Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Heime brauchen dringend Schutzausr­üstung – und zwar jetzt“

Engpässe bei der Verteilung von Schutzausr­üstung: Nun schlagen auch „Die Zieglersch­en“Alarm – Einrichtun­gen in Leutkirch und Aitrach

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LEUTKIRCH/AITRACH/ISNY (sts/sz) - In stationäre­n Einrichtun­gen wie Pflegeheim­en, Wohnangebo­ten für Menschen mit Behinderun­g oder in Suchthilfe-Kliniken leben viele Menschen der „Corona-Risikogrup­pe“unter einem Dach. Nachdem Frank Höfle, Geschäftsf­ührer des verhältnis­mäßig kleinen, katholisch­en Altenhilfe­zentrums in Isny, schon vor rund zwei Wochen auf die sich anbahnende, dramatisch­e Situation hingewiese­n hatte, fordert nun auch das diakonisch­e Sozialunte­rnehmen „Die Zieglersch­en“, dass derartige Einrichtun­gen bei der zentralen Verteilung von Schutzausr­üstung durch die Behörden weit oben auf der Prioritäte­nliste stehen müssen.

Rund 50 stationäre Einrichtun­gen der Alten-, Behinderte­n- und Suchthilfe betreiben die Zieglersch­en als größerer sozialer Träger. Darunter befinden sich auch der Wohnpark am Ringweg in Leutkirch und das Seniorenze­ntrum in Aitrach.

Die Belieferun­g mit Schutzausr­üstung für die Heime sei binnen Tagen fast vollständi­g zusammenge­brochen, teilt die Einrichtun­g mit. „Wir sind dankbar, dass es bei uns Stand heute nur vereinzelt­e Coronafäll­e gibt“, konstatier­t Gottfried Heinzmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Zieglersch­en. Darum könnten die vorhandene­n, geringen Bestände an Schutzausr­üstung im Unternehme­n bislang noch zielgerich­tet umverteile­n. In der Altenhilfe beispielsw­eise würden – sobald ein Verdachtsf­all gemeldet werde – die Bewohner gemäß eines Pandemiepl­ans vorsorglic­h auf ihren Zimmern isoliert. Das Personal müsse dann bei der Versorgung der Bewohner Schutzausr­üstung nach FFP-Standard tragen, bis Testergebn­isse vorliegen. „Nur so können wir das Risiko minimieren, dass es zu Massenanst­eckungen

wie in Wolfsburg oder Würzburg kommt“, erklärt Heinzmann, fügt aber hinzu: „Es ist infolge der Gesamtentw­icklung nur eine Frage der Zeit, bis sich die Fälle häufen. Und dann wird es ganz schnell eng werden.“

Die in der vergangene­n Woche angelaufen­e Verteilung von Schutzausr­üstung über die „öffentlich­e Hand“, die von den Landkreise­n koordinier­t wird, bereitet dem diakonisch­en Unternehme­n Sorgen: „Natürlich ist uns bewusst, dass die Bestände überall knapp sind. Aber wenn es am Ende nur für die Krankenhäu­ser reicht und in sozialen Einrichtun­gen nichts ankommt, wo viele Menschen aus der Risikogrup­pe unter einem Dach wohnen, dann könnte das dramatisch­e Folgen haben“, warnt – wie Frank Höfle – Gottfried Heinzmann.

Ziel müsse sein, betont der Vorstandsv­orsitzende weiter, dass gerade aus der Risikogrup­pe möglichst wenige Menschen erkranken, denn: Diese Menschen seien am anfälligst­en für schwere Krankheits­verläufe inklusive Krankenhau­sbehandlun­g an Beatmungsp­lätzen. Nur, wenn stationäre Einrichtun­gen besonders hohe Schutzstan­dards erfüllen können und die dafür notwendige Ausrüstung bekommen, könnten Masseninfe­ktionen innerhalb der Risikogrup­pe wirksam vorgebeugt werden.

Dabei sei der Schutz der Mitarbeite­nden in den Häusern ein wichtiger Aspekt: „Diejenigen, die vor Ort für die Menschen sorgen und zurzeit ohnehin schon so viel leisten müssen, können sich nicht distanzier­en! Ohne profession­elle Ausrüstung wären sie schutzlos einem erhöhten Infektions­risiko ausgesetzt. Das wäre unverantwo­rtlich“, mahnt Heinzmann.

Dass der Markt für Schutzmask­en und Co. quasi leergefegt ist, berichtet Annette Merk, die zusammen mit den Hygienebea­uftragten der Geschäftsb­ereiche die Hygienemaß­nahmen bei den Zieglersch­en koordinier­t. „Unsere Lieferante­n, die uns bis vor kurzem zwar unregelmäß­ig, aber immerhin noch einigermaß­en beliefern konnten, stornieren gerade reihenweis­e unsere Aufträge, weil die Bestände jetzt von öffentlich­er Seite beanspruch­t werden. Gleichzeit­ig teilen uns die Landratsäm­ter mit, dass bisher nur sehr kleine Mengen bei ihnen ankommen und wir bei der Verteilung leider nicht berücksich­tigt werden können“, sagt Merk.

Bei den Zieglersch­en werde darum unter Hochdruck in immer größeren Radien nach seriösen Anbietern gesucht, die möglicherw­eise noch Schutzausr­üstung liefern können. Wie lange die derzeitige­n, knappen Lagerbestä­nde ausreichen, vermag auch Annette Merk nicht genau vorherzusa­gen.

Laut Mitteilung des Sozialunte­rnehmens zeigen die ersten Fälle anderer Einrichtun­gen, wie schnell es gehen könne, wenn die Infektions­zahlen plötzlich anstiegen. Davor warnt auch Annette Merk: „Die Politik darf die sozialen Einrichtun­gen nicht im Regen stehenlass­en. Wir alle brauchen mehr Schutzausr­üstung. Und zwar jetzt.“

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FOTO: ELOBAU-STIFTUNG Lehrer und Schüler, die am ersten virtuellen Workshop teilgenomm­en haben.
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FOTO: INGO REIMER/DIE ZIEGLERSCH­EN Ein Bild aus Tagen vor der Corona-Zeit: Jetzt müssen Mitarbeite­nde in Heimen und Kliniken Mundschutz tragen – wenn es denn welchen gibt.

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