Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gerodete Streuobstwiese: Bauer droht ein Bußgeld
Landratsamt Ravensburg und Polizei haben sich die Fläche angeschaut – Verstoß gegen das Naturschutzgesetz
HORGENZELL - Nach einer Anfrage der SPD-Fraktion im Ravensburger Kreistag, leitet das Landratsamt Ravensburg ein Bußgeldverfahren gegen den Bauern ein, der bei Pfärrenbach in der Gemeinde Horgenzell eine wertvolle Streuobstwiese gerodet hat. Außerdem muss er zum Ausgleich wieder Bäume pflanzen. Das geht aus einer Antwort des Landratsamtes Ravensburg an die SPD-Fraktion hervor.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben des Landratsamtes: „Neben der Anordnung zu einer Ausgleichspflanzung wird im vorliegenden Fall ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Eine strafrechtliche Relevanz ist mangels nachweisbarer Betroffenheit streng geschützter Arten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennbar.“
Die „Schwäbische Zeitung“hatte Anfang März über den Vorfall bei Pfärrenbach berichtet. Der entsprechende Landwirt antwortete damals: „Ich lasse mir vom Staat nicht vorschreiben, was ich tun und lassen darf. Nur deshalb habe ich die Bäume umgemacht. [...] Ich bin gegen Vorschriften, die mir nichts bringen.“Er hatte befürchtet, künftig keine Streuobstbäume mehr fällen zu dürfen und so habe er sich Ende Februar zur Fällung entschlossen. Als Hintergrund wurde das sogenannte „Eckpunktepapier“von Landwirtschaftsverbänden und Landesregierung im Zusammenhang mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“angeführt. Ein Ziel des Volksbegehrens war der Schutz von Streuobstbeständen als Lebensraum für viele Tiere. Mit diesem Eckpunktepapier war der Bauer nicht einverstanden.
Bei einem Ortstermin am 6. März habe sich das Landratsamt die gerodete Fläche (insgesamt etwa 2,5 Hektar) zusammen mit der Ermittlungsgruppe Umwelt des Polizeipräsidiums Ravensburg angeschaut und sei zum Schluss gekommen, dass es sich um mindestens 63 Streuobstbäume gehandelt haben muss, die gefällt worden sind. Die Untersuchung der Stämme ergab: „Der Streuobstkomplex besaß eine sehr hohe Strukturvielfalt und bestand aus alten und dadurch sehr wertvollen Bäumen. Bis vor wenigen Jahren wurden die Bäume offensichtlich auch noch regelmäßig gepflegt. An zahlreichen Stämmen konnten zum Teil große und bedeutende Höhlen nachgewiesen werden. Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bestand eine sehr hohe Bedeutung für Vögel, Fledermäuse, Kleinsäuger und Käfer gespielt hat. An den bereits gefällten Bäumen konnten allerdings kaum mehr konkrete Artnachweise festgestellt werden.“Man habe Spuren vorgefunden, die auf eine Lebensstätte des besonders geschützten Siebenschläfers hindeuten.
Der BUND Ravensburg hatte die Fällung bereits im Vorfeld kritisiert, da Streuobstwiesen für die Natur besonders wertvoll sind. Bis zu tausend Tierarten leben in einer Streuobstwiese. „Bei der Beseitigung eines Streuobstbestandes dieser Bedeutung handelt es sich nicht um eine Maßnahme der guten landwirtschaftlichen Praxis und daher naturschutzrechtlich um einen erheblichen Eingriff im Sinne von § 14 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)“, schreibt dazu das Landratsamt in den Antworten der SPD-Anfrage.
Die SPD-Fraktion hält die bisherigen rechtlichen Regelungen zum Schutz von Streuobstwiesen nicht für ausreichend. „Im Rahmen der Artenschutzinitiative war deshalb ein erhöhter Schutz für Streuobstwiesen vorgesehen. Jetzt wird es darauf ankommen, wie die Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Volksbegehrens ,Rettet die Bienen’ von der Landesregierung umgesetzt werden“, so der Fraktionsvorsitzende Rudolf
Bindig. Es gebe eine Reihe von Fördermaßnahmen zum Erhalt von Streuobstwiesen. Die entscheidende Frage sei, was geschieht, wenn jemand die Fördermaßnahmen nicht annimmt und eine Streuobstwiese zerstören will. „Dann braucht es noch schärfere Ordnungs- oder Strafmaßnahmen“, so Bindig.
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