Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Wir brauchen Wachstum“
Gemeinderat macht weiteren Schritt hin zu rund 100 neuen Bauplätzen
BAD WURZACH - Für etwa 100 Bauplätze hat der Gemeinderat der Stadt Bad Wurzach in seiner jüngsten Sitzung weitere Voraussetzungen geschaffen. Auf der Tagesordnung standen die Baugebiete in Hauerz, Haidgau und Ziegelbach.
In Hauerz gibt es schon seit mehreren Jahren das Baugebiet „Hinter der Burg“, von dem zwei Abschnitte bereits erschlossen und bebaut sind. Nun soll ein dritter (und letzter) Abschnitt folgen. Knapp 20 Bauplätze sollen dort entstehen. Der dort seit dem Jahr 2000 geltende Bebauungsplan bedurfte verschiedener Änderungen. So werden die Straßen einen halben Meter breiter als ursprünglich geplant, Vorschriften zum Beispiel zu Dachfarbe oder Solaranlagen werden gelockert. Der ursprünglich vorgesehene Spielplatz wurde aufgrund des inzwischen entstandenen zentralen Spielplatzes beim Freibad gestrichen.
Der Landesnaturschutzverband lehnt im Namen mehrerer Naturschutzorganisationen den Bebauungsplan ab. Er enthalte „keine Impulse zur Förderung und zum Erhalt der Biodiversität und keine regenerativ-energetischen Verpflichtungen“. Die Naturschützer fordern unter anderem, dass die Bauherren verpflichtet werden, Sonnenenergie zu nutzen, und Festsetzungen zur Gartengestaltung. Beides lehnt die Stadt ab, sie wolle keine zusätzliche Belastung der Häuslebauer, erläuterte Sachbearbeiter Andreas Haufler.
Mit derselben Argumentation wurden entsprechende Einwände der Naturschützer auch bei den beiden anderen Baugebieten in Ziegelbach und Haidgau zurückgewiesen. „Wir finden Steingärten nicht gut, und wir favorisieren eine einheimische Bepflanzung statt exotischer Gehölze“, stellte auch Bürgermeisterin Alexandra Scherer (CDU) klar. Dies zu regeln, sei aber nicht Sache des Bebauungsplans, sondern etwas, das im Kaufvertrag festgesetzt werden könnte, so die Auffassung der Bürgermeisterin.
Im Ziegelbacher St. Leonhard (südlicher Ortsausgang) sind 36 Bauplätze vorgesehen: 22 für einund zweigeschossige Häuser, 13 für Dreigeschosser und eines für einen Viergeschosser – so können dort auch Mietwohnungen entstehen.
Das Landratsamt sieht in Ziegelbach die Voraussetzungen für ein beschleunigtes Verfahren nicht gegeben, da im Bebauungsplan in dem Gebiet nicht ausdrücklich nur Wohnen erlaubt wird. Zulässig sind dort demnach zum Beispiel auch Ferienwohnungen, einfache Dienstleistungen, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten oder öffentliche E-LadeStationen. Die Stadt widerspricht der Ansicht des Landratsamts, schließt aber nun zumindest „Betriebe des Beherbungsgewerbes“(Ferienwohnungen) aus. Auf Antrag können diese aber trotzdem genehmigt werden.
Das Denkmalschutzamt kritisiert am Ziegelbacher Baugebiet den Viergeschosser. Durch seine Höhe von mehr als zehn Metern sieht das Amt die Sichtverbindungen zur Kirche gefährdet – auch ein Bürger hatte die Höhe dieses Gebäudes kritisiert. Die Stadt hält an ihrer Planung fest. „Wir wollen Mehrfamilienhäuser, um mehr Wohnraum zu schaffen“, verdeutlichte Haufler den Standpunkt der Stadt. Außerdem stellte er fest: „Es gibt keine Vorschrift, dass von jedem Haus aus der Kirchturm zu sehen sein muss.“
Die Befürchtung verschiedener Anwohner, sie müssten für neue Zufahrtsstraßen Erschließungsbeiträge bezahlen, zerstreute Haufler. St. Leonhard würde durch einen privaten Vorhabenträger – in diesem Fall die Volksbank Allgäu-Oberschwaben – erschlossen. Dieser darf keine Erschließungsbeiträge erheben.
44 Bauplätze werden im Gebiet Bühlstraße in Haidgau entstehen. 41 Grundstücke sind für Einzel- und Doppelhäuser vorgesehen, drei für bis zu 13 Meter hohe Mehrfamilienhäuser.
Der Landesnaturschutzverband sieht in diesem Gebiet, das im beschleunigten Verfahren nach Paragraf 13b Baugesetzbuch entwickelt wird, „ein erschreckendes Beispiel für die Schwachpunkte“dieses Verfahrens. Denn obwohl die tatsächlich bebaute Fläche vorschriftsgemäß unter einem Hektar liegt, „werden mehr als vier Hektar für unsere Region typische Landschaftselemente zerstört“. Die Stadt verweist unter
Andreas Haufler
anderem darauf, dass sie in dem Baugebiet nicht nur 8600 Quadratmeter überbaute Fläche zulässt, sondern gleichzeitig rund 7400 Quadratmeter Grünflächen ausweist. „Der Paragraf 13b wird von uns sehr gut erfüllt“, so Hauflers Fazit.
Einwendungen bringen auch 38 Haidgauer in einer Sammelstellungnahme vor. Sie bemängeln unter anderem ein fehlendes Lärmgutachten, eine zu massive Bebauung („nicht passend in den Ortsteil“), eine fehlende Bedarfsanalyse für so viel Bauland, befürchten Verkehrsprobleme und eine Überlastung von Kindergarten und Grundschule.
Lärmkonflikte seien nicht zu erwarten, setzt die Stadt dem entgegen, ein Gutachten daher nicht nötig. Den Baulandbedarf leitet die Verwaltung aus der prognostizierten Zunahme an Einwohnern ab. Den Vorwurf der zu massiven Bebauung weist sie ebenso zurück wie Bedenken, dass die Infrastruktur überlastet werde.
Anders herum werde in Sachen Infrastruktur ein Schuh daraus, so Bürgermeisterin Alexandra Scherer. Mit neuen Baugebieten versuche die Stadt, die örtliche Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen, aber auch Vereine am Leben zu erhalten. „Wir wollen kein exorbitantes Wachstum, aber wir brauchen Wachstum“, so die Bürgermeisterin, „Stillstand ist Rückschritt“.
Das sah auch der Gemeinderat so, der alle drei Bebauungspläne einstimmig genehmigte. Während „Hinter der Burg“in Hauerz damit beschlossene Sache ist, gehen die beiden anderen Bebauungspläne noch in eine kurze Auslegungsphase.
„Der Paragraf 13b wird von uns sehr gut erfüllt.“