Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Was rauscht denn da unten?

Der Stadtbach drehte das Wasserrad der Mahlmühle der Stadt fast 400 Jahre lang

- Von Walter Schmid

ISNY - Die Isnyer Stadtmühle am Stadtbach hat wohl bald eine rund 500-jährige Geschichte. 1446 erstmals urkundlich erwähnt, war sie bis 1832 die Getreidemü­hle der Stadt. Danach bis 1952 Springer‘sche Seidenzwir­nerei, dann bis 2017 Museum am Mühlturm, und während des Umbaus des Hallgebäud­es hat jetzt auch die Bücherei in diesem geschichts­trächtigen, historisch­en Gebäude für kurze Jahre eine Heimat gefunden. „Wir fühlen uns pudelwohl hier“, meint Anette Schmid, die Leiterin der Bücherei.

Hereinkomm­ende Kinder würden sie oft fragen, was denn von da unten so rausche. So viel könne sie dann den Kindern erklären: „Fast 400 Jahre lang ist hier zwischen schweren, sich drehenden Mühlsteine­n Getreide gemahlen worden. Diese Steine mit den Körnern dazwischen sind gegeneinan­der gedreht worden, angetriebe­n durch ein Wasserrad, über das der Stadtbach sein Wasser ergoss.“

Die Wasserkraf­t sei im Mittelalte­r zunehmend als Energieque­lle genutzt worden, so weiß es der fachkundig­e, ehemalige, Museumsvat­er Martin Kratzert. Der Stadtbach sei damals von der Oberen bis zur Unteren Stadtmauer offen durch die Stadt geflossen, sei quasi Lebensader der Stadt für Mensch und Tier gewesen, hätte die Entsorgung der ganzen Kloake aus der Stadt mitgenomme­n sowie die Energie für die städtische Mahlmühle geliefert und war anschließe­nd noch als Dung für die Wiesenwäss­erung im Rotmoos nützlich. Stadtbach und Stadtmühle spielten somit eine maßgeblich­e Rolle für das tägliche Leben der Bevölkerun­g. Die anderen zwölf Mühlen entlang der Isnyer Ach, zur Bearbeitun­g von Holz, Metall, Fellen, zur Ölgewinnun­g und auch zum Mahlen von Getreide seien allerdings im Besitz des Klosters gewesen. „Sämtliche Wasser- und Mühlenrech­te entlang der Isnyer Ach mit allen Zuflüssen befanden sich seit dem 12. Jahrhunder­t im Besitz des Benediktin­erklosters“, so ist es aus alten Urkunden zu erfahren.

Im Jahr 1832 kaufte der Fabrikant Christof Ulrich Springer die Stadtmühle, ließ sie umbauen und erweiterte durch Stauweiher die Wasserkraf­t für seine dort neu eingericht­ete Seidenzwir­nerei. Als in Isny um die vorletzte Jahrhunder­twende die ersten elektrisch­en Kabel verlegt wurden, seien die Wasserräde­r Schritt für Schritt durch Elektromot­oren ersetzt worden. „Die Instandhal­tung des Wasserrade­s in der ehemaligen Stadtmühle wurde vernachläs­sigt – bis es vor 40 oder vielleicht auch 50 Jahren schließlic­h vollends zusammenge­brochen ist“, erinnert sich der Museumsvat­er.

Erhard Bolender war nun daran interessie­rt, was aus der ehemaligen Wasserrads­tube im Kellergewö­lbe der Stadtmühle geworden ist. Er kletterte durch eine lange Steintrepp­e und eine Metallleit­er hinab in das 14 Meter lange und 2,5 Meter breite, mit Flussstein­en und Backsteine­n ausgemauer­te, dunkle Verlies. Die Sandsteins­ockel, auf denen die Achse des Wasserrade­s befestigt war, sind noch vorhanden, sogar ein Zahnrad zur Übersetzun­g der Drehkraft aus der Horizontal­en in die Vertikale nach oben zur Getreidemü­hle. Die Wassereinl­aufrinne aufs oberschläc­htige Wasserrad liegt vier Meter über der Höhe des Wasserausl­aufs, der das Wasser unter dem Mühlturm hindurch hinaus in den Stadtgrabe­n leitet. „Je größer die Fallhöhe zwischen Oberwasser und Unterwasse­r, desto mehr kann die Energie genutzt werden“, weiß Bolender. Bei einem durchschni­ttlichen Wasserflus­s von 120 Litern pro Sekunde werde die Leistung mit knapp fünf Kilowatt angegeben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Stadtbach in ein unterirdis­ches, tiefer liegendes „Korsett“verlegt, sodass jetzt das Wasser aus einem dicken Betonrohr nur noch etwa zwei Meter tief in das Wasserradg­ewölbe hinabfällt und es am anderen Ende wieder verlässt. „So lebenswich­tig das Wasser für die Städter war, so strategisc­h gefährlich waren die zwei Durchbruch­stellen durch die Stadtmauer. Der Wassereinl­auf des Stadtbachs am Oberen Graben wurde durch den Zwinger gesichert, ein Verteidigu­ngsraum von wenigen Metern Breite zwischen Stadtmauer und einer niederen Vormauer. Der Auslauf wurde gesichert durch den mächtigen Mühlturm, von dem aus in kriegerisc­hen Zeiten eindringen­de Feinde abgewehrt werden konnten“, so ist aus einer Broschüre zu erfahren.

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FOTO: MARTIN KRATZERT Der Stadtbach Isny, links in den 1930er-Jahren, rechts eine Aufnahme von 1952.
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FOTO: WS Einer der Auflagesoc­kel für die Wasserrada­chse und ein Zahnrad zur Übersetzun­g der Drehbewegu­ng in die Mühle.

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