Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
20 Jahre Helferkreis Asyl Leutkirch
Helferkreis Asyl Leutkirch wird 20 Jahre alt – zwei Gründungsmitglieder blicken zurück
Gründungsmitglieder blicken zurück und erzählen, was sich verändert hat.
LEUTKIRCH - Mit Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo begann es im Frühjahr 1999: „Über 80 kamen plötzlich über Nacht“, erinnert sich Angelika Beuter. Kurz darauf entstand der Helferkreis Asyl Leutkirch. Beuter und Priska Wunden waren damals beim Start dabei – und sind es bis heute geblieben. Ein Blick zurück auf 20 Jahre, in denen sich viel verändert hat. Und auf die Probleme heute.
Vor dem Besuch in der SZ-Redaktion haben die beiden Damen zur Vorbereitung ihre Unterlagen aus den letzten 20 Jahren durchgeschaut. Was gar nicht so einfach gewesen sei. „Die Recherche hat sehr viel aufgewühlt“, sagt Beuter. Wunden nickt: „Ja, die Arbeit mit Flüchtlingen ist immer wieder mit Trennung und Abschied verbunden.“Es sei für sie immer wieder belastend, wenn Leute abgeschoben werden, um die man sich davor gekümmert habe, erklärt Beuter. Trotzdem finden sich in regelmäßigen Abständen Bürger, die beim Helferkreis Asyl mitmachen. Dieser beschreibt sich selbst als ein Zusammenschluss ehrenamtlicher Bürger mit dem Ziel, die in Leutkirch ankommenden und lebenden Asylbewerber in ihrer Integration und in ihren ersten Schritten an ihrem neuen Wohnort zu unterstützen.
Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo
Das erste Treffen fand im Frühjahr 1999 statt. „Etwa 20 Leute aus den verschiedensten Berufsgruppen waren da“, erklärt Beuter. Sie alle wollten den Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo helfen, die zu dieser Zeit nach Leutkirch kamen. Unter diesen waren vor allem Familien mit Kindern, erinnert sich Wunden. Bereits im April wurde dann über die evangelische Kirche ein Spendenkonto eingerichtet. Geholfen dabei hat laut Wunden auch die damaligen Pfarrerin Magdalena Autenrieth, die auch „maßgeblich“an der Entstehung des Helferkreises beteiligt gewesen sei. Da der Kosovokrieg noch im gleichen Jahr zu Ende ging, mussten viele Flüchtlinge schnell wieder zurück.
„Aber viele haben auch Asyl beantragt und sind geblieben“, sagt Wunden. Diese Familien würden zum großen Teil noch heute in Leutkirch leben und seien in der Regel bestens integriert. „Die Männer haben oft seit vielen Jahren einen festen Arbeitsplatz, die Kinder machen eine Ausbildung oder gehen teilweise auch auf das Gymnasium“, so Wunden. Ein Flüchtlingskind von damals sei inzwischen sogar Malermeister. „Der Betrieb, bei dem er noch heute angestellt ist, hat sich damals für ihn eingesetzt. Er durfte wegen seines Asylstatus erst keine Ausbildung machen“, erklärt Beuter. Natürlich mache es beide sehr froh, wenn sie sehen, wie gut es den ehemaligen Kriegsflüchtlingen heute geht. Auch mit Blick auf die heutige Situation. Denn das zeige, dass man nie weiß, wie es beim Thema Integration in zwanzig Jahren aussieht, selbst wenn aktuell nicht alles klappt. „Wir haben damals unseren Fokus darauf gelegt, dass die Kinder zur Schule gehen“, erinnert sich Beuter. Man habe die Flüchtlinge von Anfang an an die Hand genommen, und ihnen zum Beispiel gezeigt, wo die Schulen und Kindergärten sind. Offenbar hatte dieser Ansatz Erfolg. Mit vielen Familien seien sie nach wie vor in Kontakt und helfen ihnen beispielsweise noch bei Problemen mit der Bürokratie.
Was sich verändert hat
Was die Unterbringung und die Betreuung der Flüchtlinge anbelangt, sei heutzutage vieles besser organisiert. Während etwa 1999 zweimal ein Betreuer vom Landratsamt vorbeischaute, gebe es heute festangestellte Integrationsmanager. „Der Umgang mit den Flüchtlingen ist professioneller geworden“, erklärt Wunden mit Blick auf die Verwaltung.
Was sich allerdings auch geändert habe, sei die Stimmung innerhalb der Bevölkerung. 1999 sei diese „eher positiv“gewesen. „Es war für viele klar, dass man diesen Menschen helfen muss“, sagt Beuter. Auch 2012, als vermehrt Flüchtlinge aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan, Algerien und Roma-Familien aus Balkan-Ländern kamen, sei die allgemeine Stimmung noch gut gewesen. „Gekippt ist sie dann 2015“, so Wunden. Für die Mehrheit der Bevölkerung sind es wohl einfach zu viele gewesen, vermutet sie. „Die Nachwirkungen dieser Entwicklung spürt man bei machen Leuten auch heute noch. Auch wenn sie es vielleicht nicht laut sagen“, sagt Wunden. Ablesen könne man diesen Stimmungswandel auch an ihrem Spendenkonto. Seit 2016 seien die Spendengelder „stark zurückgegangen“.
Der Helferkreis selbst ist, nach einer ruhigen Phase ab dem Jahr 2006, seit 2012 wieder aktiv. „Wir wurden von der Verwaltung angefragt, ob wir bereit wären, interessierten Bürgern von unseren Erfahrungen bei der Betreuung der Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo zu berichten“, erklärt Wunden. Das Interesse sei dann auch sehr groß gewesen. Etwa 40 Bürger erklärten sich bereit, zu helfen. Manche hörten dann zwar schnell wieder auf, andere seien bis heute dabei. Überhaupt betonen beide, dass sie keinesfalls „Einzelkämpfer“seien. „Wir haben ein KernTeam, auf das wir uns verlassen können“, erklärt Beuter. Laut Wunden gibt es viele Einzelne, die man bei diesem Thema eigentlich würdigen müsste.
Glaube an Integration
„Ich war Lehrerin und hatte in der Schule schon viel mit ausländischen Kindern zu tun“– so erklärt Wunden, warum sie selbst damals vor 20 Jahren beschlossen hat, zu helfen. „Außerdem habe ich mich schon immer für andere Kulturen interessiert. Und in dieser Situation war auch ganz einfach Not am Mann“, so Wunden weiter. Wie stark das Engagement von Wunden war und ist, verdeutlicht Beuter mit ihrer Erzählung, dass „das Telefon bei ihr immer heiß lief.“Auch Beuter hat sich als Erzieherin schon damals ehrenamtlich engagiert und ist beim Helferkreis die Ansprechpartnerin für die Kindergärten. Das Schönste für sie sei es, wenn man sieht, dass das, was man investiert hat, sich gelohnt hat. Etwa, wenn aus ehemaligen Flüchtlingskindern angesehene Mitglieder der Gesellschaft werden. „Wir glauben noch an die Integration“, bekräftigt Wunden.
Problem Wohnungssuche
Mit Blick auf heute ist die Wohnungssuche laut Wunden das größte Problem. „Vor drei Jahren war es noch wesentlich leichter. Jetzt ist es schwer geworden“, erklärt auch Hedwig Seidel-Lerch, die für die CDU im Leutkircher Stadtrat sitzt und sich bei diesem Thema ebenfalls privat stark engagiert. Laut ihr ist es ein großes Problem, dass die Vermieter schnell von negativen Einzelfällen auf alle Flüchtlinge schließen. Dabei gebe es auch viele positive Beispiele, wo Vermieter mit Flüchtlingen als Mietern sehr glücklich seien.
Wie viele Flüchtlinge innerhalb der 20 Jahre, seit denen der Helferkreis Asyl nun bereits tätig ist, in Leutkirch untergebracht waren, kann man laut Auskunft der Stadtverwaltung nicht genau sagen. Die Software der Stadt gehe nur bis 2005 zurück. In vielen Fällen würden bei der Ausländerbehörde auch keine Akten mehr existieren, etwa weil die Personen umgezogen, verstorben, ausgereist oder eingebürgert worden seien.