Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Teuer, teurer, so teuer wie nie
Die Erschließung der Halde-Nord in Kempten kostet bis zu 30 Millionen Euro
KEMPTEN (jan) - Die nächste Verzögerung beim derzeit größten Kemptener Baugebiet „Halde-Nord“: Auf den 100 000 Quadratmetern sollen jetzt wieder mehr Wohnungen und Einfamilienhäuser entstehen als zuletzt geplant. Vor dem Beschluss im städtischen Bauausschuss argumentierten Verwaltung und Stadträte hauptsächlich damit, dass die Umplanung der Wohnraumnot geschuldet sei. Tatsächlich steckt allerdings ein anderes Problem dahinter: Die Erschließung des Baugebiets mit
Straßen, Kanälen und Versorgungsleitungen wird so teuer wie noch nie in Kempten und ohne die Nachverdichtung wäre sie eventuell gar nicht finanzierbar, sagen einige Stadträte. Um die geschätzt 25 bis 30 Millionen Euro für die Bauherren erträglich umlegen zu können, hatte das mit der Erschließung beauftrage Unternehmen bei nichtöffentlichen Beratungen sogar vorgeschlagen, über Gebührenerhöhungen bei Wasser und Abwasser alle Kemptener an den Kosten zu beteiligen. „Das kann man nicht machen, das kommt nicht infrage“, sagte Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle auf Anfrage der „Allgäuer Zeitung“.
Seit neun Jahren – und damit solange wie noch nie in Kempten – wird auf der Halde-Nord ein weiteres Baugebiet geplant. Immer wieder kam es zu Verzögerungen. Erst wurde die Anordnung der Häuser überdacht, dann musste die nötige Straßenumfahrung anders gestaltet werden. Und es wurde im Laufe der Zeit immer mehr ausgedünnt: Zum einen, weil die Stadträte mehr Menschen die Möglichkeit geben wollten, Einfamilienhäuser zu bauen; zum anderen, weil ansonsten zu viele Wohnungen nach Norden ausgerichtet wären und selbst besser liegende zu wenig Licht bekämen. Von den anfangs angedachten 500 Wohneinheiten blieben in mehreren Abstufungen zuletzt 330 übrig.
Bei der jetzt beschlossenen erneuten Kehrtwende sollen eine Reihe von großen Wohnungsbauten um ein Geschoss erhöht und etwa 5600 Quadratmeter Fläche zusätzlich überbaut werden. Unter anderem eine bisher als Grünfläche gedachte Wiese in der Mitte des Geländes.
CSU-Fraktionsvorsitzender Erwin Hagenmaier gewann dem während der jüngsten Beratung sogar etwas Gutes ab. Wenn bewusst freigehaltene Flächen im Nachhinein doch noch bebaut werden sollen, habe es anderswo in der Stadt immer Ärger mit den Anliegern gegeben, zuletzt beispielsweise an der Breslauer Straße. Dies vermeide man, wenn man sofort dichter baue. Unter diesen Gesichtspunkten sei auch eine weitere Planungsverzögerung von etwa vier Monaten verschmerzbar, sagte Hagenmaier. Zuletzt hatte er wiederholt die Verwaltung kritisiert, dass sich das Verfahren so lange hinzieht. SPD-Stadtrat Siegfried Oberdörfer freut sich über das zusätzliche Wohnungsangebot. Achten müsse man darauf, dass bei der Neuplanung die Natur mit einem Bach und altem Baumbestand nicht zu sehr beeinträchtigt werde. Die angepeilte Verteilung der Erschließungskosten auf mehr Schultern verringere die Belastung für den Einzelnen jedoch nur „gering“.
Dem Oberbürgermeister ist dies bewusst. Man habe zwar gewusst, dass die Erschließung allein durch die starke Hanglage teuer werde, da dies eine aufwendige Oberflächenwasser-Entsorgung erfordere. Die konkrete Kostenschätzung der beauftragen Erschließungsfirma Bayerngrund habe dann aber überrascht. Immer teurer wurde es auch, weil „in diesem Bereich die Kosten derzeit zwischen 25 und 30 Prozent pro Jahr steigen“, sagt Kiechle.
Wenn es darum geht, demnächst Grundstückspreise für die Bauherren festzulegen, wird die Stadt einen besonderen Weg einschlagen, bestätigte der Oberbürgermeister. Normalerweise verdient sie beim Verkauf von Baugrund Geld aus der Spanne zwischen An- und Verkaufspreis. Dieses wird in andere Infrastrukturmaßnahmen gesteckt. Diesmal werde man damit zufrieden sein, wenn die Summe wieder hereinkommt, die man seit 20 Jahren für den Kauf der Fläche ausgibt. „Unser oberstes Ziel ist, Wohnraum zu schaffen“, sagt Kiechle.
„Unser oberstes Ziel ist, Wohnraum zu schaffen.“ Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle