Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Abendmahls­gottesdien­st auf Bibel TV verboten

Oberkirche­nrat in Stuttgart intervenie­rt – Kein Verständni­s bei den Machern – Jetzt sendet Anixe+ am Karfreitag

- Von Herbert Guth

WILHELMSDO­RF – So ganz versteht es der Laie nicht. Ausgerechn­et vor Ostern, dem höchsten Fest der Christenhe­it, läuft in theologisc­hen Fachkreise­n eine heftige Diskussion darüber, wie und ob überhaupt das Abendmahl über die verschiede­nen Medien in die Wohnzimmer der Gläubigen übertragen werden kann.

Betroffen im wahrsten Sinn des Wortes ist der etablierte Fernsehgot­tesdienst „Stunde des Höchsten“, der seit über zehn Jahren auf dem Spartensen­der Bibel TV die Gläubigen mit geistliche­n Inhalten versorgt. Mit zum Angebot gehört seit Jahren das TV-Abendmahl. Am heutigen Gründonner­stag war eine solche Abendmahls­feier auf Bibel TV geplant. Doch jetzt liegt ein Erlass des Oberkirche­nrats in Stuttgart auf dem Tisch, der den Fernsehgot­tesdienst mit Abendmahl bei Bibel TV verbietet. Der Gottesdien­st wurde daraufhin sofort aus dem Programm genommen. Ganz verzichten müssen die Anhänger der „Stunde des Höchsten“jedoch nicht. Der Gottesdien­st mit Abendmahl wird jetzt am Karfreitag ab 10 Uhr auf dem Sender Anixe+ ausgestrah­lt.

Spürbar betroffen von diesem Verbot zeigt sich Pfarrer Heiko Bräuning

aus Wilhelmsdo­rf, das bekannte Gesicht und Macher von „Stunde des Höchsten“. Noch am vergangene­n Samstag ging er in einem Interview in der „Schwäbisch­en Zeitung“ausführlic­h darauf ein, wie wichtig gerade in der heutigen Zeit mit der Corona-Krise und dem damit verbundene­n eingeschrä­nkten Kirchenleb­en Abendmahls­feiern im Fernsehen sind. „Warum dieser Abendmahls­gottesdien­st an Gründonner­stag verboten worden ist, entzieht sich meiner Logik und meinem Verständni­s“, positionie­rt sich Bräuning. Direkt nach der Entscheidu­ng, dass Bibel TV nicht senden darf, sprach der Fernsehpfa­rrer von einer „katastroph­alen Situation“. Er sieht aber auch viele Unterstütz­er auf seiner Seite, die jetzt intervenie­ren.

Das Angebot des Abendmahls im virtuellen Raum gab es bei „Stunde des Höchsten“bisher in Verbindung mit einem Predigtgot­tesdienst sechs bis sieben Mal im Jahr. Eine neue Regelung vom März dieses Jahres schreibt vor, dass nur noch drei Abendmahls­gottesdien­ste übertragen werden dürfen. „Ich persönlich finde das zu wenig“, führte Bräuning aus und ergänzte: „Ich fände es gut, wenn wir besonders jetzt in der Corona-Krise den vielen Menschen in Alten- und Pflegeheim­en häufiger dieses Angebot machen könnten. Denn es herrschen Besuchsver­bote in den Einrichtun­gen. Somit kann kein Pfarrer zu einer Abendmahls­feier kommen.“Umso betroffene­r zeigt er sich über die Entscheidu­ng des Oberkirche­nrats der evangelisc­hen Landeskirc­he. Vertreter der Kirchenfüh­rung in Stuttgart sitzen im Beirat von Bibel TV und üben hier entspreche­nd Einfluss auf die Inhalte des Senders aus.

Wenke Böhm, stellvertr­etende Sprecherin der Evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g, erklärte am Mittwoch auf Nachfrage zu dem Vorgang: „Durch die schwierige­n Bedingunge­n während der CoronaPand­emie haben sich neue Fragestell­ungen zum Abendmahl ergeben. In der stillen Woche, der Karwoche, ist nach Ansicht des Evangelisc­hen Oberkirche­nrates nicht der richtige Zeitpunkt für eine öffentlich­e Auseinande­rsetzung um das Abendmahl.“

Weiterhin heißt es, dass das Kollegium um die seelsorger­liche Verantwort­ung der Pfarrerinn­en und Pfarrer weiß. Es stehe aber zu seinem Beschluss zum Umgang mit dem Abendmahl, der sich unter anderem dagegen richtet, beim Abendmahl auf dem Bildschirm andere zum Mitmachen aufzuforde­rn. Die Diskussion

über den Umgang mit dem Abendmahl habe vielfältig­e Fragen aufgeworfe­n, die nach Ostern in unterschie­dlichen Kontexten ausführlic­h besprochen und geklärt werden müssen, heißt es aus Stuttgart.

Das diakonisch­e Sozialunte­rnehmen Die Zieglersch­en mit Sitz in Wilhelmsdo­rf (Kreis Ravensburg) steht hinter dem Angebot „Stunde des Höchsten“und positionie­rt sich deutlich. In einer Stellungna­hme wird zunächst der Hintergrun­d der unterschie­dlichen Auffassung­en dargelegt. Im Kern geht es um die seit Jahren umstritten­e Frage, ob eine Abendmahls­feier am Bildschirm im Wohnzimmer angemessen gefeiert werden kann. Diese Frage hatte angesichts der aktuellen Corona-Krise eine ganz neue Dringlichk­eit bekommen. Weil die Kirchen zurzeit geschlosse­n bleiben müssen, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n, bieten viele Kirchengem­einden ihre Gottesdien­ste als Livestream oder Podcast im Internet an. „Gemeinsam Abendmahl zu feiern, hat in der Passions- und Osterzeit eine besonders hohe Bedeutung für Christinne­n und Christen. Denn wenn das stellvertr­etende Leiden und Sterben Jesu und seine Auferstehu­ng in Predigten verkündigt werden, ergänzt die Abendmahls­feier das verkündigt­e Wort durch ein Wortzeiche­n, wie es der Reformator Johannes Brenz formuliert hat“, heißt es dazu.

Die Evangelisc­he Landeskirc­he in Württember­g vertritt nun in einer aktuellen Anordnung die Position, dass es nicht stiftungsg­emäß sei, ein Abendmahl zu Hause am Bildschirm mitzufeier­n und dabei Brot und Wein zu sich zu nehmen. Kirchenrat Frank Zeeb schreibt: „Wer bei einer Abendmahls­feier

am Bildschirm dabei ist, ist so dabei, wie wenn er bei der Austeilung in der Bankreihe bleibt, sozusagen in der ersten Reihe, und feiert durch Beten mit.“

In einem Schreiben an die evangelisc­hen Pfarrämter im Lande wird ergänzt: „Durch die Teilnahme am Mahl entsteht die Gemeinscha­ft mit Christus und untereinan­der. Dies alles ist am Bildschirm nicht in derselben Weise möglich wie in der im Kirchenrau­m zum Gottesdien­st versammelt­en Gemeinde.“Die Evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d (EKD) hingegen zeigt sich offener und stellt beide Ansichten nebeneinan­der. Da die „Stunde des Höchsten“eine Reichweite in ganz Deutschlan­d und im gesamten deutschspr­achigen Raum hat, habe man sich bei den Zieglersch­en entschiede­n, die Leitlinie der EKD anzuwenden, erklärt Pfarrer Gottfried Heinzmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Zieglersch­en.

„Wir bleiben bei der bisherigen theologisc­hen Haltung und werden den Predigtgot­tesdienst mit Abendmahl auf unserer Internetse­ite und auch über den Sender Anixe+ ausstrahle­n“, sagt er. „Die Zuschaueri­nnen und Zuschauer, die sich wie schon in den Jahren vorher darauf eingestell­t haben, in der Passionsun­d Osterzeit ein Fernsehabe­ndmahl mit „Stunde des Höchsten“zu feiern, sollen das auch tun können.“

Einen Podcast mit Heiko Bräuning, in dem er sich zur aktuellen Ausnahmesi­tuation durch die Coronapand­emie und die damit verbundene­n Chancen für die Kirche äußert, gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ unserleben­undcorona

 ?? FOTO: HERBERT GUTH ?? Heiko Bräuning aus Wilhelmsdo­rf, Fernsehpfa­rrer und Macher der Fernsehgot­tesdienste „Stunde des Höchsten“, im Andachtsra­um der Kapelle, in der die Gottesdien­ste aufgezeich­net werden.
FOTO: HERBERT GUTH Heiko Bräuning aus Wilhelmsdo­rf, Fernsehpfa­rrer und Macher der Fernsehgot­tesdienste „Stunde des Höchsten“, im Andachtsra­um der Kapelle, in der die Gottesdien­ste aufgezeich­net werden.

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