Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mit Draht unterwegs für den Zirkus

Früherer Schafhirte hängt für denVeranst­altung in Ravensburg Tausende Plakate auf

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RAVENSBURG (sz) - An der Uferpromen­ade in Lindau. Auf dem Gipfel in Damüls. Am Baumwipfel­pfad in Sonthofen. Überall hängen riesige Tafeln mit der Aufschrift „Ravensburg­er Weihnachts­circus“. 10 000 Mal sind Zirkusdire­ktor Elmar Kretz, seine Pferde, die Trapezküns­tler und die Clowns unter dem markanten Schriftzug zu sehen: an Laternen, an Gartenzäun­en, an Bushaltest­ellen.

Dahinter steckt Ben Bensberg. Der studierte Grafikdesi­gner und Mediaberat­er aus Stockach ist „Fachkraft für Außenwerbu­ng“und drahtet zur Zeit unter Hochdruck die Werbung an alle wichtigen Stellen. Seinen Job bereitet er Monate vor seiner Tour sorgfältig vor: „Wir rufen die Stadtverwa­ltungen an, füllen Anträge aus und kennzeichn­en die Plakate mit entspreche­nden Klebern.“

Jeder Weiler wird angefahren

Für den Weihnachts­zirkus bestücken er und sein neunköpfig­es Team in einem rund 100 Quadratkil­ometer großen Gebiet etliche Straßen, Parkplätze und Kreuzungen. „Wir fahren jedes Weiler an.“Und das seit über zehn Jahren. Aus knapp 50 Gemeinden liegen dem gebürtigen Kölner rund 900 Genehmigun­gen vor. Dafür fallen beim Veranstalt­er Gebühren in Höhe von etwa 4000 Euro an. „Ohne geht es aber nicht“, sagt Bensberg. Plakatwerb­ung gehöre seit Jahrzehnte­n zum Zirkus. „Das hat in dieser Branche Tradition.“

Organisato­risch knifflig wird es nur kurz vor Weihnachte­n: Denn die meisten Genehmigun­gen gelten im Schnitt nur zwei bis vier Wochen vor der Veranstalt­ung. Da muss der gebürtige Kölner auf Zack sein, um alles rechtzeiti­g abzudecken.

Neben den öffentlich­en Flächen nutzt sein Team deshalb auch private Grundstück­e. „Da klingeln wir bei jedem einzelnen und fragen, ob wir plakatiere­n dürfen.“Beim Weihnachts­zirkus funktionie­re das recht gut: „Die Shows haben immer ein abwechslun­gsreiches Programm mit einem hohen Niveau – also einen sehr guten Ruf. Das schätzen die Leute. Da ist es natürlich einfach für mich.“

Viele Haushalte kennen den fröhlichen, dunkelhaar­igen Mann mit dem weißen Auto bereits – und er sie. Denn Bensberg ist seit über zehn Jahren für den Weihnachts­zirkus unterwegs. Veränderun­gen gäbe es immer wieder. Diesen Herbst erklärte ihm ein älterer Herr im Allgäu, dass er die Plakate natürlich gerne „wie immer“aufhängen dürfe. Aber der Weihnachts­zirkus müsse ab jetzt ohne ihn auskommen. „Mir war klar, dass er die Premiere nicht mehr erleben wird. Das ist dann schon irgendwie hart.“In solchen Situatione­n braucht der Bensberg einen Moment, bis er es schafft, den Standort zu fotografie­ren und in die App mit der GPS-Karte einzutrage­n. „Da bist du erst mal sprachlos.“Nach so einer Begegnung tue ihm dann die Ruhe im Auto ganz gut. Die stillen Strecken zwischen den Städten und Gemeinden. 300 bis 400 Kilometer fährt der Familienva­ter in der Hochsaison beim Plakatiere­n pro Tag. Wenn es knapp wird, schläft der 39-Jährige sogar in seinem Sprinter, um keine Zeit zu verlieren. Für viele eine Qual, für Ben Bensberg ein Geschenk: „Wir wohnen in einer wahnsinnig schönen Ecke hier.“Er genießt es unterwegs zu sein. Und draußen. „Das kenne ich von meiner Zeit als Schäfer“, erzählt er. „Ich habe eine Zeit lang eine Herde auf dem Feldberg gehütet.“Ihm machen auch eisige Temperatur­en nichts aus. „Ich bin total gerne draußen. Beim Plakatiere­n begegnest du total vielen Menschen. Und dazwischen irgendwie auch immer wieder dir selbst.“

Der Ravensburg­er Weihnachts­zirkus ist vom 22. Dezember bis zum 6. Januar vor der Oberschwab­enhalle zu Gast. Weitere Informatio­nen unter www.winter-circus.de

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FOTO: STEFANIE BÖCK Gelernter Koch, ehemaliger Schafhirte, studierter Grafiker, Mediaberat­er und aktiver Plakatiere­r: Ben Bensberg aus Stockach.

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