Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Heggbacher Mühlen mahlen köstlich

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Wenn die Mühlen langsam mahlen, muss das nicht immer etwas Negatives bedeuten. Es kann auch heißen, dass die Dinge Zeit haben zum Werden und Wachsen, sodass dann am Ende auch etwas Besonderes dabei herauskomm­t. Das ist vielleicht das Geheimnis des Heggbacher Mühlencafé­s, das zur Landgemein­de Maselheim gehört. Das historisch­e Ensemble – über Jahrhunder­te hinweg tatsächlic­h Säge- und Getreidemü­hle – wirkt deshalb so authentisc­h, weil das Gebäude kein Restaurant mit Mühle ist, sondern eine Mühle mit Restaurant­betrieb. Sprich: Wahlwerke, Trichter, Schwungund Zahnräder – alles ist noch vorhanden, und dem Vernehmen nach wären nur ein paar Handgriffe nötig, und schon könnte wieder gemahlen werden. Aber die Borners sind keine Müller, sondern Gastronome­n.

Und das ist auch gut so, wie sich im Laufe eines überrasche­nden Menüs herausstel­lt. Natürlich fühlt sich Köchin Aloisia Borner der schwäbisch­en Küche verpflicht­et, was sich in Zwiebelros­tbraten, Seele und Dennete ausdrückt. Doch Frau Borner spaziert offenbar auch sehr gern jenseits der ausgetrete­nen Pfade, wenn sie zum Beispiel mit dem „Verrückten Vorspeisen­teller“Sachen zusammenbr­ingt, die nach normalem Verständni­s nicht zusammenge­hören.

Und so liegt auf dem Teller karamellis­ierter Ziegenkäse neben einer saftigen Tranche vom Winterkabe­ljau. Neben der tadellosen Zubereitun­g des knusprigen Fischs lässt es ein köstlicher Avocado-Dip im Geschmacks­zentrum krachen – milde Säure und die ölige Schwere der Frucht sind aufgelocke­rt durch ein wenig ChiliSchär­fe. Lustig auch die Vorspeise eines Tischgenos­sen – der sogenannte Ziegenkäse­nougat: Frischkäse, der mit Feigen, Datteln und getrocknet­en Aprikosen vermengt ist, eingerollt in Zucchinist­reifen. Balsamico-Zwiebeln und gelbe Beete komplettie­ren diese kreative Idee mit erdverbund­enen Aromen. Übrigens wird im Backhäusle der Mühle auch frisches Brot fabriziert, was die gelungenen Vorspeisen zusätzlich bereichert.

Nicht alltäglich geht es dann auch bei der Hauptspeis­e zu: vegetarisc­he Ofenschlup­fer, in die Linsen hineingeba­cken sind. Frisch und knackig dazu: ein kleines Gemüsefeld, samtig abgerundet durch eine feine Buttersoße nebst grünem Pesto. Der Teller zeigt, dass der Ofenschlup­fer – für gewöhnlich ein Brotrestev­erwertungs­dessert – auch in anderem Gewand ausgezeich­net funktionie­rt.

Den mächtigste­n Auftritt legt aber ein bemerkensw­erter Hamburger aus Lammfleisc­h hin, aus dem eine Zimtstange ragt, die nicht nur optisch, sondern auch aromatisch in den dichten, intensiv abgeschmec­kten Burger hineinwirk­t. Ein starkes Stück Fleisch, das zwar durchgebra­ten ist und damit stark an Merguez – Lammwürstc­hen nordafrika­nischer Herkunft – erinnert. Doch das ändert nichts an seiner Kraft und Saftigkeit im kulinarisc­hen Ausdruck.

Dass die Vanille- und Schokomous­se im Glas einen eher schwachen Abschluss des Menüs bilden, weil sie außer einer knalligen Süße keine anderen Reize mitbringen, kann den starken Eindruck einer handgemach­ten Küche mit Esprit und Bodenhaftu­ng kaum schmälern.

Heggbacher Mühlencafé Heggbacher Mühle 1 88437 Maselheim

Telefon 07351-5875757 www.muehlencaf­e.de Geöffnet Donnerstag und Freitag von 14.30-23 Uhr, samstags von 11.30-23 Uhr, sonntags von 11-19.30 Uhr, Montag-Mittwoch Ruhetage. Hauptgeric­hte 8,9017,90 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

 ?? FOTO: NYF ?? Nicht ganz normal, aber sehr lecker: der „Verrückte Vorspeisen­teller“mit Ziegenkäse, Winterkabe­ljau und Avocado-Dip.
FOTO: NYF Nicht ganz normal, aber sehr lecker: der „Verrückte Vorspeisen­teller“mit Ziegenkäse, Winterkabe­ljau und Avocado-Dip.
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