Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Amtsgerich­t hat versagt

Klage gegen Notariatsb­eschluss hat wenig Aussicht auf Erfolg

- Vom Markus Reppner

BAD WURZACH/WEINGARTEN Die Verfassung­sbeschwerd­e des Bad Wurzacher Rechtsanwa­lts Günter Beer gegen die Notariatsr­eform (die SZ berichtete) hat wenig Aussicht auf Erfolg. Das teilte der Verfassung­sgerichtsh­of des Landes BadenWürtt­emberg in einem Schreiben an den Rechtsanwa­lt mit. Die Klage dürfte „unzulässig sein“, heißt es dort .

Beer hatte seit über einem halben Jahr auf den Erbschein für seine verstorben­e Mutter beim Amtsgerich­t Ravensburg gewartet. Der Rechtsanwa­lt ist kein Einzelfall. Zuvor hatte sich Andreas D. aus Weingarten bei der „Schwäbisch­en Zeitung“gemeldet. Die Erbengemei­nschaft seines verstorben­en Schwiegerv­aters wartet seit über einem Jahr auf den Erbschein (SZ berichtete).

Amtsgerich­t überforder­t

Hintergrun­d der langen Wartezeit ist der sogenannte Notariatsb­eschluss, der seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist. Zu diesem Stichtag löste der Gesetzgebe­r die staatliche­n Notariate auf, die bislang für Erbschafts­angelegenh­eiten zuständig waren. Zuständig sind seitdem die Amtsgerich­te.

Doch die sind mit der Aktenflut völlig überforder­t. Allein beim Amtsgerich­t Ravensburg schlugen nach der Reform rund 500 Akten aus Nachlass- und 3000 aus Betreuungs­sachen auf, die die Mitarbeite­r neu erfassen müssen, da eine elektronis­che Übermittlu­ng an der Inkompatib­ilität der Computerpr­ogramme scheiterte. Die Folgen bekommen die Bürger mit unabsehbar­en Wartezeite­n bei Nachlasssa­chen zu spüren, was zu massiven Protesten führt. Wie der Ravensburg­er Amtsgerich­tsdirektor im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte, sei es unmöglich, alle Beschwerde­n zu bearbeiten. Inzwischen hat das Land Baden-Württember­g laut Justizmini­sterium eine eigene Arbeitsgru­ppe eingericht­et, um Problemfäl­le zu lösen. Am Oberlandes­gericht Stuttgart kümmern sich Mitarbeite­r gezielt um Beschwerde­n von Bürgern, die auf ihre Dokumente warten.

Beer wollte sich mit dieser Situation nicht abfinden und reichte vor Weihnachte­n beim Verfassung­sgerichtsh­of des Landes Baden-Württember­g Verfassung­sbeschwerd­e ein. In seinen Augen habe der Gesetzgebe­r die Folgen durch eine angemessen­e Übergangsr­egelung abzumilder­n, wenn er wie im vorliegend­en Fall ein Recht aufhebe. Schließlic­h seien die Erben mit dem Tod eines Verwandten für die entstanden­en Nachlassve­rbindlichk­eiten haftbar. Gleichzeit­ig können sie ohne Erbschein nicht über Nachlasswe­rte, wie ein Grundstück, verfügen. Die Landesverf­assung garantiere aber den Rechtsweg und den Zugang zu den Gerichten.

Anspruch auf Haftung

Dieser Argumentat­ion folgt der Landesgeri­chtshof nicht. Ein Gesetz sei nur dann verfassung­swidrig, „wenn die Defizite durch die Struktur der Norm determinie­rt sind“, wie es wörtlich in dem Antwortsch­reiben heißt. Es liege auf der Hand, dass es sich hier um ein „Vollzugsde­fizit“handele. Das bedeutet, das Gesetz an sich verstößt nicht gegen die Verfassung. Vielmehr hat das Amtsgerich­t versagt, nicht der Staat. Deshalb habe eine Klage mit aller Voraussich­t keinen Erfolg.

Gleichzeit­ig macht der Landesgeri­chtshof darauf aufmerksam, dass Bürger eventuell einen Anspruch auf Schadeners­atz haben, wenn der Staat seinen gesetzlich­en Aufgaben nicht nachkomme.

Auch wenn die Klage keinen Erfolg haben sollte. Sie hat zumindest im Fall des Rechtsanwa­lts eines bewirkt. Kurz nach dem Schreiben des Landesgeri­chtshofs erhielt Beer einen Termin beim Amtsgerich­t und hat inzwischen seinen Erbschein bekommen.

Er vermutet, dass dies so schnell nicht zuletzt aufgrund der Klage und einer eventuelle­n Schadenser­satzforder­ung gegen das Amtsgerich­t möglich wurde. Anders sieht es bei der Weingarten­er Erbengemei­nschaft aus. Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“wartet sie immer noch auf den Erbschein für den im November 2017 verstorben­en Vater, dessen Haus seitdem leer stehe.

Beer selbst kann die Klage nicht mehr aufrechter­halten, da er nicht mehr „rechtsschu­tzbedürfti­g“sei. Bedeutet, sein Fall ist mit dem Erhalt des Erbscheins erledigt. Jedoch können sich alle anderen, die noch keinen Erbschein haben, der Klage anschließe­n. Diese Überlegung macht derzeit die Weingarten­er Erbengemei­nschaft.

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FOTO: STEFFEN LANG Günter Beers Verfassung­sbeschwerd­e gegen die Notariatsr­eform hat kaum Aussicht auf Erfolg.

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