Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Als das Rutenfest abgesagt werden musste
Eine Infektionskrankheit machte das Ravensburger Heimatfest 1938 zunichte
RAVENSBURG - Ein Juli ohne Rutenfest? In Ravensburg ist das für viele Menschen unvorstellbar. Doch die Corona-Pandemie könnte, wie berichtet, auch das Ravensburger Kinderund Heimatfest in diesem Sommer zunichte machen. Bereits 1938 sorgte eine Infektionskrankheit zur Absage des Rutenfests. Ein abgesehen von Kriegszeiten einmaliger Vorfall.
Nur wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand im Sommer 1914 das vorerst letzte Rutenfest statt. Es war schon geprägt vom sich nähernden Krieg. Einzelne Programmpunkte im Festverlauf fielen aus, anstatt eines Festtreibens war die Kuppelnau Ort von Mobilisierungsmaßnahmen.
Erst 1920 gab es wieder den zaghaften Versuch, das Rutenfest wiederzubeleben. Als halbtägige Veranstaltung in der Höll. Ein Jahr später wurde wieder an zwei Tagen gefeiert. Zwar gab es auch hier Einschränkungen, weil Kostüme fehlten und Geld, doch die Ravensburger feierten sehr ausgelassen.
So wie auch 1947, als das erste Rutenfest nach dem Zweiten Weltkrieg endlich wieder stattfand. Bereits 1933 hatten die neuen Machthaber versucht, das Ravensburger Heimatfest für die Zwecke der Nationalsozialisten zu kapern. Teilweise stießen sie auf Widerstand, weil die Nazis unter anderem versuchten, die kirchlich geprägten Bestandteile aus dem Festverlauf zu verdrängen, was viele Katholiken nicht wollten. Das letzte Rutenfest unter der NS-Herrschaft fand dann 1939 statt, erst 1947 konnte trotz aller Einschränkungen und Beschwernisse wieder das Ravensburger Volksfest gefeiert werden.
Abgesehen von der Zeit der beiden Weltkriege war das Rutenfest immer ein fester Termin im Ravensburger Jahreskalender. Dass es 2020 zu einem Ausfall oder einer Verschiebung kommen könnte aufgrund der Corona-Pandemie, ist nur zu vergleichen mit dem Jahr 1938, als das Fest abgesagt werden musste.
Die Vorarbeiten fürs Rutenfest liefen auch damals, die Vorfreude bei den Ravensburgern war wie in jedem Jahr groß. Doch dann kam im Juli die kurzfristige Absage. Der Grund war die grassierende Maul- und Klauenseuche.
Auch zwei Nachbargemeinden der Stadt waren erheblich betroffen. Nicht zuletzt aufgrund der vielen Pferde im Festzug und einer zwar seltenen, aber nicht auszuschließenden Übertragung der Krankheit vom Tier auf den Menschen musste das gesamte Heimatfest abgesagt werden. Auch der ursprünglich geplante
Ersatztermin im September 1938 wurde letztlich gestrichen.