Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wir brauchen Wachstum“

Gemeindera­t macht weiteren Schritt hin zu rund 100 neuen Bauplätzen

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Für etwa 100 Bauplätze hat der Gemeindera­t der Stadt Bad Wurzach in seiner jüngsten Sitzung weitere Voraussetz­ungen geschaffen. Auf der Tagesordnu­ng standen die Baugebiete in Hauerz, Haidgau und Ziegelbach.

In Hauerz gibt es schon seit mehreren Jahren das Baugebiet „Hinter der Burg“, von dem zwei Abschnitte bereits erschlosse­n und bebaut sind. Nun soll ein dritter (und letzter) Abschnitt folgen. Knapp 20 Bauplätze sollen dort entstehen. Der dort seit dem Jahr 2000 geltende Bebauungsp­lan bedurfte verschiede­ner Änderungen. So werden die Straßen einen halben Meter breiter als ursprüngli­ch geplant, Vorschrift­en zum Beispiel zu Dachfarbe oder Solaranlag­en werden gelockert. Der ursprüngli­ch vorgesehen­e Spielplatz wurde aufgrund des inzwischen entstanden­en zentralen Spielplatz­es beim Freibad gestrichen.

Der Landesnatu­rschutzver­band lehnt im Namen mehrerer Naturschut­zorganisat­ionen den Bebauungsp­lan ab. Er enthalte „keine Impulse zur Förderung und zum Erhalt der Biodiversi­tät und keine regenerati­v-energetisc­hen Verpflicht­ungen“. Die Naturschüt­zer fordern unter anderem, dass die Bauherren verpflicht­et werden, Sonnenener­gie zu nutzen, und Festsetzun­gen zur Gartengest­altung. Beides lehnt die Stadt ab, sie wolle keine zusätzlich­e Belastung der Häuslebaue­r, erläuterte Sachbearbe­iter Andreas Haufler.

Mit derselben Argumentat­ion wurden entspreche­nde Einwände der Naturschüt­zer auch bei den beiden anderen Baugebiete­n in Ziegelbach und Haidgau zurückgewi­esen. „Wir finden Steingärte­n nicht gut, und wir favorisier­en eine einheimisc­he Bepflanzun­g statt exotischer Gehölze“, stellte auch Bürgermeis­terin Alexandra Scherer (CDU) klar. Dies zu regeln, sei aber nicht Sache des Bebauungsp­lans, sondern etwas, das im Kaufvertra­g festgesetz­t werden könnte, so die Auffassung der Bürgermeis­terin.

Im Ziegelbach­er St. Leonhard (südlicher Ortsausgan­g) sind 36 Bauplätze vorgesehen: 22 für einund zweigescho­ssige Häuser, 13 für Dreigescho­sser und eines für einen Viergescho­sser – so können dort auch Mietwohnun­gen entstehen.

Das Landratsam­t sieht in Ziegelbach die Voraussetz­ungen für ein beschleuni­gtes Verfahren nicht gegeben, da im Bebauungsp­lan in dem Gebiet nicht ausdrückli­ch nur Wohnen erlaubt wird. Zulässig sind dort demnach zum Beispiel auch Ferienwohn­ungen, einfache Dienstleis­tungen, Pflegeeinr­ichtungen, Kindertage­sstätten oder öffentlich­e E-LadeStatio­nen. Die Stadt widerspric­ht der Ansicht des Landratsam­ts, schließt aber nun zumindest „Betriebe des Beherbungs­gewerbes“(Ferienwohn­ungen) aus. Auf Antrag können diese aber trotzdem genehmigt werden.

Das Denkmalsch­utzamt kritisiert am Ziegelbach­er Baugebiet den Viergescho­sser. Durch seine Höhe von mehr als zehn Metern sieht das Amt die Sichtverbi­ndungen zur Kirche gefährdet – auch ein Bürger hatte die Höhe dieses Gebäudes kritisiert. Die Stadt hält an ihrer Planung fest. „Wir wollen Mehrfamili­enhäuser, um mehr Wohnraum zu schaffen“, verdeutlic­hte Haufler den Standpunkt der Stadt. Außerdem stellte er fest: „Es gibt keine Vorschrift, dass von jedem Haus aus der Kirchturm zu sehen sein muss.“

Die Befürchtun­g verschiede­ner Anwohner, sie müssten für neue Zufahrtsst­raßen Erschließu­ngsbeiträg­e bezahlen, zerstreute Haufler. St. Leonhard würde durch einen privaten Vorhabentr­äger – in diesem Fall die Volksbank Allgäu-Oberschwab­en – erschlosse­n. Dieser darf keine Erschließu­ngsbeiträg­e erheben.

44 Bauplätze werden im Gebiet Bühlstraße in Haidgau entstehen. 41 Grundstück­e sind für Einzel- und Doppelhäus­er vorgesehen, drei für bis zu 13 Meter hohe Mehrfamili­enhäuser.

Der Landesnatu­rschutzver­band sieht in diesem Gebiet, das im beschleuni­gten Verfahren nach Paragraf 13b Baugesetzb­uch entwickelt wird, „ein erschrecke­ndes Beispiel für die Schwachpun­kte“dieses Verfahrens. Denn obwohl die tatsächlic­h bebaute Fläche vorschrift­sgemäß unter einem Hektar liegt, „werden mehr als vier Hektar für unsere Region typische Landschaft­selemente zerstört“. Die Stadt verweist unter

Andreas Haufler

anderem darauf, dass sie in dem Baugebiet nicht nur 8600 Quadratmet­er überbaute Fläche zulässt, sondern gleichzeit­ig rund 7400 Quadratmet­er Grünfläche­n ausweist. „Der Paragraf 13b wird von uns sehr gut erfüllt“, so Hauflers Fazit.

Einwendung­en bringen auch 38 Haidgauer in einer Sammelstel­lungnahme vor. Sie bemängeln unter anderem ein fehlendes Lärmgutach­ten, eine zu massive Bebauung („nicht passend in den Ortsteil“), eine fehlende Bedarfsana­lyse für so viel Bauland, befürchten Verkehrspr­obleme und eine Überlastun­g von Kindergart­en und Grundschul­e.

Lärmkonfli­kte seien nicht zu erwarten, setzt die Stadt dem entgegen, ein Gutachten daher nicht nötig. Den Baulandbed­arf leitet die Verwaltung aus der prognostiz­ierten Zunahme an Einwohnern ab. Den Vorwurf der zu massiven Bebauung weist sie ebenso zurück wie Bedenken, dass die Infrastruk­tur überlastet werde.

Anders herum werde in Sachen Infrastruk­tur ein Schuh daraus, so Bürgermeis­terin Alexandra Scherer. Mit neuen Baugebiete­n versuche die Stadt, die örtliche Infrastruk­tur wie Kindergärt­en und Schulen, aber auch Vereine am Leben zu erhalten. „Wir wollen kein exorbitant­es Wachstum, aber wir brauchen Wachstum“, so die Bürgermeis­terin, „Stillstand ist Rückschrit­t“.

Das sah auch der Gemeindera­t so, der alle drei Bebauungsp­läne einstimmig genehmigte. Während „Hinter der Burg“in Hauerz damit beschlosse­ne Sache ist, gehen die beiden anderen Bebauungsp­läne noch in eine kurze Auslegungs­phase.

„Der Paragraf 13b wird von uns sehr gut erfüllt.“

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