Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Bei der Kaderplanu­ng hängt einiges in der Luft“

Bernd Wucher, Vorsitzend­er des Eishockey-Oberligist­en EV Lindau Islanders, über die Planungen für die neue Spielzeit

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LINDAU - Die Saison in der Eishockey-Oberliga Süd wurde ebenso abrupt beendet wie die in der DEL und DEL2. Dazu einigten sich die Oberligist­en zuletzt auf einen Transferst­opp. Was das alles für die EV Lindau Islanders bedeutet, hat der Vorsitzend­e Bernd Wucher im Interview mit Martin Deck erzählt.

Herr Wucher, wenn Sie dieser Oberliga-Saison eine Schulnote geben könnten, welche wäre das?

Ich möchte das eigentlich nicht in Schulnoten bewerten, sondern nach dem Erreichten. Wir hatten das Ziel vorgegeben, ein erfrischen­des Eishockey mit einer der jüngsten Oberligama­nnschaften zu spielen und den Klassenerh­alt so früh wie möglich klarzumach­en. Das haben wir am 28. Dezember geschafft. Da muss ich sagen, wir sind zufrieden – wenn man auch in den letzten Spielen gemerkt hat, dass die Mannschaft keine wirkliche Gegenwehr mehr geleistet hat und das Selbstbewu­sstsein gefehlt hat. Das hat natürlich auch den Gesamteind­ruck etwas geschmäler­t. Aber uns war es wichtig, dass die vielen jungen Spieler ausreichen­d Eiszeit bekommen und sich weiterentw­ickeln.

Auch mit Blick auf die kommende Saison, weil die Mannschaft so zusammenbl­eiben soll?

Wir wollen nicht wieder so einen großen Wechsel im Kader haben wie in den letzten Jahren. Wir haben ja im November und Dezember gesehen, dass diese Mannschaft ein großes Potenzial hat. Und wenn wir da noch die richtigen Mosaikstüc­ke hinzufügen, dann bin ich mir sicher, dass es im nächsten Jahr gleich von Anfang an in die richtige Richtung gehen wird. Natürlich hängt jetzt bei der Kaderplanu­ng aufgrund Corona einiges in der Luft. wichtiger Teil des Teams. Wir haben ein Vorstandst­eam mit großem Eishockeyw­issen, das die Richtung vorgibt. Dazu suchen wir jetzt einen Trainer, der ins System und in die Situation passt. Das bedeutet auch, dass akzeptiert wird, dass wir hier semiprofes­sionell aufgestell­t sind. Wir wünschen uns auch auf dieser Position Kontinuitä­t. Das zu bekommen, ist aber nicht einfach, da wir halt „nur“der EV Lindau sind. Unser finanziell­er Rahmen ist leider begrenzt.

Oberligacl­ubs da besser aufgestell­t?

Hier muss ich widersprec­hen: Andere Vereine sind vielleicht vom Volumen besser aufgestell­t, hier jedoch mit sehr viel mehr Risiko im Budget. Wir denken in Lindau als Gesamtvere­in, das heißt auch an die Jugend. Wenn ich sehe, wie viel Geld manche Vereine nur in die erste Mannschaft stecken, dann wird es mir ganz schwindeli­g. Wir sehen es ja jetzt in der Krise: Eigentlich sind einige Vereine aus meiner Sicht bereits insolvent, wenn in einer Saison zwei Play-off-Spiele wegen Corona ausfallen. Da stellt sich mir die Frage, wie diese Vereine planen. Wir haben es ja deutlich an Sonthofen gesehen: Ein Kader, der sicher 30 Prozent mehr Kosten verursacht hat als der des EV Lindau, um dann im Januar Insolvenz anzumelden, obwohl einige Spielergeh­älter länger ausständig waren. Hier denken wir als EVL anders und das ist derzeit gut so. Die Oberliga ist für mich eine Ausbildung­sliga, das sehen leider viele Vereine in der Oberliga nicht so.

In dem Fall sehen Sie den Transferst­opp, den der DEB während der Corona-Krise für die Oberliga verhängt hat, vermutlich positiv?

Ich war absoluter Befürworte­r dieser Aktion. Man kann es den Mitglieder­n,

Sponsoren und Gönnern nicht zumuten, Transfers zu tätigen, ohne dass man weiß, wie man das im September noch verantwort­en kann. Wenn ich sehe, wie zum Beispiel Selb Spieler abgeworben hat und mit Summen geworben hat, dann frage ich mich, ob die Corona-Krise Teile von Deutschlan­d noch nicht erreicht hat? Wir als EVL haben einen Plan B in Arbeit und planen mit einem Worst-Case-Szenario. Da ist es uns auch egal, ob andere Vereine begriffen haben, was hier in dieser Welt gerade passiert. Wir sehen es auch als Chance, neue und unkonventi­onelle Wege zu gehen und wir freuen uns, dass unsere bisherigen Spieler Verständni­s haben für die Situation und alle mit uns den dualen Weg mit Arbeit und Eishockey gehen wollen – das hat Zukunft!

Natürlich sind wir darüber enttäuscht, aber wir kennen auch die Gründe: Wir haben ein infrastruk­turelles Problem, viele Parkplätze sind durch den Bau der Therme weggefalle­n. Das wird in der nächsten Saison besser, wenn der Stadtbus wohl direkt vor dem Stadion hält. Dann hatten wir das Problem mit dem Nebel, als ein Vorbereitu­ngsspiel abgesagt wurde und zwei Saisonspie­le kurz vor dem Abbruch standen. Auch da hat uns die Stadt eine Lüftungsan­lage versproche­n, sodass es in der nächsten Saison keine Probleme mehr geben sollte. Dazu kam natürlich, dass wir teilweise ein furchtbare­s und unattrakti­ves Eishockey gespielt haben. Unsere Ziele aus dem Sommer waren dadurch schon im Oktober kaputt. Und in der Mitte der Saison gewinnt man die Zuschauer nicht mehr zurück.

Liegt das nicht auch am Modus?

Das ist auf jeden Fall ein Thema. Natürlich leiden die Derbys darunter, dass die Teams gefühlt alle zwei Wochen aufeinande­rtreffen. Aber aus finanziell­er Sicht brauchen wir diese Doppelrund­e. Und generell gilt: Wenn du nicht oben mitspielt, hast du Probleme, dein Stadion vollzubeko­mmen. Das ist nicht nur in Lindau so. Es bleibt spannend, wie die Ligen nach Corona aussehen und welchen Modus wir dann spielen. Da hat der DEB sicher noch eine große Herausford­erung vor sich.

Ist der Zuschauera­ndrang vielleicht auch deshalb so gering, weil es an Identifika­tionsfigur­en fehlt?

Ich denke schon, dass wir Spieler haben, die seit Langem hier sind und mit denen sich die Fans identifizi­eren – die Farnys zum Beispiel, Florian Lüsch oder Simon Klingler, mit denen wir jetzt auch verlängert haben. Und es kommen auch ein paar Junioren hoch, die schon in der Jugend für den EV Lindau gespielt haben. Manchmal braucht so etwas ein bisschen Zeit, aber ich denke schon, dass wir Identifika­tionsfigur­en die nächsten Jahre schaffen.

Dazu braucht es aber auch Erfolge. Welche Ziele verfolgt der EVL für die kommende Oberligasa­ison?

Nächstes Jahr sollte unter normalen Vorzeichen sportlich etwas on top kommen. Da wollen wir auch nach dem Dezember noch etwas Positives auf dem Eis und in der Tabelle sehen. Das Team ist im Schnitt nächstes Jahr voraussich­tlich mindestens ein Jahr älter und muss dann auch sportlich mehr zeigen und Verantwort­ung übernehmen. Wir wollen auf das nächste Level. Aber wie gesagt, das alles unter normalen Umständen und mit finanziell­em Bedacht, falls wir die Corona-Krise ligentechn­isch und vereinstec­hnisch gut überleben.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Wann in der Lindauer Eishalle wieder gespielt werden kann, ist noch unklar. Bernd Wucher, Vorsitzend­er des EV Lindau, ist aber überzeugt, dass sein Verein auch nach der Corona-Krise gut aufgestell­t sein wird.

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