Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Ich mach’ jetzt mein eigenes Ding!“
Profiboxer Timo Schwarzkopf will 2020 einen WM-Kampf nach Wangen holen und spricht über Enttäuschungen
WANGEN - Die offene Rechnung ist beglichen: Timo Schwarzkopf hat am Samstag seinen Kampf gegen Gift Bholo souverän nach K.o. gewonnen und ist sportlich wieder in der Spur. Der 20. Sieg im 23. Profikampf eröffnet dem 27-jährigen, der den Hinkampf in Südafrika höchst umstritten verloren hatte, auch wieder neue Möglichkeiten. Welche dies sind und wie er sich seine Zukunft vorstellt, hat er Susi Weber erzählt.
Ein blaues Auge ist alles, was vom Kampf übriggeblieben ist. Wie fühlen Sie sich nach Ihrem Sieg?
Noch bin ich etwas übermüdet. Zwei Stunden Schlaf in der Nacht nach dem Kampf waren nicht viel. Ich habe dennoch so tief geschlafen wie lange Zeit davor nicht mehr. Viel Spannung, die ganze Aufregung im Vorfeld, ist von mir abgefallen. Die Niederlage gegen Bholo im März hat mich belastet, mich ziemlich fertig gemacht. Sie hat in mir gearbeitet, weil ich mich nach diesem Urteil in Südafrika einfach verschaukelt gefühlt habe. Jetzt ist es wieder gut.
Was sagen Sie zu Ihrem Gegner Gift Bholo, der dem Re-Match zugestimmt hat und ins Allgäu kam?
Respekt. Das war nicht selbstverständlich. Bholo hat seine Chance gesehen, in Europa einzuschlagen. Auch für ihn ging es um viel. Er hat überraschend gut getroffen. So gut, dass er mich in der ersten Runde auch erwischt hat. Ich war überrascht, wie schnell ich den Schlag am Kinn wegstecken konnte. Ich habe noch nicht einmal Sternchen gesehen. Das ist sicherlich der guten Vorbereitung zu verdanken. Mein Bruder Urim hat mich optimal auf diesen Gegner eingestellt – und mich auch zu Beginn des Kampfes „gebremst“. Ich habe gleich von Anfang an Gas gegeben, es mit Gewalt versucht. Urim hat mir gesagt, ich soll erst nach der dritten, vierten Runde langsam kommen und Druck aufbauen, weil Bholo seinen Kampf nicht über die Runden bringt. Gleichzeitig soll ich mit der Deckung aufpassen, dass ich nicht nochmals in seine Hände laufe. Das habe ich schließlich umgesetzt.
Was war anders als beim verlorenen Kampf in Südafrika im März?
Ich hatte dieses Mal deutlich mehr Training. Auch, weil ich früher um den Kampf wusste. Und vermutlich habe ich den Kampf in Südafrika unterschätzt. Sowohl, was die Höhenlage, die kurze Akklimatisierungsphase als auch Bholo selbst betrifft. Bholo ist ein guter Mann, den ich gerne auch mal gegen andere Deutsche boxen sehen würde. Er kann gute Schlachten liefern.
Ihr Bruder trainiert Sie. Wie viel Anteil hat er am Erfolg?
Ich würde sagen, das geht fifty-fifty. Es braucht mein Herz, mein Können, meine Power. Es braucht aber auch seinen Kopf, die Fähigkeit, Gegner und Kampf zu lesen. Zu Urim habe ich zu 100 Prozent Vertrauen. Sein Einfluss ist groß. Überhaupt ist mir die Familie und Heimat wichtig, das gibt mir psychisch Halt. Mein Bruder Muharrem war ebenfalls in der Kabine dabei. Meine Verlobte Elsa hat alles Organisatorische gestemmt. Viele Verwandte und Freunde haben geholfen – und natürlich der BC Wangen.
Durch die Niederlage in Südafrika kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Ihnen und dem SauerlandTeam. Sie haben die Veranstaltung in Wangen alleine durchgezogen. Wie geht es weiter?
Ich war und bin aus verschiedenen Gründen heraus sehr enttäuscht über Sauerland. Da geht es unter anderem auch um finanzielle Hintergründe. Ich mach‘ jetzt mein eigenes Ding. Ich kann das auch alleine durchziehen. Vor allem hier in Wangen. Mit Schwarzkopf Boxing habe ich jetzt mein eigenes Team gegründet und bin auch noch auf der Suche nach anderen, guten Boxern. Chris van Heerden, gegen den ich vor gut einem Jahr in den USA verloren habe, ist derzeit gerade auf der Suche nach einem Gegner. Ihm habe ich angeboten, nach Deutschland zu kommen. Eine Antwort habe ich noch nicht erhalten. Auch gegen van Heerden, einen der besten Boxer der Welt überhaupt, würde ich gerne nochmals kämpfen.
Den EBU-EM-Gürtel, den Sie im vergangenen Jahr in Wangen gewannen, haben Sie bereits wieder zurückgegeben. Warum?
Den Gürtel gilt es innerhalb eines Jahres zu verteidigen. Mir war nach Südafrika das Re-Match gegen Bholo aber wichtiger. Die Sache wollte ich unbedingt sportlich bereinigen. Deshalb habe ich mit der Rückgabe des Gürtels schon vor Ablauf des Jahres anderen eine Chance gegeben, sich den Gürtel zu holen.
Und die eigenen Titelambitionen sind damit aufgegeben?
Nein, ganz sicher nicht. Bei mir geht es aber jetzt eher in Richtung Weltmeisterschaft. Meine Stuttgarter Manager, die Brüder Zastrow, und Promoter Hagen Doering, der auch in Wangen gewesen ist, werden mich unterstützen. Wir wollen schauen, von welchem Verband wir eine WM bekommen – und vor allem sie nach Wangen holen können. Ich will hier kämpfen, hier gewinnen und hier Geschichte schreiben. Ich hoffe darauf, dass das Ganze bis Anfang, Mitte 2020 klappt.
Und wie geht es in der nächsten Zeit für Sie weiter?
Ich werde jetzt erst mal für eine Weile Urlaub genießen, dann auch am eigenen Haus weiterbauen, das gerade in Wangen entsteht. In fünf, sechs Wochen geht es in neue Verhandlungen um neue Kämpfe. Vielleicht mache ich vor einer möglichen WM auch noch etwas anderes.