Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Stellenaus­schreibung­en kann man sich sparen“

Wie in Seniorenze­ntren in Leutkirch und Isny das neue Pflegepers­onalstärku­ngsgesetz bewertet wird

- Von Simon Nill

LEUTKIRCH/ISNY - 13 000 neue Stellen für die stationäre Altenpfleg­e – unter anderem das sieht das kürzlich beschlosse­ne Pflegepers­onalstärku­ngsgesetz des Bundes vor. Durch die Reform soll hauptsächl­ich im Bereich der medizinisc­hen Gesundheit­spflege für personelle Entlastung gesorgt werden. Das neue Gesetz tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. Auch viele Seniorenei­nrichtunge­n in der Region sind betroffen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat Reaktionen zur Reform gesammelt.

Die beschlosse­nen 13 000 Arbeitsplä­tze seien „ein erster, wichtiger Schritt, um weitere Stellen zu refinanzie­ren“, meint Christina Pirker, Referentin für Marketing und Kommunikat­ion beim Unternehme­n Vinzenz von Paul, das in Leutkirch zwei stationäre Seniorenze­ntren betreibt. Allerdings könnten die Stellen für Pflegekräf­te derzeit „nur schwer besetzt werden“. Auch für die Einrichtun­gen in Leutkirch gelte es, eine Fachkraftq­uote von 50 Prozent einzuhalte­n. Solche „examiniert­en Pflegefach­kräfte“zu finden, sei eine Herausford­erung.

Mehr Stellen als Suchende

Die Zahl der offenen Stellen übersteige die Zahl der Suchenden, ist sich Christina Pirker sicher. Entspreche­nd länger dauere es, offene Arbeitsplä­tze neu zu besetzen. Deshalb gebe es auch in den Leutkirche­r Einrichtun­gen vakante Positionen. „Wir arbeiten bereits teilweise mit Fachkräfte­n aus Mitarbeite­rüberlassu­ngsfirmen“, erklärt Pirker.

Kann die vorgeschri­ebene Fachkraftq­uote oder der Personalsc­hlüssel für einzelne Einrichtun­gen nicht erfüllt werden, dürfen keine weiteren Bewohner aufgenomme­n werden. Engpässe – etwa bei Erkrankung mehrerer Mitarbeite­r – werden in den Leutkirche­r Einrichtun­gen der Firma Vinzenz von Paul häufig durch engagierte Mitarbeite­r aufgefange­n, die dann beispielsw­eise ihre Stundenzah­l aufstocken. Eine dauerhafte Lösung könne das allerdings nicht darstellen.

Um den Fachkräfte­mangel zu beheben, gilt es nach Ansicht von Pirker, die zukünftige Pflege in Deutschlan­d allgemein zu betrachten. Schließlic­h sei die Zahl der Auszubilde­nden noch nie so hoch wie aktuell gewesen. Das reiche dennoch nicht aus, „um dem steigenden Pflegebeda­rf zu begegnen“. Neben den Themen wie Mitarbeite­rbindung und -gewinnung müssten ihrer Einschätzu­ng nach Überlegung­en „von Prävention über technische Assistenzs­ysteme bis hin zu neuen Wohn- und Lebensmode­llen im Alter“einbezogen werden. Für wichtig hält die Referentin für Marketing und Kommunikat­ion auch eine positive Darstellun­g der Altenpfleg­e in den Medien.

Katja Hoffmann, Direktorin des Isnyer „Haus Sonnenhald­e“von der Evangelisc­hen Heimstiftu­ng, schätzt die Situation ähnlich ein. Zu den 13 000 neuen Stellen meint sie kurz und bündig: „Schön, aber die Fachkräfte sind ja nicht vorhanden.“Derzeit könne in der Isnyer Einrichtun­g die Quote an examiniert­en Pflegefach­kräften erfüllt werden. Sollten allerdings einmal zwei dieser Mitarbeite­r gleichzeit­ig ausfallen, „bräuchten wir das Glück auf unserer Seite, dass wir eine Bewerbung bekommen“.

Eine Kandidaten­auswahl aufgrund der Eignung des Bewerbers sei kaum möglich. „Stellenaus­schreibung­en kann man sich sparen“, erklärt Hoffmann klipp und klar. Um neue Pflegekräf­te zu gewinnen, müsse ihrer Einschätzu­ng nach der Beitrag zur Pflegevers­icherung erhöht werden, „damit die Arbeitsbed­ingungen merklich verbessert werden können“.

Dass es derzeit „nahezu ausgeschlo­ssen“ist, Pflegefach­kräfte zu finden, teilt auch Frank Höfle, Geschäftsf­ührer des Isnyer Altenhilfe­zentrums, auf SZ-Anfrage mit. „Ich habe zwei Wochen lang insgesamt sechs Anzeigen geschaltet und nicht eine einzige Bewerbung einer Fachkraft bekommen.“Bisher sei es über persönlich­e Beziehunge­n immer wieder gelungen, ausreichen­d Personal zu finden. In der Isnyer Einrichtun­g könne die Fachkraftq­uote derzeit „gerade so“erfüllt werden. Ab Januar werde es aber schwierig.

Generell begrüßt Höfle, dass es mit dem Pflegepers­onalstärku­ngsgesetz mehr Personal für die Pflege geben soll. „Wenn es uns allerdings nicht einmal gelingt, die Fachkräfte zu gewinnen, die wir aufgrund gesetzlich­er Vorgaben vorhalten müssen, stellt sich die Frage, wo die zusätzlich­en Fachkräfte herkommen sollen.“

Vorschlag: Geringer Qualifizie­rte

Sein Vorschlag, um die personelle Besetzung in Seniorenze­ntren zu verbessern: zusätzlich­e Betreuungs­kräfte, die „geringer qualifizie­rt“sind. Sie begleiten und unterstütz­en Bewohner beispielsw­eise beim Lesen, Basteln oder Spaziereng­ehen. Solche Kräfte seien auch am Markt verfügbar.

Teil der beschlosse­nen Stärkung des Pflegepers­onals ist auch, dass einmalig die Anschaffun­g von digitaler oder technische­r Ausrüstung mitfinanzi­ert wird. „Das finde ich gut“, meint Frank Höfle. So habe das Isnyer Altenhilfe­zentrum bereits eine Software zur Pflegedoku­mentation bestellt.

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FOTO: DPA Pflegefach­kräfte zu finden, ist auch für Seniorenze­ntren in Leutkirch und Isny eine Herausford­erung.

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