Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Griff nach dem Strohhalm
Immer mehr Unternehmen entdecken aktuell einen neuen Marketingtrend für sich. Sie stellen – oder behaupten es zumindest – ihre Brillen, Turnschuhe oder Freizeitjacken aus sogenanntem „Ocean Plastic“her, Kunststoff direkt aus dem plastikverseuchten Meer also. Jeder Kauf des Verbrauchers wird damit quasi zur guten Tat und trägt zur Rettung der Weltmeere bei. Oder: So sage ich mit dem Kauf von Kunststoff dem Kunststoff den Kampf an. Gerade erst gab der Rapper Materia bekannt, dass er eine Streetware-Kollektion entworfen hat: Jacke, Hoodies
und Accessoires – aus BioBaumwolle und recyceltem Plastik aus dem Mittelmeer. Eine Jacke besteht angeblich aus einem Kilo Plastikmüll. Ganz schön viel.
Bei dieser Menge könnte es bald zu Problemen kommen. Der beliebte Rohstoff wird womöglich sehr bald knapp werden. Vermutlich werden aktuell in Berlin und Brüssel von Lobbyisten Büros eingerichtet, um auf die Wiedereinführung von Plastikstrohhalmen und Wattestäbchen hinzuwirken. Vermutlich wird sogar über „Fangquoten“diskutiert. Währenddessen sind Ingenieure damit beschäftigt, kompakte Plastiktütenfabriken so zu konstruieren, dass sie auf ein Schiff passen. Deren Tagesproduktion könnte sofort versenkt werden. Eine super Idee. Schließlich fällt somit der Lkw-Transport weg. Das spart auch noch CO2. Problematisch ist nur der freche Fisch, der das Plastik auch noch wegfrisst.
Bis zu einer nachhaltigen Lösung wird wohl noch etwas Zeit vergehen und die Überfischung der Meere geht weiter. Früher war Greenwashing leichter. (sbh)