Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schutzheiliger wird um Beistand gebeten
Für Gläubige ist die Sebastianskapelle von Haisterkirch derzeit ein Ort der Zuversicht
HAISTERKIRCH - Dieser Tage ist zu beobachten, wie sich zahlreiche Menschen – Einzelpersonen wie auch Ehepaare, davon manche mit ihren Kindern – auf den Weg zur Wallfahrtskapelle St. Sebastian begeben. Ältere Menschen fahren bisweilen auch mit dem Auto hinauf, was nachvollziehbar ist. Denn der Weg von Haisterkirch hinauf zur „Kapelle in der Waldeinsamkeit“ist zu Fuß wegen des stetigen Anstiegs recht anstrengend.
Die oben Ankommenden halten sich strikt an die Vorgaben der Bundesund Landesregierung mit den vorgeschriebenen Abständen. Die Kapelle ist immer geöffnet. Das wissen offensichtlich die meisten Besucher. Manche Menschen verbinden den Besuch der Sebastianskapelle mit einem Waldspaziergang.
Festzustellen ist, dass am Wochenende zeitweise Kerzen in allen 50 Halterungen brennen. Kapellenmesner Bernd Schmid, der dafür sorgt, dass sich immer genügend Opferkerzen in der Ablage befinden, bestätigt, dass derzeit mehr Kerzen als sonst angezündet werden.
Wer keinen Platz mehr für seine Opferkerze in den Halterungen findet, kann sie in ein aufgehängtes Kästchen legen. Schmid achtet darauf, dass diese hinterlegten Kerzen dann zu einem späteren Zeitpunkt aufgesteckt und im Sinne der Kapellenbesucher angezündet werden.
Etliche Menschen aus der Region suchen momentan ganz bewusst die Kapelle auf. Denn St. Sebastian, der im Mittelalter als Schutzheiliger gegen die Pest galt, wird auch heute noch als Fürbitter bei Gott und Helfer in der Not verehrt.
Der Heilige wurde vor allem in Seuchenzeiten aller Art um Hilfe und Beistand angefleht. Daran erinnert wird man durch das hier oben oft gesungene Sebastianlied, dessen fünfte Strophe folgendermaßen lautet: „Wollen Seuchen zu uns schleichen, bitte, dass sie von uns weichen. Scheuche ungesunde Luft, schließ’ des jähen Todes Gruft.“
Auch die Inschrift zwischen dem Gebälk eines alten Fachwerkhauses direkt am Sebastianweg weist darauf hin: „Heiliger Sebastian in Krankheit, Pest und Hungernot, bitte für uns bei Gott.“
Was die Menschen momentan sehr bewegt, ist auch den Einträgen im neu ausgelegten Pilgerbuch zu entnehmen: Es ist die weltweit alles beherrschende Corona-Krise. Es sind übrigens frei formulierte, individuelle Bittgebete, die bekunden, dass gläubige Menschen Gottes Nähe, Zuwendung und Liebe suchen und den Heiligen um Unterstützung in ihren Nöten bitten.
Normalerweise halten sich die schriftlichen Dankesbezeigungen und Bitten um Beistand im Sebastians-Pilgerbuch die Waage. Davon geben auch die mehr als 500 Einträge im vergangenen Jahr Zeugnis.
Jetzt allerdings dominiert in St. Sebastian deutlich das Hilfeersuchen, wie eine aktuelle Notiz verdeutlicht: „Bitte, heiliger Sebastian, hilf unserer Familie, dass die Seuche an uns vorbeizieht!“