Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Wir haben das selbst in der Hand“
Wie Leutkirchs Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle die Corona-Krise erlebt und was er sich wünscht
LEUTKIRCH - Seit vielen Tagen ist auch das öffentliche Leben in Leutkirch stark eingeschränkt. Wie geht Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle damit um? Was rät er den Bürgern? Und wie schätzt er die Auswirkungen für die Leutkircher Wirtschaftsbetriebe ein? Diese und weitere Fragen hat SZ-Redakteur Simon Nill dem Stadtoberhaupt gestellt.
Ich bin auch in dieser Situation froh und dankbar, dass ich in Deutschland leben darf. Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem und die Versorgung mit Lebensmitteln funktioniert reibungslos. Die Politik hat, auch dank des stringenten Vorgehens von Bayern, schnell die notwendigen Maßnahmen beschlossen. Wie wir alle mache ich mir aber auch Sorgen um die Gesundheit im Familienund Freundeskreis, um die Sicherheit der Arbeitsplätze und um die Zukunft unserer Wirtschaft.
Wie ist denn der aktuelle Stand in Sachen Corona-Infizierte in Leutkirch?
Bei Betrachtung der offiziellen Zahlen sind wir leicht unterdurchschnittlich betroffen. Das kann sich aber täglich ändern – unsere Situation ist vergleichbar mit der vieler anderen Kommunen. Sehr dankbar bin ich für die vielen Hilfsaktionen und für die Solidarität in Stadt und Ortschaften.
Was raten Sie Leutkirchern, die in ihren eigenen vier Wänden momentan einem „Lagerkoller“nahe sind?
Diese Situation ist für ältere Menschen und für die Risikogruppen sicherlich schwierig und wir müssen hier füreinander sorgen. Das schöne Wetter sollten wir für Spaziergänge
Lebens?
und Aufenthalte im Freien nutzen, aber auch dabei alle Schutzmaßnahmen und den Sicherheitsabstand einhalten.
Wenn sich die Menschen an die geltenden Vorschriften halten, dann sind weitere Einschränkungen nicht nötig. Wir haben das selbst in der Hand.
Was schätzen Sie: Wann können die Menschen wieder in ihren normalen Alltag zurückkehren?
Ich hoffe, dass wir uns nach den Osterferien schrittweise dem normalen Leben nähern können. Dieser Prozess wird aber einige Monate dauern und viel Disziplin von uns allen erfordern.
Welche Folgen wird die CoronaKrise Ihrer Einschätzung nach für die Wirtschaftsbetriebe in Leutkirch haben?
Auch unsere Unternehmen leiden an den Folgen dieser weltweiten Krise, und etliche Betriebe gehen jetzt in Kurzarbeit. Da wir aber wirtschaftlich gute Jahre hinter uns haben, hoffe ich sehr, dass alle Betriebe die Krise gut und schnell überstehen.
Was kann die Stadt tun, um den Unternehmern unter die Arme zu greifen?
Wir gehen großzügig mit Anträgen auf Steuerstundungen um, verzichten in den nächsten Monaten auf Sondernutzungsgebühren und kommen unseren gewerblichen Mietern auch bei den Mieten entgegen. Daneben wollen wir mit Aufträgen die regionale Wirtschaft stützen und haben auch die Aktion www.leutkircher-gutscheine.de tatkräftig unterstützt.
Wie sieht es in der Leutkircher Stadtverwaltung aus? Ist sie voll arbeitsfähig?
Wir haben in Leutkirch sehr schnell auf die Corona-Krise reagiert, frühzeitig Veranstaltungen untersagt und mit organisatorischen Maßnahmen für die volle Funktionsfähigkeit der Wasserversorgung, des Klärwerks und der Verwaltung gesorgt.
Glauben Sie, dass Veranstaltungen wie das Kinderfest oder das Altstadt-Sommerfestival stattfinden können?
Ich glaube nicht, dass wir bei der schrittweisen Rückkehr zur Normalität im Sommer schon große Feste feiern können. Die Gesundheit und der Schutz der Wirtschaft und der Arbeitsplätze müssen Vorrang haben.
Die jüngste Gemeinderatssitzung ist aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Ruht nun die Arbeit der Stadträte? Was ist hier für die kommenden Wochen geplant?
Die jüngste Sitzung wurde rein vorsorglich abgesagt, die Kommunalpolitik ist voll handlungsfähig. Wir führen derzeit Beschlüsse im digitalen Umlaufverfahren durch, und mit Hilfe der Software eines Anbieters aus Baden-Württemberg können wir bald Sitzungen per Video-Konferenz abhalten. In der Festhalle sind öffentliche Sitzungen mit allen notwendigen Sicherheitsvorkehrungen möglich.
Gibt es etwas, das Sie den Leutkirchern in der jetzigen Situation wünschen?
Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam diese Situation gesund und wirtschaftlich gut überstehen. Und ich wünsche mir, dass wir die Wertschätzung für die großartigen Menschen zum Beispiel in Supermärkten, Lebensmittelgeschäften, Arztpraxen, Krankenhäusern, Seniorenund
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Pflegeheimen, in der Kinderbetreuung, im Hospiz, bei St. Anna, in der Landwirtschaft und am Steuerrad der Lkw auch nach der Krise beibehalten. Jetzt sehen wir deutlich, wie wichtig diese Menschen für uns alle sind.