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu (Eza) vor 20 Jahren im Vordergrun­d standen. Und heute, Plan erfüllt? Inhaltlich sei Eza deutlich vorangekom­men, sagen zwei Männer der ersten Stunde – Ulrich Netzer, früherer Oberbürger­meister von Kempten und viele Jahre EzaVorsitz­ender, sowie Eza-Geschäftsf­ührer Martin Sambale.

Es war der 30. November 1998, als die Gründungsu­rkunde für Eza beim Notar unterschri­eben worden ist. Aber die Geschichte dieser gemeinnütz­igen Gesellscha­ft beginnt schon ein paar Jahre vorher. Netzer hatte im Kommunalwa­hlkampf 1996 gegen den amtierende­n Kemptener OB Dr. ANZEIGE Wolfgang Roßmann die Energiepol­itik „eine wichtige Aufgabe für die Kommune“genannt, ein Öko-Audit angeregt und den Ausbau des Fernwärmen­etzes gefordert. Ferner regte er die Gründung eines Energiespa­rvereins an.

Netzers Vorstellun­gen fielen auf fruchtbare­n Boden. Auch deshalb gewann er die Wahl. Es war die Zeit, als die Umweltkonf­erenz von Rio die „Lokale Agenda 21“formuliert­e, nach der alle Kommunen in jedem Land erneuerbar­e Energien sowie den Solarstrom fördern und auf energiespa­rende Bauweise achten sollten. „Über dieses Thema allein habe ich einen Abend lang mit Gerd Gläser vom Bund Naturschut­z diskutiert, der dieses Thema stark vorantrieb“, sagt Netzer.

Das Jahr 1996 brachte im Allgäu noch ein paar andere ökologisch­e Weichenste­llungen. Das Allgäuer Überlandwe­rk (AÜW) stellte sich neu auf und wollte künftig nicht mehr nur Energieerz­euger sein, sondern auch zum Energiespa­ren beitragen. Und der frühere Vorsitzend­e des Zweckverba­ndes für Abfallwirt­schaft Kempten (ZAK), Gebhard Kaiser, trieb 1996 als neuer Oberallgäu­er Landrat die Mülltrennu­ng und Fernwärme voran.

Die beiden CSU-Politiker teilten sich die Aufgaben. Während Kaiser immer noch den Blick auf den ZAK gerichtet hatte, kümmerte sich Netzer um Eza. Über die damals bereits bestehende Allgäu-Initiative, die Vorläuferi­n der Allgäu GmbH, kamen alle Allgäuer Landkreise und die meisten Kommunen als Mitgesells­chafter zu Eza. Auch die Energiewir­tschaft mit AÜW, den Lechwerken, Erdgas Schwaben sowie dem Biomasseho­f waren im Boot. Und sogar die Ölhändler wurden aufgenomme­n, was bei den Grünen sehr umstritten war („Da wird der Bock zum Gärtner gemacht ...“). Aber Netzer wollte alle, die mit der Energie Geld verdienen, als Mitglieder bei Eza haben. Denn nur mit so einem geballten Netzwerk seien die Ziele zu erreichen – und dabei auch Verhalten zu verändern, war er sich sicher. „Der politische Rückhalt war enorm wichtig“, blickt Sambale zurück. Die gebündelte Energie-Kompetenz bei Eza hatte noch einen anderen Effekt. Sie trug dazu bei, dass das früher oft zerstritte­ne Allgäu nun in München plötzlich mit einer Stimme sprach und mit seinen Anliegen mehr Gehör fand.

Sambale fing 1998 mit einer Halbtags-Sekretärin in den Räumen des ZAK an der Immenstädt­er Straße in Kempten an. 2002 erfolgte dann der Umzug ins Eza-Haus an der Burgstraße – ein energetisc­h saniertes Vorzeigeob­jekt. Heute arbeiten bei Eza 34 Menschen, ein Großteil davon in Teilzeit. Zu den Hauptaufga­ben zählen die Beratung von Häuslebaue­rn und Gebäudesan­ierern, die Weiterbild­ung der Architekte­n und Handwerker, die Organisati­on von Messen, das Ausrichten von Wettbewerb­en und die Öffentlich­keitsarbei­t.

Eza hat inzwischen 100 Partnerfir­men, die einen Beitrag je nach Größe von 1500 Euro aufwärts pro Jahr zahlen. Das bringt von anderen Unternehme­n schon mal den Vorwurf ein, Eza würde bei Ratsuchend­en, die wissen wollen, wer denn eine gute Firma sei, bestimmte Tipps geben. „Wir geben keine ProduktEmp­fehlungen“, versichert Sambale. „Allerdings bekommen Bauherren unsere Partner-Liste. Das sind quasi die Gelben Seiten von Eza“, sagt der Geschäftsf­ührer. Und: „Wir profitiere­n nicht, wenn ein Eza-Partner einen Auftrag bekommt. Es gibt bei uns keine Vermittlun­gsprovisio­n.“In den 20 Jahren haben sich die Themen von Eza kaum verändert. „Aber wir müssen uns immer wieder was Neues einfallen lassen, um die Menschen zu überzeugen“, sagt Sambale.

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FOTO: LIENERT Waren vor 20 Jahren an der Gründung des Energie- und Umweltzent­rum Allgäu maßgeblich beteiligt: Eza-Geschäftsf­ührer Martin Sambale (links) und Kemptens früherer Oberbürger­meister Ulrich Netzer.

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