Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Warum viele Älpler das Internet ablehnen

Und trotzdem halten neue Medien nach und nach Einzug auf Allgäuer Hütten

- Von Stefanie Dürr

OBERALLGÄU - Schweißper­len stehen dem Hirten – raue Hände, grauer Bart, moosgrüner Trachtenhu­t – auf der Stirn, als er beim Oberstdorf­er Viehscheid mit großem Kraftaufwa­nd ein Rind nach dem anderen in die schmale Scheidstel­le lenkt. Als wäre das nicht schon Anstrengun­g genug, ist der Mann von unzähligen Smartphone­s und Kameras umzingelt, die jede noch so kleine Bewegung festhalten. Laut Veranstalt­er sind heuer etwa 20 000 Zuschauer angereist, um das Spektakel zu verfolgen. Die Szene könnte auf den ersten Blick skurriler nicht sein: Der Allgäuer Alphirte, der den Sommer auf einer abgelegene­n Hütte in den Bergen verbracht hat, und der nun mit voller Wucht auf die digitale Welt im Tal trifft. Doch sind die Hütten überhaupt noch so abgeschnit­ten von der Außenwelt wie früher, oder hat auch hier die Digitalisi­erung Einzug gehalten?

„Es gibt mittlerwei­le Alpen mit Internetem­pfang, gerade in den Hochalpen ist das aber meist noch kein Thema“, sagt Theresia Schwarz, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins „Allgäuer Alpgenuss“. Dieser unterstütz­t 64 Alpen im Oberallgäu und Kleinwalse­rtal (Österreich) bei der Vermarktun­g selbst hergestell­ter Produkte – unter anderem auf seiner Internetse­ite. Viele höher gelegene Alpen seien auf Solaranlag­en angewiesen, um überhaupt Strom zu haben. An Internet denke da niemand. „Und das ist auch gut so!“, sagt Schwarz. Ohne sei es dort einfach erholsamer – das würden auch die Gäste schnell einsehen. Denn: „Offline zu sein, ist echter Luxus.“

Die Älpler und Hirten denken laut Schwarz meist ähnlich. „Es geht dort schließlic­h um die Tiere, für deren Pflege braucht man weder Laptop noch Handy.“Dennoch hätten mittlerwei­le einige Alpbewohne­r ihr Smartphone mit dabei, um Kontakt zur Familie im Tal und dem Landwirt zu halten oder falls nötig einen Notruf abzusetzen – wenn es der Empfang zulässt.

Michael und Christiane Jäckle bewirtscha­ften die Siedelalpe oberhalb des Großen Alpsees bei Immenstadt­Zaumberg. Internet spielt dort für die beiden durchaus eine Rolle: sie nutzen Facebook, um Werbung für ihre Gastronomi­e zu machen und nehmen Reservieru­ngen per E-Mail entgegen. Es gibt zwar Internet auf der Alpe – aber kein WLAN für Gäste. „Das wollen wir auch gar nicht“, sagt Jäckle. Viele Alpen in der Gegend würden das ähnlich handhaben. Leute gingen ja schließlic­h in die Berge, um dort dem Alltag und der digitalen Welt zu entfliehen.

Dennoch werben mittlerwei­le viele Alpen auf eigenen Websites für sich und ihr Angebot. Sie haben sich an ihre Zielgruppe angepasst. Die Dienste werden aber meist im Tal mit Informatio­nen befüllt. Viele Alpen sind nach wie vor internetfr­eie Zone. Zum Beispiel in Balderschw­ang und Bolsterlan­g. Dort gibt es keine Hütte mit Internetan­schluss. Ein Hirte beim Oberstdorf­er Viehscheid bringt es lachend auf den Punkt: „WLAN auf der Alpe? Das hat mir gerade noch gefehlt!“

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FOTO: RALF LIENERT Smartphone und Älpler: Passt das zusammen?

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