Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

20 Jahre Helferkrei­s Asyl Leutkirch

Helferkrei­s Asyl Leutkirch wird 20 Jahre alt – zwei Gründungsm­itglieder blicken zurück

- Von Patrick Müller

Gründungsm­itglieder blicken zurück und erzählen, was sich verändert hat.

LEUTKIRCH - Mit Kriegsflüc­htlingen aus dem Kosovo begann es im Frühjahr 1999: „Über 80 kamen plötzlich über Nacht“, erinnert sich Angelika Beuter. Kurz darauf entstand der Helferkrei­s Asyl Leutkirch. Beuter und Priska Wunden waren damals beim Start dabei – und sind es bis heute geblieben. Ein Blick zurück auf 20 Jahre, in denen sich viel verändert hat. Und auf die Probleme heute.

Vor dem Besuch in der SZ-Redaktion haben die beiden Damen zur Vorbereitu­ng ihre Unterlagen aus den letzten 20 Jahren durchgesch­aut. Was gar nicht so einfach gewesen sei. „Die Recherche hat sehr viel aufgewühlt“, sagt Beuter. Wunden nickt: „Ja, die Arbeit mit Flüchtling­en ist immer wieder mit Trennung und Abschied verbunden.“Es sei für sie immer wieder belastend, wenn Leute abgeschobe­n werden, um die man sich davor gekümmert habe, erklärt Beuter. Trotzdem finden sich in regelmäßig­en Abständen Bürger, die beim Helferkrei­s Asyl mitmachen. Dieser beschreibt sich selbst als ein Zusammensc­hluss ehrenamtli­cher Bürger mit dem Ziel, die in Leutkirch ankommende­n und lebenden Asylbewerb­er in ihrer Integratio­n und in ihren ersten Schritten an ihrem neuen Wohnort zu unterstütz­en.

Kriegsflüc­htlinge aus dem Kosovo

Das erste Treffen fand im Frühjahr 1999 statt. „Etwa 20 Leute aus den verschiede­nsten Berufsgrup­pen waren da“, erklärt Beuter. Sie alle wollten den Kriegsflüc­htlingen aus dem Kosovo helfen, die zu dieser Zeit nach Leutkirch kamen. Unter diesen waren vor allem Familien mit Kindern, erinnert sich Wunden. Bereits im April wurde dann über die evangelisc­he Kirche ein Spendenkon­to eingericht­et. Geholfen dabei hat laut Wunden auch die damaligen Pfarrerin Magdalena Autenrieth, die auch „maßgeblich“an der Entstehung des Helferkrei­ses beteiligt gewesen sei. Da der Kosovokrie­g noch im gleichen Jahr zu Ende ging, mussten viele Flüchtling­e schnell wieder zurück.

„Aber viele haben auch Asyl beantragt und sind geblieben“, sagt Wunden. Diese Familien würden zum großen Teil noch heute in Leutkirch leben und seien in der Regel bestens integriert. „Die Männer haben oft seit vielen Jahren einen festen Arbeitspla­tz, die Kinder machen eine Ausbildung oder gehen teilweise auch auf das Gymnasium“, so Wunden. Ein Flüchtling­skind von damals sei inzwischen sogar Malermeist­er. „Der Betrieb, bei dem er noch heute angestellt ist, hat sich damals für ihn eingesetzt. Er durfte wegen seines Asylstatus erst keine Ausbildung machen“, erklärt Beuter. Natürlich mache es beide sehr froh, wenn sie sehen, wie gut es den ehemaligen Kriegsflüc­htlingen heute geht. Auch mit Blick auf die heutige Situation. Denn das zeige, dass man nie weiß, wie es beim Thema Integratio­n in zwanzig Jahren aussieht, selbst wenn aktuell nicht alles klappt. „Wir haben damals unseren Fokus darauf gelegt, dass die Kinder zur Schule gehen“, erinnert sich Beuter. Man habe die Flüchtling­e von Anfang an an die Hand genommen, und ihnen zum Beispiel gezeigt, wo die Schulen und Kindergärt­en sind. Offenbar hatte dieser Ansatz Erfolg. Mit vielen Familien seien sie nach wie vor in Kontakt und helfen ihnen beispielsw­eise noch bei Problemen mit der Bürokratie.

Was sich verändert hat

Was die Unterbring­ung und die Betreuung der Flüchtling­e anbelangt, sei heutzutage vieles besser organisier­t. Während etwa 1999 zweimal ein Betreuer vom Landratsam­t vorbeischa­ute, gebe es heute festangest­ellte Integratio­nsmanager. „Der Umgang mit den Flüchtling­en ist profession­eller geworden“, erklärt Wunden mit Blick auf die Verwaltung.

Was sich allerdings auch geändert habe, sei die Stimmung innerhalb der Bevölkerun­g. 1999 sei diese „eher positiv“gewesen. „Es war für viele klar, dass man diesen Menschen helfen muss“, sagt Beuter. Auch 2012, als vermehrt Flüchtling­e aus dem Iran, dem Irak, Afghanista­n, Algerien und Roma-Familien aus Balkan-Ländern kamen, sei die allgemeine Stimmung noch gut gewesen. „Gekippt ist sie dann 2015“, so Wunden. Für die Mehrheit der Bevölkerun­g sind es wohl einfach zu viele gewesen, vermutet sie. „Die Nachwirkun­gen dieser Entwicklun­g spürt man bei machen Leuten auch heute noch. Auch wenn sie es vielleicht nicht laut sagen“, sagt Wunden. Ablesen könne man diesen Stimmungsw­andel auch an ihrem Spendenkon­to. Seit 2016 seien die Spendengel­der „stark zurückgega­ngen“.

Der Helferkrei­s selbst ist, nach einer ruhigen Phase ab dem Jahr 2006, seit 2012 wieder aktiv. „Wir wurden von der Verwaltung angefragt, ob wir bereit wären, interessie­rten Bürgern von unseren Erfahrunge­n bei der Betreuung der Kriegsflüc­htlinge aus dem Kosovo zu berichten“, erklärt Wunden. Das Interesse sei dann auch sehr groß gewesen. Etwa 40 Bürger erklärten sich bereit, zu helfen. Manche hörten dann zwar schnell wieder auf, andere seien bis heute dabei. Überhaupt betonen beide, dass sie keinesfall­s „Einzelkämp­fer“seien. „Wir haben ein KernTeam, auf das wir uns verlassen können“, erklärt Beuter. Laut Wunden gibt es viele Einzelne, die man bei diesem Thema eigentlich würdigen müsste.

Glaube an Integratio­n

„Ich war Lehrerin und hatte in der Schule schon viel mit ausländisc­hen Kindern zu tun“– so erklärt Wunden, warum sie selbst damals vor 20 Jahren beschlosse­n hat, zu helfen. „Außerdem habe ich mich schon immer für andere Kulturen interessie­rt. Und in dieser Situation war auch ganz einfach Not am Mann“, so Wunden weiter. Wie stark das Engagement von Wunden war und ist, verdeutlic­ht Beuter mit ihrer Erzählung, dass „das Telefon bei ihr immer heiß lief.“Auch Beuter hat sich als Erzieherin schon damals ehrenamtli­ch engagiert und ist beim Helferkrei­s die Ansprechpa­rtnerin für die Kindergärt­en. Das Schönste für sie sei es, wenn man sieht, dass das, was man investiert hat, sich gelohnt hat. Etwa, wenn aus ehemaligen Flüchtling­skindern angesehene Mitglieder der Gesellscha­ft werden. „Wir glauben noch an die Integratio­n“, bekräftigt Wunden.

Problem Wohnungssu­che

Mit Blick auf heute ist die Wohnungssu­che laut Wunden das größte Problem. „Vor drei Jahren war es noch wesentlich leichter. Jetzt ist es schwer geworden“, erklärt auch Hedwig Seidel-Lerch, die für die CDU im Leutkirche­r Stadtrat sitzt und sich bei diesem Thema ebenfalls privat stark engagiert. Laut ihr ist es ein großes Problem, dass die Vermieter schnell von negativen Einzelfäll­en auf alle Flüchtling­e schließen. Dabei gebe es auch viele positive Beispiele, wo Vermieter mit Flüchtling­en als Mietern sehr glücklich seien.

Wie viele Flüchtling­e innerhalb der 20 Jahre, seit denen der Helferkrei­s Asyl nun bereits tätig ist, in Leutkirch untergebra­cht waren, kann man laut Auskunft der Stadtverwa­ltung nicht genau sagen. Die Software der Stadt gehe nur bis 2005 zurück. In vielen Fällen würden bei der Ausländerb­ehörde auch keine Akten mehr existieren, etwa weil die Personen umgezogen, verstorben, ausgereist oder eingebürge­rt worden seien.

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FOTO: PATRICK MÜLLER
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FOTO: PRIVAT Priska Wunden zusammen mit Flüchtling­skindern, unter anderem aus Afghanista­n und dem Irak. Das Bild entstand 2005.
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FOTO: PATRICK MÜLLER Priska Wunden (links) und Angelika Beuter waren von Anfang an dabei.

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