Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ab 14. April produziert Dethleffs wieder
In zwölf Tagen Werksstillstand wurden aufwendige Hygienemaßnahmen umgesetzt
ISNY - Am Dienstag nach Ostern nimmt Dethleffs in Isny die Produktion wieder auf. Es könne „auch für andere Unternehmen interessant sein“, erklärte Alexander Leopold, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Reisemobil- und Caravanherstellers, wie in den zurückliegenden Tagen in den beiden Produktionshallen und den Büros die Einhaltung der Hygienevorschriften möglich gemacht wurde. Die Rückkehr der Mitarbeiter an die Bänder will Leopold im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“aber auch als „ein Signal der Hoffnung“im Corona-Shutdown verstanden wissen.
Direkt mit dem Werksstillstand am 25. März sei intern ein 16-köpfiges Mitarbeiter-Team mit dem Namen „Produktion trotz Corona“gebildet worden, das die komplette Fabrik analysiert und, unterstützt von einem „Hygieneinstitut“, eine Vielzahl an Vorkehrungen in die Wege geleitet habe unter dem Motto: „Kontakte vermeiden! Je weniger, desto geringer das Ansteckungsrisiko – nach dieser Philosophie findet die Produktion ab 14. April wieder statt“, sagte Leopold diesen Dienstag.
Als beispielhafte Vorsichtsmaßnahmen nannte er: Handwaschmöglichkeiten an allen Eingängen; begrenzter Zugang zum Firmengelände und nur nach Anmeldung, „möglichst Besuche vermeiden, so gut wie keine Dienstreisen, viel über Videokonferenzen regeln“; Reduzierung der Stühle in den 25 Besprechungsräumen, um die 1,5 Meter Sicherheitsabstand zu gewährleisten – wo dies nicht möglich war, wurde „radikal geschlossen, rund ein Drittel sind gesperrt“; Schreibtische in den Büros wurden auseinander gerückt, viele Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice. Zu jedem Punkt gebe es schriftliche Handlungsanweisungen und Reinigungspläne für jeden einzelnen Büroarbeitsplatz, dessen Umsetzung dokumentiert und von den Vorgesetzten unterschrieben werde.
Derlei Verhaltensvorgaben existieren auch für jeden Arbeitsplatz in der Produktion. Sie sind mehrsprachig, weil „bei Dethleffs 33 Nationalitäten arbeiten“, schilderte Leopold weiter. Das 16-köpfige Projektteam habe allein 32 Hygieneschilder mit Text und Erklärungen anhand von grafischen Symbolen entworfen. Das reiche von der Bedienung der Lastkräne über das Fahren mit Gabelstaplern, den Umgang mit „Akkustationen“, Werkzeugen oder Gehörschutz bis zum Bedienen von Lichtschaltern oder der Stempeluhren.
Zum infektionssicheren Anstellen vor letzteren sind im Abstand von 1,5 Metern blaue Fußabdrücke auf die Hallenböden geklebt. Wie auch für die „Shop-Floor-Runden“, die insgesamt 15 Treffpunkte im Werk, an denen Teamleiter und
Meister täglich die Arbeitsabläufe vor Produktionsbeginn besprechen.
„Höchstwahrscheinlich haben wir ab 14. April auch ausreichend Gesichtsmasken für die komplette Belegschaft“, sie würden von diversen Textillieferanten bezogen, die sonst beispielsweise Gardinen für Wohnwagen und Reisemobile fertigten, erklärte Leopold weiter.
Robert Bielesch, der erst am 16. März bei Dethleffs neu seine Arbeit als Leiter der Unternehmenskommunikation aufgenommen hat, zeigte sich im Gespräch mit der SZ „beeindruckt vom Pragmatismus der Mitarbeiter“bei allen Überlegungen, wie trotz Corona Fahrzeuge gebaut werden könnten. Das Projektteam sei „wie ein Rollkommando durchs
Werk“und habe sich von den Werkbänken bis zu Türklinken oder Urinalen Gedanken gemacht.
„Wir haben von Anfang an die Mitarbeiter umfassend informiert, um Unsicherheiten abzubauen, aber auch, um deutlich zu machen, dass die Hygienevorschriften ernst genommen werden müssen und wir uns mit ’Interpretationen’, etwa einer individuell zu laxen Auslegung nicht zufriedengeben“, konstatierte Bielesch. Die Geschäftsleitung habe wieder einmal beeindruckt, „wie schnell die Leute selber kreativ werden und Motivation freisetzen – jeder will, dass es bald weitergeht“.
Symbolhaft seien etwa neu gebildete WhatsApp-Gruppen, vor allem aber der „Coroni“, ein vom Projektteam designtes und im Werk massenhaft aus Holzschichtplatten gefrästes Multifunktions-Handgerät. Mit dem „Hygieneschlüssel“lassen sich Wasserhähne, Fenstergriffe, Türklinken, Mikrowellen, Digital- oder Analogtastaturen und vieles mehr körperkontaktlos bedienen.
Vorerst geschlossen bleiben Kantine und Brotzeitverkauf. „Wir arbeiten an alternativen Lösungen“, heißt es in einem Schreiben an die Belegschaft vom 6. April, in dem – parallel zu E-Mails – der Produktionsstart postalisch angekündigt wurde.
Hauptinhalt des Briefs ist die Anleitung für eine Online-Schulung, mit der sich alle Mitarbeiter zu Hause auf Deutsch, Englisch und Kroatisch „über den Stand und die Einhaltung der Hygienevorschriften“bis zum Wiederanlauf am 14. April informieren und vorbereiten müssen. Zuletzt wird erwähnt, dass „Dethleffs Stand heute von einem Corona-Fall verschont geblieben“ist, wozu alle an Arbeitsplätzen und im Privatleben beigetragen hätten.