Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zerbrochen­e Bierflasch­e ins Gesicht geschlagen

31-jähriger Alkoholike­r muss dreieinhal­b Jahre hinter Gitter – Warum er nicht in eine Entziehung­sanstalt kommt

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Mit elf Jahren begann er zu trinken, mit zwölf der erste Marihuana-Konsum. Die Schule verließ er ohne Abschluss, einen Beruf lernte er nie. Mit Gelegenhei­tsjobs hielt er sich über Wasser. Dann wurde er erstmals straffälli­g, schließlic­h landete er im Gefängnis. Er trank weiter und rauchte Cannabis. Dann wieder Knast und ein Entzug, weil er seine Freundin mit einem Messer bedroht und verletzt hatte. Gestern stand der heute 31-Jährige wieder vor dem Kemptener Landgerich­t, weil er im Streit in einer Kemptener Obdachlose­nunterkunf­t einen 34 Jahre alten Zimmerkame­raden schwer verletzt hatte.

Aggression und Eifersucht

Die Tat geschah am Abend des 28. Mai 2018: Wieder einmal stritt der Angeklagte mit seiner 39 Jahre alten Freundin, sein Zimmerkame­rad wollte ihn besänftige­n. In einer Gefühlslag­e aus Aggression und Eifersucht griff der Mann zu einer Bierflasch­e, brach über einer Kommode den Flaschenha­ls ab und schlug dem 34-Jährigen damit ins Gesicht. Dieser erlitt im linken Backenbere­ich zahlreiche Schnittwun­den, die später im Krankenhau­s mit 30 Stichen genäht werden mussten.

Noch heute leide er durch die Verletzung­en an einem Taubheitsg­efühl, schilderte das Opfer als Zeuge. Wie genau die Einzelheit­en des Streits abliefen, war nicht mehr zu klären. Das ist auch kein Wunder: Die Frau war nach eigenen Angaben alkoholisi­ert, beim Opfer wurden nach der Attacke 3,4 Promille gemessen, beim Täter waren es nach Aussagen eines Gutachters zur Tatzeit vermutlich knapp drei Promille – oder noch erheblich mehr. Vor der Tat waren in dem Zimmer flaschenwe­ise Wodka, Williams und Bier getrunken worden.

Die Gretchenfr­age lautete gestern: Soll dem Angeklagte­n neben einer Strafe wegen Körperverl­etzung erneut die Möglichkei­t gegeben werden, einen Großteil des Strafmaßes als Alkoholent­zug in einem Bezirkskra­nkenhaus zu verbringen? Eine richterlic­h angeordnet­e Entzugsthe­rapie hatte er bereits hinter sich, war aber einige Monate nach der Entlassung erneut straffälli­g geworden – wieder im betrunkene­n Zustand. Psychiatri­e-Facharzt Professor Markus Jäger sagte als Sachverstä­ndiger, zur Tatzeit sei die Steuerungs­fähigkeite­n bei dem Angeklagte­n erheblich eingeschrä­nkt gewesen. Der Mediziner sprach sich aber gegen eine zweite Alkoholthe­rapie für den Mann aus. Er sehe bei ihm dafür „keine wirkliche Motivation“.

Verteidige­r Klaus Dieter Maier sah das vollkommen anders: „Wir müssen es probieren.“Es gebe auch ein Interesse der Allgemeinh­eit, das Alkoholpro­blem des 31-Jährigen zu lösen. „Allein die Verwahrung im Gefängnis wird keinen Erfolg haben“. Während die Staatsanwä­ltin drei Jahre und zehn Monate Haft ohne Therapie forderte, hielt Maier drei Jahre mit Therapieau­flage für ausreichen­d. Das Urteil der Strafkamme­r lautete: dreieinhal­b Jahre Haft wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Eine Therapie wurde nicht angeordnet, wegen derzeit fehlender Erfolgsaus­sicht, so das Gericht. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

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