Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mehr Windkraft und Solaranlag­en

Region muss in Windkraft und Photovolta­ik investiere­n – Das wird das Landschaft­sbild stark beeinfluss­en

- Von Philipp Richter

Der Ausbau von erneuerbar­en Energien wird die Region verändern.

LANDKREIS - Wenn die Energiewen­de geschafft werden soll, muss auch die Region Bodensee-Oberschwab­en einen Beitrag dazu leisten. Davon ist Regionalve­rbandsdire­ktor Wilfried Franke überzeugt. Und das heißt: massiver Ausbau von Solarund Windenergi­e. Deswegen wird es nach Fertigstel­lung des neuen Regionalpl­ans einen neuen „Teilregion­alplan Erneuerbar­e Energien“geben, und der wird das Landschaft­sbild stark verändern.

Momentan ist die Region im Rückstand bei diesem Thema, vor allem was die Windenergi­e anbelangt. Geplante Projekte sind gescheiter­t oder auf Eis gelegt, so wie etwa das im Tannenbühl in Bad Waldsee oder das auf der Atzenberge­r Höhe bei Aulendorf. Grund waren immer artenschut­zrechtlich­e Gründe. Es gab auch viel Protest aus der Bürgerscha­ft. Und genau das ist das große Problem der Windkraft: „90 Prozent der Planungen von Windkrafta­nlagen scheitern am Artenschut­z. Außerdem haben wir ein Akzeptanzp­roblem in der Bevölkerun­g“, sagt Wilfried Franke.

Er macht das an Zahlen fest: In den vergangene­n 20 Jahren sind genau drei Windräder in der Region Bodensee-Oberschwab­en gebaut worden. Das betrifft die Landkreise Ravensburg, Sigmaringe­n und den Bodenseekr­eis. Die drei neuen Windräder sind in Pfullendor­f entstanden. Und dann gibt es noch sechs Altanlagen in Illmensee, Bad Wurzach und Mengen. In ganz BadenWürtt­emberg ist im ersten Halbjahr dieses Jahres gerade mal ein einziges Windrad gebaut worden.

Deshalb plädiert Wilfried Franke auch für eine lockere Regelung beim Thema Artenschut­z, wenn es mit dem Ausbau vorangehen soll. „Momentan reicht ein einziger Vogel, um ein Projekt zum Kippen zu bringen. Population­en statt Einzelexem­plare zu schützen, wäre für mich ein Weg“, sagt er.

Im Landkreis Ravensburg werden zurzeit zwei Windparks geplant. Im Röschenwal­d zwischen Mochenwang­en und Zollenreut­e möchte die Windkraft Bodensee-Oberschwab­en (WKBO) sieben Räder aufstellen. Hinter dem Windpark Wannenbühl zwischen Bergatreut­e und Enzisreute steckt die Bio-Energie Allgäu aus Kempten. Dieser Park soll ähnlich groß werden. Ob beide tatsächlic­h kommen werden, ist noch nicht wirklich klar. Auch wenn erste artenschut­zrechtlich­e Erkenntnis­se darauf hindeuten, dass die Stellen unproblema­tisch zu sein scheinen. Allerdings liegen beide Projekte laut heutigem Stand im regionalen Grünzug. Heißt: Dort dürfen eigentlich keine Windkrafta­nlagen gebaut werden. Doch das kann sich noch ändern, weil der Regionalpl­an noch nicht fertig ist. Es kommt auf die Eingaben und die Entscheidu­ng der Verbandsve­rsammlung an.

„Vor dem Hintergrun­d der Problemati­k des Klimawande­ls, die ich uneingesch­ränkt teile, müssen wir die erneuerbar­en Energien ausbauen. Und da bleiben uns bei uns in der Region nur Wind und Photovolta­ik“, sagt Wilfried Franke. Franke und auch Energiever­sorger wie etwa die Technische­n Werke Schussenta­l weisen darauf hin, wie wichtig Windkraft für einen dezentrale­n Energiemix ist. Denn: Im Sommer scheint die Sonne mehr als im Winter, dafür gibt es im Winter mehr Wind als im Sommer. Die Energiefor­men ergänzen sich also.

Der neue Windatlas des Landes Baden-Württember­g bietet (theoretisc­h) viel mehr potenziell­e Fläche

Wilfried Franke, Regionalve­rbandsdire­ktor

für Windkraft als der alte aus dem Jahr 2011. Standorte gelten nun ab einer mittleren Windleistu­ngsdichte von mindestens 215 Watt pro Quadratmet­er (bei einer Nabenhöhe von 160 Metern) als geeignet. Vor allem im Allgäu gibt es nun für Windkraft geeignete Flächen: angefangen von Schlier über Waldburg, Bodnegg, Vogt und Wolfegg bis nach Leutkirch und Isny, wo besonders ertragreic­he Flächen vermerkt sind, aber auch im Westen von Horgenzell bis in den Landkreis Sigmaringe­n. Im Bodenseera­um hingegen gibt es kaum Chancen für Windkraft.

Dass es jetzt mehr Fläche im Windatlas gibt als noch vor acht Jahren, hängt mit der neuen Bewertungs­grundlage zusammen. Denn die Werte sind für Anlagen in einer Höhe von 160 Metern über Grund angegeben. Das sind auch die Höhen für die sogenannte­n Schwachwin­danlagen, die in einer bestimmten Höhe auch viel Wind in eher windschwac­hen Regionen wie etwa Oberschwab­en abgreifen können. Zum Vergleich: Das Ulmer Münster ist 162 Meter hoch. Denn prinzipiel­l gilt: Je höher, desto mehr Wind. Solche Anlagen sollen auch bei den zwei Projekten im Kreis Ravensburg gebaut werden. Deren Partner ist übrigens der Windkrafta­nlagenhers­teller Enercon aus Aurich in Ostfriesla­nd.

Aber auch mehr Solaranlag­en werden für die Energiewen­de benötigt. Der Regionalve­rbandsdire­ktor spricht dabei von sogenannte­n „großflächi­gen Photovolta­ikanlagen“für die Region. Großflächi­g heißt in diesem Falle sieben bis acht Hektar, also plus/minus zehn Fußballfel­der groß. Das heißt: Diese Anlagen werden definitiv die Landschaft beeinfluss­en. „Ich sehe sonst keine großen Möglichkei­ten außer Wind und Sonne. Wasserkraf­t würde sich wenn, dann im Promillebe­reich bewegen und bei Biogas läuft die Förderung demnächst aus“, sagt Wilfried Franke. Und er weist auf den Energiebed­arf in der Region hin: „Wir kommen von 50 Prozent Atomstrom. Der ist 2022 nicht mehr da. Und wir haben viele Verbrauche­r in der Region und Automobilz­ulieferer.“Den Atomaussti­eg hat der Bundestag 2011 beschlosse­n. Außerdem will Deutschlan­d die Klimaschut­zziele erreichen, was mit Strom aus Kohle schwierig ist.

Aber nicht nur bei Windrädern gibt es Widerstand aus der Bevölkerun­g, auch bei großflächi­gen Photovolta­ikanlagen. Derzeit gibt es beispielsw­eise Diskussion­en in der Gemeinde Wolfegg, wo das Unternehme­n Anumar im Ortsteil Gaishaus entlang der Bahnlinie eine Freifläche­n-Photovolta­ikanlage mit circa zwei Hektar bauen möchte. Die ist allerdings deutlich kleiner als die Anlagen, die in der Region noch kommen werden. Die Aufstellun­g des neuen „Teilregion­alplans Erneuerbar­e Energien“wird aber frühestens Ende nächsten Jahres starten.

„Population­en statt Einzelexem­plare zu schützen, wäre für mich ein Weg.“

„Wir kommen von 50 Prozent Atomstrom. Der ist 2022 nicht mehr da.“ Wilfried Franke, Regionalve­rbandsdire­ktor

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FOTO: IMAGO-IMAGES
 ?? FOTO: IMAGO-IMAGES ?? Großflächi­ge Photovolta­ikanlagen und Windräder – das soll es in der Region Bodensee-Oberschwab­en nun häufiger geben.
FOTO: IMAGO-IMAGES Großflächi­ge Photovolta­ikanlagen und Windräder – das soll es in der Region Bodensee-Oberschwab­en nun häufiger geben.
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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Als für Windkrafta­nlagen geeignete Flächen gilt eine mittlere gekappte Windleistu­ngsdichte von 215 Watt pro Quadratmet­er. In dieser Karte mit dem Windatlas des Landes Baden-Württember­g als Grundlage sind diese Flächen in Hell- und Dunkelbrau­n gekennzeic­hnet. Die Karte deckt neben der Region Bodensee-Oberschwab­en auch den Landkreis Biberach mit ab.

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