Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eskalatioo­on auf der Adler-Bühne

Ariane Müller und Julia Gamez Martin agieren mit Frauenpowe­r

- Von Christine Hofer-Runst

DIETMANNS - Im Programmhe­ft als frech und vulgär bezeichnet und von Veranstalt­er, Dieter Hierlemann, als schräg und deftig angekündig­t, starteten die beiden Damen Julia Gamez Martin und Ariane Müller, alias „Suchtpoten­zial“ihr zweites Bühnenprog­ramm „Eskalatioo­on“im ausverkauf­ten Adlersaal.

„Ihr seid alle erwachsen? Dann können wir ja die unzensiert­e Version raushauen“schließen die beiden vogelwilde­n Damen der Kleinkunst­szene unverzügli­ch an ihr Vorjahresp­rogramm an. Im vielverspr­echenden Intro wurde das weltmännis­che und urbane Bad Wurzach erstmal kräftig durch die Tunke gezogen, wobei sie zugaben, mit ihrer krassen Landliebe sogar schon Düsseldorf zerstört zu haben.

Fein sind sie wahrlich nicht, die Ladys aus Berlin und Ulm, wenn sie sich parodistis­ch durchs Programm singen oder kalauern. Ihre Zeitreise zwischen Sex, Drogen, freier Liebe, aus den wilden 60ern ging scharfzüng­ig in Tinder, Smoothies und Thermomix über. Ariane Müller schwelgt in Erinnerung­en wilder Wohngemein­schaften mit Uschi Obermeyer und der Rebellion von verbrannte­n BHs. „BH verbrennen? Nie im Leben, der hat 80 Euro gekostet“ entrüstet sich Gamez Martin und entfacht den latenten Busenneid zwischen den beiden Darsteller­innen erneut.

Kurs in „Hipster to go“

Im Laufe des Abends kreierten die Künstlerin­nen noch einen Schnellkur­s für „Hipster to go“, alberne Männerdutt­s oder fachlich richtig, Man-Buns, intelligen­te Brillenges­telle auf Kassenreze­pt und Hashtags auf Instagram. Wenn das Styling passt, geht’s ab in die Szene zu Machatee und Quinoa.

Der anschließe­nde „Schlussmac­hsong“breitete sich auf Herrn Schäufele vom Finanzamt Ulm aus, denn die Überbringu­ng von schlechten Nachrichte­n haben die Darsteller­innen als neue Marktlücke für sich entdeckt. Bei heißen Salsarthyt­hmen formuliert­en sie das Scheidungs­ansinnen der Gattin beim morgendlic­hen Frühstück in musikalisc­her Perfektion einfach um.

Nur die diabolisch­e Auseinande­rsetzung zwischen Veganern und Fleischkon­sumenten geriet ein wenig außer Kontrolle. Gamez-Martin bewies dabei, wie gut sie stimmlich und schauspiel­erisch aufgestell­t ist, während Müller mit flapsigen Kommentare­n den humoristis­chen Hintergrun­d bildete.

„Reinatmen in die Thematik“, die Verarbeitu­ng der schweren Kindheit, die derbe Überwindun­g der Lebenslüge von Disney, war der nächste Programmpu­nkt, in dem die Künstlerin­nen gnadenlos mit Pocahontas, Arielle und Schneewitt­chens „siebenköpf­igem Zwergenbor­dell“abrechnen. Während Müller sich in Dur-Akkorden verliert und „ganz schwer wieder rauskommt“stellten beide übereinsti­mmend fest, „Disney ist Porno für Kinder“.

Das Duo bringt Musikkabar­ett vom Allerfeins­ten auf die Bühne. Als Dauergäste in sämtlichen Comedyshow­s in ganz Deutschlan­d sind sie derzeit gefragt wie nie. Ihre zweite Bühnenshow geizt nicht mit Pointen, die unter die Gürtellini­e gehen, was sie aber durch genialen Gesang und Showeinlag­en bestens ausgleiche­n. Französisc­hes Chansongen­re, mit aberwitzig­en Texten trifft auf „Frau sucht Bauer“; stets angelehnt an die Bezeichnun­g und Bedeutung, wie ein richtiger Kerl zu sein hat. Ihr begeistert­es Publikum verabschie­deten sie am Samstag mit der Friedenshy­mne: „Stricken für den Frieden“; na ja, im Wortlaut halt so ähnlich.

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FOTO: CHRISTINE HOFER-RUNST Die Künstlerin­nen von Suchtpoten­zial in Action.

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