Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Nach 36 Stunden rückt der letzte Feuerwehrmann ab
Schaden bei Großbrand in Sassen wird laut Polizei auf 1,5 Millionen Euro geschätzt – Ärger über Gaffer auf Straße
MECKENBEUREN - Nach fast 36 Stunden haben die Feuerwehrkräfte am Montagmorgen die Löscharbeiten in Sassen beendet. Im Meckenbeurer Ortsteil bei Sibratshaus war am Samstagabend auf einem Hof ein Feuer ausgebrochen: Der Schaden wurde laut Polizei auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Von 160 Rindern, Kälbern und Pferden konnten 120 gerettet werden, 40 Tiere starben.
Neun Aspekte dazu:
Die Fakten: Am Samstag um 18.14 Uhr wird Meckenbeurens Feuerwehr zunächst mit dem Stichwort F1 Kleinbrand durch die Integrierte Leitstelle Bodensee-Oberschwaben alarmiert. Das Feuer erlangt innerhalb kürzester Zeit enorme Ausmaße, die Rauchwolke ist weithin sichtbar und führt zu Warnungen, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Was über die Warn-App NINA um 23.50 Uhr wieder aufgehoben wird.
Die Bewohner des Bauernhofes bleiben zum Glück unverletzt, alle werden vom Notfallnachsorgedienst betreut. Dank des tatkräftigen Einsatzes der Feuerwehren kann das Wohnhaus gerettet werden. Ein Raub der Flammen werden die Maschinenund Lagerhalle sowie die Stallung mit Heulager. Schwer beschädigt ist das Gebäude, in dem die Brennerei untergebracht war.
Die Schnelligkeit: Das Feuer bricht in der Maschinen- und Lagerhalle aus. Mit welcher Rasanz es sich entwickelt, ist mit Worten schwer zu beschreiben. Reichlich Nahrung aus trockenem Stroh sowie ein aus Süden wehender Wind fachen es in kürzester Zeit zu einem Großbrand an, steht im Bericht der Feuerwehr. Im Gedächtnis ist Kommandant und Einsatzleiter Stefan Amann, wie der Wind die Flammen auf den Giebel des Stalles gedrückt hat.
Die Alarmkette: Mit den ersten Einsatzkräften ist Stefan Amann vor Ort. Beim ersten Augenschein erhöht er das Alarmstichwort auf F3 Ökonomiegebäude. Damit einher geht der Gesamtalarm für die Feuerwehr Meckenbeuren, und auch umliegende Feuerwehren und Hilfsorganisationen werden in Gang gesetzt – so die Drehleiter in Tettnang.
Die Einsatzkräfte: Insgesamt sind 175 Frauen und Männer mit 35 Fahrzeugen der Wehren aus Meckenbeuren, Eriskirch, Tettnang, Kressbronn, Friedrichshafen, Markdorf sowie der Werksfeuerwehr BodenseeAirport Friedrichshafen im Einsatz. Sechs von ihnen werden beim Löschen leicht verletzt, bestätigt Amann – sie seien inzwischen aber alle wieder zu Hause und wohlauf. Je zwei Helfer mussten mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung und mit Kreislaufproblemen ins Krankenhaus, je eine Person mit Verbrennungen und Quetschungen.
664 Likes sind es am Montagabend zum Beitrag auf der Facebook-Seite der Meckenbeurer Feuerwehr – zu verstehen als großes Dankeschön für die aufopfernde Arbeit der ehrenamtlichen Helfer. Dazu gehören natürlich auch die 40 Kräfte von Polizei und Deutschem Roten Kreuz, denen ebenfalls hochprofessionelle Arbeit bescheinigt wird. Letztere sind unter anderem für die Überwachung der 40 Atemschutztrupps zuständig.
Der Tag danach: Auf Wunsch des Eigentümers stellt die heimische Wehr von Sonntag auf Montag noch eine Brandwache, wie Stefan Amann berichtet. Sie rückt gegen 5.45 Uhr ab, als es hell wird. Zu tun hatte sie immer wieder – mit dem Ablöschen von Glutnestern.
Wie der Kommandant auf SZ-Anfrage mitteilt, konnten die geretteten Tiere in freien Stallungen im Familienkreis des Hofbesitzers untergebracht werden.
Die Ursache: Sie ist weiter ungeklärt. Experten der Kriminalpolizei Friedrichshafen haben Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft schaltete zudem einen Gutachter ein. Wie von der SZ vermeldet, ist eine mögliche Selbstentzündung im Heu Gegenstand der Ermittlungen (als eine von mehreren denkbaren Ursachen), das bestätigt Oliver Weissflog am Montag. Für die Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium Konstanz verweist er darauf, dass es dazu Hinweise gebe, die im Zuge der Ermittlungen geprüft würden – „und die brauchen Zeit“.
Keinen Hinweis gebe es hingegen auf Fremdeinwirkung, sagt Oliver Weissflog. Revidiert werden musste daher auch die Meldung einer Nachrichtenagentur, wonach das Gebäude angezündet worden sei.
Die Wasserversorgung: Sie hatte Hydranten im Hof und im Gehweg an der Mariabrunner Straße als Anlaufpunkte – und natürlich die Tanklöschfahrzeuge (allein 12 000 Liter im „Panther“, der vom Flughafen herbeigeeilt war). Im Pressebericht der Feuerwehr heißt es: „Aufgrund der ländlichen Lage des Einsatzobjekts erfolgte die Brandbekämpfung zunächst
über die Löschwasservorräte der Einsatzfahrzeuge.“Aufgrund der benötigten Menge sei zugleich eine Wasserversorgung über mehrere 100-Meter-Wegstrecke von der Schussen und von Kau her sichergestellt worden.
Von der SZ befragt schätzt Amann die abgegebene Wassermenge auf 5000 bis 10 000 Liter – je Minute. Die Tiere: Bis es an die Grenzen der Eigensicherung ging – solange haben die Feuerwehrkräfte mitunter versucht, die Tiere aus dem brennenden Gebäude zu retten. Was sich nach Augenzeugenberichten vor allem bei Kälbern schwierig gestaltete, die teilweise zurück in die Stallungen drängten. Einige Tiere mussten wegen ihrer Brandwunden von einem Tierarzt getötet werden
Die Reaktionen im Netz: Vier Aspekte dominieren in den InternetForen: das Mitgefühl für die Menschen auf dem Hof, die Trauer um die verendeten Tiere, das Unverständnis für die Gaffer (siehe unten) und der Dank für die Helfer: „Ihr seid einfach HeldInnen und das ehrenamtlich“, dieser Kommentar unter dem SZ-Beitrag fasst es trefflich zusammen.
Die Gaffer: Unverständnis und Zorn ergänzen sich angesichts der Schaulustigen online. „Ich will mich nicht am Leid von anderen laben“, erklärt eine Kommentatorin, warum sie über Reute heimgefahren sei, um niemandem im Weg zu sein. Andere spekulieren, welcher Geldbetrag als Strafe angemessen sei, und im Post der Feuerwehr Sonthofen heißt es: „Die Schaulustigen sollen sich bei den Feuerwehren melden und aktiv mitmachen, dann sind sie das nächste Mal ganz vorn mit dabei – Respekt für Eure Leistung“, dies den Wehren.
Auch Amann weiß von Situationen, in denen „auf Passanten eingewirkt werden musste“. Dazu mochte auch mal ein „heftiger Wortwechsel“gehören – „und dann war es das“.