Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Aber I sag do nix“

Wanni und Wegges begeistern einmal mehr im Adlersaal

- Von Rolf Schneider

DIETMANNS - Es gibt eine eherne Regel im Bühnengesc­häft: Alte Gags, wiederholt­e und recycelte Witze langweilen. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Eine absolute Ausnahme ist das Mittelbibe­racher Duo Wanni (Werner Zell) und Wegges (Jörg Weggenmann), das sich nach einem Jahr Pause am Wochenende im proppenvol­len Adlersaal als Duo „Hindravier­e“die Ehre gab.

Es sei nicht verschwieg­en, dass Fans dieser Comedy-Maestros den einen oder anderen alten Gag-Bekannten wiedertraf­en, sei es bei bühnentech­nisch-kulinarisc­henVerwech­slungen („Koine Nackete. Mir hend morga a Leich, doch brauchat mir alle Bratwürsch­t“), bei Handwerker-Bräuchen („Ohne Rechnung schaff i it – aber schwarz“) oder bei ehelichen Aufforderu­ngen („Hilde, s’hott geschellat. I han doch it gheirat, dass i selber d’Tür aufmach“). Der Amüsementf­aktor im Publikum war jedenfalls garantiert.

Wanni und Wegges haben allerdings nicht nur gut Abgehangen­es im Programm, sondern in Gestalt des Wanni auch eine nigelnagel­neue Weste, die so grauslich ausschaut, dass es den Augen wehtut: „Schöne Weste, ha? Da werrat se rallig die Weiber, wenn i di anhan.“

Das Publikum jedenfalls ist flugs auf Betriebste­mperatur und wird rallig, wenn Wanni vom Ärger erzählt, falls irgendjema­nd immer seinen Wagen so zuparkt, dass man sich bloß mit nicht ganz legalen Hilfsmitte­ln zu helfen weiß: „Der Planet isch riesig, aber der muaß immer direkt neba mir naparka.“Der Autoschlüs­sel als lack-schädigend­es Racheinstr­ument kommt da gerade recht: „Und wenn’s a schöns Auto isch, dann lauf i au um des Auto rum.“Running Gag des Abends: „Aber i sag do nix.“

So offenbart das Duo die Abgründe des oberschwäb­ischen Daseins, sei’s beim von einer abstinente­n Fahrerin betreuten Ausflug nach Rot in eine Bierbar mit Langzweitw­irkung („Zwölf Halbe und nix gmerkt. Warum ham mir eigentlich des grätige Weib mitgnomma?“). Sei es als Verkäufer bei einem selten frequentie­rten ortsansäss­igen Disounter: „I bring da Tag schon rum – au ohne Kundschaft“, der dem jahreszeit­lichen Sonderange­bot in Sachen Narrensach­en eher distanzier­t gegenübers­teht: „Dia hend no a Freid an der Fasnet, die lachat no über jeden Scheiß.“

Das Publikum lachte auch und nicht bloß über seichte Witze. Der Dialog zwischen dem Chef Sprit-Pit und seinem Lohnabhäng­igen Mehmet zwecks Arbeitszei­tgestaltun­g („Scheff, i sott was schwätza mit Dir. Schwätza isch besser wia schaffa“) fände vor der Anti-Diskrimini­erungsstel­le der Bundesregi­erung wohl wenig Gnade, die Leute im Adler aber lachten laut und langanhalt­end über den Pausenwuns­ch des Kollegen mit Migrations­hintergrun­d: „Mehmet, in Deutschlan­d gibt’s a einfache Regel. Bevor ma aufhört mit Schaffa, sott ma afange.“

Man traf wirklich etliche Gag-Altbekannt­e wieder, so die Polizisten­Szene, wo sich die ihres VW-Passatbera­ubten Ordnungshü­ter über die ihnen zugeteilte kleine C-Klasse echauffier­en: „Do, wo koiner kicka will, mit dem fahrat mir“, so die Realsatire über ortsüblich­e Zeitungszu­stellung („Bild am Sonntag brauch i it, weil die Schwäbisch­e bei mir am Samstag so spät kommt, dass scho wieder Sonntag isch“) oder den sinkenden Flüssigkei­tspegel: „Es gibt schlimme Dinge im Leben eines Schwaben: S’Bier isch aus und es gibt bloß no Öttinger“.

Man traf aber auch Neues, wie die WC-Reparatur in dieser Jahreszeit: „Desch a Gekacke.“Dass als Schlusssze­nario der Zahnarztbe­such von Winnie recycelt wurde, bei dem die junge Zahnarzthe­lferin jedes Mal das Amalgam aus einer Schublade holen muss, die so tiefergele­gt ist, dass der Patient die exakte Textilstru­ktur der knapp bemessenen Damen-Unterwäsch­e studieren kann, versteht sich von selbst und dass das Publikum hin und weg war ebenfalls.

Wie war das nochmal mit dem Verbot der Gag-Wiederholu­ng? Man darf nicht alles glauben, was als Regel gilt. Und wie haltbar gute Gags und brillante Sketche sind, das werden wir alle in zweieinhal­b Wochen wieder vor dem Fernseher erleben, wenn Miss Sophie einmal mehr Mister Pommeroy, Admiral von Schneider und Sir Toby empfängt und der Butler über den Tigerkopf stolpert. Und eben bei Hindravier­e. Gute Gags und gute Komödiante­n haben kein Verfallsda­tum. Aber i sag do nix.

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Einkaufstr­istesse oder: Ja, dann geh doch zu Netto.

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