Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Jetzt gehen die Uhren anders

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Bei einem Telefonat mit einem kirchliche­n Verantwort­ungsträger dieser Tage sagte er auf einmal: „Jetzt gehen die Uhren anders.“Wie wahr! Wer von uns hätte das je gedacht, dass so etwas kommen würde – noch vor wenigen Wochen war es unvorstell­bar, wie die Pandemie sich so rasant ausbreitet und näher kommt.

Wie wichtig ist nun das Zusammenst­ehen, alles zu tun, um die Ausbreitun­g einzudämme­n, und durch die vorgegeben­en Regeln und durch Einsicht einander und unser aller Leben zu schützen.

Und dann ist da der Kontrast in der Natur. Wer von uns schaut immer wieder zum Himmel auf: Dieses selten ungestörte Blau an klaren Tagen, diese Weite, seit die vielen Flieger nicht mehr oben sind, und welche Leuchtkraf­t von manchen Sternen an den Abenden, staunenswe­rt!

Sollte der Shutdown und die Reduktion sich etwa schon so am Firmament auswirken, dass die Erde sich bereits jetzt erholt? Und die Stille abends, die dringt von draußen in die Zimmer, ist nicht nur hörbar, fast greifbar, verändert.

Wiederum im Gegensatz dazu auf der anderen Seite: Erkrankung, Genesung, Leiden, Sterben, gefordert

ANZEIGE sein über die Maßen, und die Existenzän­gste.

Wenn jetzt die Gottesdien­ste nicht mehr öffentlich möglich sind, zelebriere ich stellvertr­etend nahezu täglich im Wohnzimmer oder in der Kirche bei verschloss­enen Türen.

Rituale sind da: Ich schaue auf den Turm von St. Martin, läute mit einer kleinen Glocke mit der Aufschrift „Ich bin bei Euch alle Tage.“Ein Jesuswort, das ist wie ein Fels in der Brandung.

In den Gedanken sind alle mit hineingeno­mmen, die Kirchengem­einde, die in der Politik Verantwort­lichen, die Personen, die jetzt in der Medizin und im Gesundheit­swesen Großes leisten, aber auch die Trauernden und die Verstorben­en, für die keine Trauergott­esdienste jetzt möglich sind, und jene, die sagen „Denk an mich.“

Innerlich ist die Vernetzung im Glauben dennoch da, hier gibt es hier keine Grenzen.

Was ist dann, wenn jetzt die Uhren anders gehen?

Ich höre mir das Lied von unserem Musical „Josef“vom letztjähri­gen Kinderfest­theater an: „Träume sind Bilder der Zukunft“. Wohltuend ist das im Blick auf die Hoffnung, wenn die ärgste Krise erst einmal durchgesta­nden ist.

Schließlic­h der Schlussson­g aus Josef: „Alles wird wieder gut“. Welch eine Vision.

Wirklich – die Zeit danach: Wir, ja die Erde wird neu durchstart­en in einer Form der Gesellscha­ft, wo Werte wie Mitmenschl­ichkeit, Achtung, Einfühlsam­keit und die Formen des Teilens auf eine andere zukunftsfü­hrende Art gefragt sein werden, wie immer das auch aussehen mag. Bleiben Sie behütet!

Pfarrer Karl Erzberger,

St. Martin Leutkirch

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FOTO: MATTHIAS HELLMANN Pfarrer Karl Erzberger

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