Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Stellenausschreibungen kann man sich sparen“
Wie in Seniorenzentren in Leutkirch und Isny das neue Pflegepersonalstärkungsgesetz bewertet wird
LEUTKIRCH/ISNY - 13 000 neue Stellen für die stationäre Altenpflege – unter anderem das sieht das kürzlich beschlossene Pflegepersonalstärkungsgesetz des Bundes vor. Durch die Reform soll hauptsächlich im Bereich der medizinischen Gesundheitspflege für personelle Entlastung gesorgt werden. Das neue Gesetz tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. Auch viele Senioreneinrichtungen in der Region sind betroffen. Die „Schwäbische Zeitung“hat Reaktionen zur Reform gesammelt.
Die beschlossenen 13 000 Arbeitsplätze seien „ein erster, wichtiger Schritt, um weitere Stellen zu refinanzieren“, meint Christina Pirker, Referentin für Marketing und Kommunikation beim Unternehmen Vinzenz von Paul, das in Leutkirch zwei stationäre Seniorenzentren betreibt. Allerdings könnten die Stellen für Pflegekräfte derzeit „nur schwer besetzt werden“. Auch für die Einrichtungen in Leutkirch gelte es, eine Fachkraftquote von 50 Prozent einzuhalten. Solche „examinierten Pflegefachkräfte“zu finden, sei eine Herausforderung.
Mehr Stellen als Suchende
Die Zahl der offenen Stellen übersteige die Zahl der Suchenden, ist sich Christina Pirker sicher. Entsprechend länger dauere es, offene Arbeitsplätze neu zu besetzen. Deshalb gebe es auch in den Leutkircher Einrichtungen vakante Positionen. „Wir arbeiten bereits teilweise mit Fachkräften aus Mitarbeiterüberlassungsfirmen“, erklärt Pirker.
Kann die vorgeschriebene Fachkraftquote oder der Personalschlüssel für einzelne Einrichtungen nicht erfüllt werden, dürfen keine weiteren Bewohner aufgenommen werden. Engpässe – etwa bei Erkrankung mehrerer Mitarbeiter – werden in den Leutkircher Einrichtungen der Firma Vinzenz von Paul häufig durch engagierte Mitarbeiter aufgefangen, die dann beispielsweise ihre Stundenzahl aufstocken. Eine dauerhafte Lösung könne das allerdings nicht darstellen.
Um den Fachkräftemangel zu beheben, gilt es nach Ansicht von Pirker, die zukünftige Pflege in Deutschland allgemein zu betrachten. Schließlich sei die Zahl der Auszubildenden noch nie so hoch wie aktuell gewesen. Das reiche dennoch nicht aus, „um dem steigenden Pflegebedarf zu begegnen“. Neben den Themen wie Mitarbeiterbindung und -gewinnung müssten ihrer Einschätzung nach Überlegungen „von Prävention über technische Assistenzsysteme bis hin zu neuen Wohn- und Lebensmodellen im Alter“einbezogen werden. Für wichtig hält die Referentin für Marketing und Kommunikation auch eine positive Darstellung der Altenpflege in den Medien.
Katja Hoffmann, Direktorin des Isnyer „Haus Sonnenhalde“von der Evangelischen Heimstiftung, schätzt die Situation ähnlich ein. Zu den 13 000 neuen Stellen meint sie kurz und bündig: „Schön, aber die Fachkräfte sind ja nicht vorhanden.“Derzeit könne in der Isnyer Einrichtung die Quote an examinierten Pflegefachkräften erfüllt werden. Sollten allerdings einmal zwei dieser Mitarbeiter gleichzeitig ausfallen, „bräuchten wir das Glück auf unserer Seite, dass wir eine Bewerbung bekommen“.
Eine Kandidatenauswahl aufgrund der Eignung des Bewerbers sei kaum möglich. „Stellenausschreibungen kann man sich sparen“, erklärt Hoffmann klipp und klar. Um neue Pflegekräfte zu gewinnen, müsse ihrer Einschätzung nach der Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht werden, „damit die Arbeitsbedingungen merklich verbessert werden können“.
Dass es derzeit „nahezu ausgeschlossen“ist, Pflegefachkräfte zu finden, teilt auch Frank Höfle, Geschäftsführer des Isnyer Altenhilfezentrums, auf SZ-Anfrage mit. „Ich habe zwei Wochen lang insgesamt sechs Anzeigen geschaltet und nicht eine einzige Bewerbung einer Fachkraft bekommen.“Bisher sei es über persönliche Beziehungen immer wieder gelungen, ausreichend Personal zu finden. In der Isnyer Einrichtung könne die Fachkraftquote derzeit „gerade so“erfüllt werden. Ab Januar werde es aber schwierig.
Generell begrüßt Höfle, dass es mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz mehr Personal für die Pflege geben soll. „Wenn es uns allerdings nicht einmal gelingt, die Fachkräfte zu gewinnen, die wir aufgrund gesetzlicher Vorgaben vorhalten müssen, stellt sich die Frage, wo die zusätzlichen Fachkräfte herkommen sollen.“
Vorschlag: Geringer Qualifizierte
Sein Vorschlag, um die personelle Besetzung in Seniorenzentren zu verbessern: zusätzliche Betreuungskräfte, die „geringer qualifiziert“sind. Sie begleiten und unterstützen Bewohner beispielsweise beim Lesen, Basteln oder Spazierengehen. Solche Kräfte seien auch am Markt verfügbar.
Teil der beschlossenen Stärkung des Pflegepersonals ist auch, dass einmalig die Anschaffung von digitaler oder technischer Ausrüstung mitfinanziert wird. „Das finde ich gut“, meint Frank Höfle. So habe das Isnyer Altenhilfezentrum bereits eine Software zur Pflegedokumentation bestellt.