Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Berufsfischer verlangen Stimmrecht
Mitspracherecht bei Bevollmächtigtenkonferenz gefordert – Kormorane bleiben Problem
WASSERBURG – Die Bayerischen Bodenseeberufsfischer haben bei ihrer Jahreshauptversammlung eine Vielzahl von Problemen angesprochen, denn nicht nur die Fangquoten bereiten Sorgen und Ärger. Klagen gegen den Freistaat Bayern, der Kormoran und geplante Aquakulturen im württembergischen Teil des Bodensees bewegen die Gemüter.
Der Vorsitzende der Genossenschaft der Bayerischen Bodenseeberufsfischer Roland Stohr freute sich, dass mit Reinhard Reiter ein fundierter und verständnisvoller Mann die Stelle des Fischereireferenten im Bayerischen Staatsministerium im vergangenen Jahr eingenommen habe, wenngleich unter schwierigen Voraussetzungen. Denn die Berufsfischer seien seit 2015 in einigen Fällen massiv vom Ministerium für Landwirtschaft und Forsten enttäuscht worden, was zu drei Klagen gegen den Freistaat geführt habe. Darunter die Klage gegen die Altersdiskriminierung – Patententzug mit 70 Jahren, die LZ berichtete wiederholt darüber, daneben Verfahren gegen die Ungleichbehandlung und den Wegfall der Stellvertretererlaubnis, bei denen die Genossenschaft seit 20 Monaten auf den ersten Verhandlungstermin wartete.
Lediglich aus Würdigung des Engagements von Reiter und ein im Raum stehendes Leihpatent aus Baden-Württemberg nicht zu gefährden, habe sich die Genossenschaft im vergangenen Oktober dazu durchgerungen, neu aufgestellte Vergabekriterien und einen neuen Patentvertrag für die Dauer von einem Jahr zu unterzeichnen, trotz triftiger Gründe, die dagegen sprächen, so Roland Stohr.
So dürften die neun Hochseepatentinhaber der Genossenschaft nun seit Januar 2020 ein fünftes Schwebnetz auslegen, völlig unklar sei aber, ob diese Gleichstellung gegenüber den anderen Kollegen über 2020 hinaus Gültigkeit behalte, also bis zum Erreichen der 2015 beschlossenen Reduzierung auf acht Hochseepatente. Dies werde erst im Juni von der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz
für die Bodenseefischerei IBKF entschieden werden, bei der die Bayerischen Bodenseeberufsfischer kein Mitspracheund „vor allem kein Stimmrecht haben“, so Stohr.
Ein weiteres Aufregerthema ist die Kormoranpopulation am Bodensee, die Stand Oktober 2018 3300 Exemplare zählte, wie Roland Stohr berichtete, bei steigender Tendenz. Nachweislich würden die Kormorane mehr Fisch fressen als die Berufsfischer im gleichen Zeitraum fangen könnten, nämlich 300 Tonnen im Jahr zu 260 Tonnen, wobei erstere keine Schonzeiten einzuhalten hätten wie die Fischer. Für 2019 schätzt Stohr nur noch rund 200 Tonnen Gesamtfischfang bei den Berufsfischern.
Warum hier Politik und die zuständigen Behörden, auch gegen den Willen des Naturschutzes, keine Rahmenbedingungen schaffen könnten, um die Kormoranbestände einigermaßen zu regulieren und den Fraßdruck von den geringen Fischbeständen zu nehmen, sei für die Berufsfischer nicht nachvollziehbar. Vergrämbemühungen seitens der Jägerkollegen brachten keine Erfolge.
Ende März sollten erste Ergebnisse des 2016 ins Leben gerufene Dialogforum „See & Fisch“vorliegen, berichtete Stohr. Im Rahmen des Großprojektes „SeeWandel“sollten dort mit sechs Millionen Euro Fördermitteln vielschichtige Probleme am Bodensee in 13 Projekten untersucht werden. Dies sehen die Berufsfischer mit gemischten Gefühlen, da ihrer Meinung nach sowohl der Praxisbezug als auch die ursprüngliche Zielsetzung der Fischerei am Bodensee fehle. Stattdessen solle nun in Baden-Württemberg der Aufbau einer Aquakultur auf Felchen mit Netzgehegen im Bodensee gefördert werden. Hierzu spricht sich die Genossenschaft vehement dagegen aus, Netzgehege im Bodensee lehne sie strikt ab.
Vielmehr sehen die Berufsfischer die Bedeutung der Aquakultur an Land als wichtig und notwendig an, viele Berufsfischer benötigten auch Saiblinge/Forellen von den regionalen Teichwirten als Ergänzung oder zweites Standbein in ihren Betrieben. Sinnvoller seien Projekte, die die natürliche Verlaichung im See förderten, so die Berufsfischer. Zusammen mit dem Lindauer Angelverein hat die Genossenschaft 2019 erstmalig Zanderreißer im bayerischen Haldengebiet eingesetzt, die Nester seien ordentlich belegt worden, was zur Fortsetzung dieses Projektes führe.
Schlussendlich wünscht sich die Genossenschaft, deren gesamte Vorstandschaft wiedergewählt wurde, für 2020 eine vertrauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit mit Politik und allen Sachverständigen, um die dringendsten Probleme schnell in die richtigen Bahnen zu bekommen, schloss der Vorsitzende Roland Stohr.