Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Sehr wichtig für die Planung“
RAVENSBURG - Zur Aussagekraft breit angelegter Corona-Studien wie jetzt in Bayern hat Daniel Hadrys den Virologen Professor Thomas Mertens befragt.
Wäre es sinnvoll, eine zufällig ausgewählte, repräsentative Gruppe von Menschen auf das Coronavirus zu testen – auch wenn diese keine Symptome zeigen – um den Ausbreitungsgrad innerhalb der Bevölkerung herauszufinden?
Zunächst müssen wir wieder, wie am 30. März in dieser Kolumne und am 3. April von Hajo Zenker erläutert, unbedingt zwischen Virusnachweisen und Antikörpernachweisen unterscheiden. Der Virusnachweis in einer repräsentativen Gruppe würde als Momentaufnahme zeigen, wie viele Menschen der gewählten Gruppe sich am Tage des Abstriches in der Phase der Virusausscheidung, sagen wir 14 Tage Dauer, befinden. Das Ergebnis wäre unter Umständen interessant, aber man muss bedenken, dass bei einer wirklich repräsentativen Gruppe für den Durchschnitt der Bevölkerung, bezogen auf Alter und Infektionsrisiko seit Beginn der Epidemie, wahrscheinlich nicht viele positive Ergebnisse zu erwarten wären, wenn die untersuchte Gruppe nicht sehr groß wäre. Die gewonnene Information wäre unter Umständen nur schwer statistisch verwertbar und interpretierbar. Die serologische Untersuchung einer ausreichend großen repräsentativen Gruppe mit einem zuverlässigen Test zum Nachweis von Antikörpern gegen Sars-CoV-2 würde uns zeigen, wie viele Menschen seit Beginn der Epidemie in Deutschland zum Zeitpunkt der Blutentnahme für den Test bereits infiziert wurden. Wenn man Angaben über Krankheitssymptome mit erheben würde, könnte man auch den Prozentsatz symptomloser Verläufe der Infektion bestimmen. Wenn man schließlich Alter, Befolgung der angeordneten Maßnahmen und das berufliche Infektionsrisiko bei der Blutentnahme anonym erfassen würde, könnte man Untergruppen bilden und sehr viele wichtige zusätzliche Informationen zur Bedeutung der eingehaltenen Vorsichtsmaßnahmen und einer beruflichen Exposition für eine Infektion gewinnen. Diese Informationen wären sehr wichtig für die Planung des weiteren Vorgehens. Ganz besonders wichtig hierfür sind aber genaue Zahlen über die wegen Covid-19 in allen Krankenhäusern aufgenommenen Personen, die jetzt stationären Patienten und die beatmungspflichtigen Patienten. Gesteuert werden müssen künftige Maßnahmen so, dass ausreichend Krankenhausbetten und Beatmungsplätze immer zur Verfügung stehen.
In Bayern sollen 3000 Menschen ein Jahr lang wissenschaftlich begleitet werden. Welche Erkenntnisse zum Coronavirus könnte dieses Projekt bringen?
Ja, das ergibt auch interessante Ergebnisse zur „Durchseuchung“, jetzt eben im Verlauf (Längsschnitt). Die Unterfragen zum Auftreten von Krankheitssymptomen und zur Bedeutung von Alter, Verhalten, beruflichem Infektionsrisiko können, ähnlich wie oben angegeben, gestellt und beantwortet werden. Die erforderliche zahlenmäßige Größe der Gruppe muss durch Statistiker vorher geprüft werden.
Wer wird bislang getestet?
Das sollten im Wesentlichen Personen mit nachvollziehbarem Infektionsrisiko (Expositionsrisiko, Kontaktpersonen) und Personen mit entsprechenden Symptomen sein.