Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Harmonisch­es Fahren in sportliche­m Gewand

Mit der zehnten Generation des Civic will Honda dem Dieselfrus­t trotzen

- Von Anton Fuchsloch

Verkäufer von Dieselfahr­zeugen haben es nicht gerade leicht gehabt im vergangene­n Jahr: Selbst wenn das Auto die aktuelle Abgasnorm Euro 6d-TEMP erfüllte, mit günstigem Verbrauch glänzte und ordentlich Kraft auf die Räder brachte, hielt sich die Kundschaft stark zurück. Die Zahl der Neuzulassu­ngen befand sich aufgrund von Fahrverbot­en und Skandalen im Sinkflug, zog erst im Januar wieder an. Namhafte Hersteller wie Toyota oder Volvo kündigten an, sich im europäisch­en Pkw-Segment von der Technologi­e ganz zu verabschie­den. Selbst Honda strich im neuen CR-V den Diesel. Im Civic erlebt der Selbstzünd­er jedoch eine Renaissanc­e. Mit einem aufgeladen­en 1,6 Liter Motor, ausgesproc­hen sportliche­m Outfit und einer feinen 9-Gang-Automatik des ZF-Konzerns aus Friedrichs­hafen verspricht der kompakte Japaner Diesellust statt Dieselfrus­t.

In Sachen Umweltvert­räglichkei­t will Honda jeden kleinen Zweifel zerstreuen. Dank Partikelfi­lter und NOx-Speicherka­talysator erfüllt der neue Motor die Emissionsn­orm 6dTEMP. Bemerkensw­ert dabei: Dies geschieht ohne Verwendung eines SCR-Katalysato­rs, der Stickoxide mithilfe einer Harnstoffl­ösung herausfilt­ert. Das spart einen separaten Tank und senkt die Betriebsko­sten. Wie lange Filter und Kat durchhalte­n, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Auf winterlich­en Testfahrte­n durch Oberschwab­en und durchs Allgäu lässt sich der Civic angenehm, flott und sicher bewegen. Das Knurren des 120 PS starken Motors hält sich in Grenzen und verschwind­et bei höheren Drehzahlen nahezu ganz. Dass ein eher unaufgereg­tes Aggregat unter der Haube arbeitet und die straffe Federung direkte Rückmeldun­g von der Fahrbahn gibt, erweist sich bei schwierige­n Straßenver­hältnissen als Segen. Trotz seines stattliche­n Drehmoment­s von maximal 300 Nm entfaltet der Motor seine Kraft eher linear. Von einem Turboloch ist nichts zu spüren.

Zu diesem harmonisch­en Fahreindru­ck mag das Zusammensp­iel mit der 9-Gang-Automatik (9HP) beitragen. Dieses in Friedrichs­hafen entwickelt­e und seit 2013 in den USA gefertigte Getriebe nutzen neben Honda auch Fiat Chrysler und Land Rover. Statt mit einem Hebel oder Knauf werden die Fahrmodi mit Tasten auf der Mittelkons­ole vorgewählt. Wer mag, kann über Wippen am Lenkrad die Gänge manuell einlegen. Auch wenn Honda die zehnte Civic-Generation als die „sportlichs­te aller Zeiten“bezeichnet, bleibt der 1,6 Liter Diesel trotz Turbo dynamisch eher zurückhalt­end. Das mag dem Charakter des geschärfte­n Rallye-Designs nicht ganz gerecht werden. Doch an der Zapfsäule macht sich die Motorisier­ung bezahlt. Mit 5,9 Litern auf 100 km – gemessen bei winterlich­en Straßenver­hältnissen – zeigt sich der Diesel genügsam.

Optisch macht der neue Civic was her. Die Frontparti­e bohrt sich quasi in den Asphalt, während sich das Heck mit dem schwebende­n Spoiler über der Heckklappe und den pfeilartig ausgestell­ten Rückleucht­en mächtig aufbaut. Modelliert­e Lufteinläs­se in Wabenstruk­tur vorne und hinten unterstrei­chen zumindest optisch die Sprinterei­genschafte­n des neuen Civic. Das Fahrwerk ist sportlich straff ausgelegt, und die Lenkung reagiert direkt, sodass die 17 Zoll Räder auch in engen Kurven in der Spur bleiben.

Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist der neue Civic länger (+136 mm), breiter (+30 mm) und niedriger (-20 mm). Das macht sich auch im Innern bemerkbar. Man sinkt tief in die Sitze, deren Position sich ausgesproc­hen sportlich anfühlt. Sogar im Fond ist der Platz für groß gewachsene Passagiere ausreichen­d. Schade nur, dass Honda im neuen Civic keine Magic Seats mehr anbietet. Die komplett nach oben klappbare Sitzfläche der Rückbank konnte den Fahrradträ­ger ersetzen und erwies sich bei sperriger Ladung als ideal. Die Rücksitzle­hnen sind im Verhältnis 60:40 nach vorne klappbar und erweitern den Laderaum von 478 Liter auf bis zu 1245 Liter. Die Heckklappe ist breit, die Ladekante ist mit knapp 68 Zentimeter­n angenehm niedrig. Bis auf dezente Carbon- und Aluleisten und aufgedruck­te Nähte zeigt sich das Ambiente nüchtern.

Die Instrument­e im neuen Civic sind komplett digital. Honda beschränkt die Spielereie­n damit weitgehend auf den Verbrauch, der permanent mit einem Balkendiag­ramm angezeigt wird. Die Anbindung des Smartphone an das Infotainme­ntsystem geht ruckzuck. Ein 7 Zoll großer berührungs­empfindlic­her Bildschirm auf der Mittelkons­ole ist zwar gut einsehbar, aber die Bedienung ist komplizier­t. Während des Fahrens sollte man die Finger davon lassen. Wir bevorzugen Sprachbefe­hle, die meist erhört werden, und nutzen die Tasten am Lenkrad. Telefon, Lautstärke und die Aktivierun­g von diversen Assistente­n lassen sich mit zwei Daumen steuern ohne die Hand vom Lenkrad oder die Augen von der Straße nehmen zu müssen.

Serienmäßi­g bietet Honda im Civic elektronis­che Helferchen, die sich andere Hersteller als Sonderauss­tattung vergüten lassen. Unter anderem sind ein aktiver Spurhaltea­ssistent und ein adaptiver Geschwindi­gkeitsregl­er an Bord. Nur der Tote-Winkel- und der Ausparkass­istent sind höheren Ausstattun­gslinien vorbehalte­n. Irritieren­d: Das Kollisions­warnsystem erweist sich als hypersensi­bel, und die Warnung vor einem nahenden Objekt leuchtet auch schon mal bei Starkregen auf. Den neuen Honda Civic gibt es ab 23 490 Euro. Mit Sechsgang-schaltung ist er knapp 2000 Euro günstiger. Als Benziner (1 Liter Hubraum, 126 PS) startet der Civic bei 19 990 Euro. Angeboten wird der Civic als Fünftürer und als viertürige Stufenheck­limousine in fünf Ausstattun­gsvariante­n. Sonderauss­tattungen beschränke­n sich auf Felgen, Farben und Leder. Gebaut wird der Fünftürer in Swindon (Großbritan­nien), die Limousine läuft in Gebe (Türkei) vom Band.

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FOTOS: HONDA MOTOR EUROPE Der Honda Civic vermittelt auch dank der in Friedrichs­hafen entwickelt­en 9-Gang-Automatik einen harmonisch­en Fahreindru­ck.
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Das Cockpit wirkt im Vergleich zum sportliche­n Äußeren nüchtern.
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Die Tasten am Lenkrad erweisen sich als praktisch.

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